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GFF unterstützt Friedensaktivisten gegen strafrechtliche Verfolgung

Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisiert fehlerhafte Strafurteile wegen Aufrufs zum Whistleblowing

Berlin, 12. Dezember 2018 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt den Friedensaktivisten Hermann Theisen in drei gegen ihn gerichteten Strafverfahren. Theisen verteilt regelmäßig Flugblätter vor den Gebäuden von Unternehmen, die nach Medienberichten illegaler Exporte verdächtigt werden. In seinen Aufrufen fordert er die Beschäftigten auf, rechtswidrige Praktiken ihrer Arbeitgeber öffentlich zu machen. Dafür wurde er wiederholt zu Geldstrafen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, nämlich Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, verurteilt. „Diese Urteile sind aus vielen Gründen falsch, vor allem aber, weil im öffentlichen Interesse liegende Hinweise auf illegale Geschäftspraktiken nicht strafbar sind“, sagt das GFF-Vorstandsmitglied Dr. Boris Burghardt. „Herr Theisen wurde Opfer derselben Logik, die jüngst zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Journalisten geführt hat, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den sog. Cum-ex-Skandal um milliardenschweren Steuerbetrug weiter aufzudecken.“

Hermann Theisen verteilt regelmäßig Flugblätter, in denen er die Praktiken insbesondere von Waffenherstellern anprangert. In den Flugblättern beruft er sich auf Medienberichte, wonach die genannten Unternehmen gegen Außenhandelsvorschriften verstoßen haben könnten. Er ruft die Mitarbeiter*innen dazu auf, die Öffentlichkeit über illegales Verhalten zu informieren. Am 11. September 2018 hat das Amtsgericht München Theisen verurteilt, weil er Flugblätter an Mitarbeiter*innen des Waffenherstellers Krauss-Maffei Wegmann verteilt hat. Am 20. November 2018 nahm das Amtsgericht Celle eine ähnliche Aktion vor dem Firmengelände des Waffenherstellers Rheinmetall zum Anlass für eine Verurteilung. Gegen beide Entscheidungen hat Theisen Berufung eingelegt. Am morgigen Donnerstag wird ein dritter Fall vor dem Amtsgericht Cloppenburg verhandelt, in dem es um Flugblätter zu den Praktiken der Firma VET Pharma Friesoythe geht. Medien hatten berichtet, dass das Unternehmen Stoffe zur Herstellung von Giftcocktails zur Vollstreckung von Todesurteilen in die USA geliefert haben könnte, die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt.

Die GFF unterstützt Hermann Theisen, der von Rechtsanwalt Martin Heiming verteidigt wird, in allen drei Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte sind der Meinung, Theisen fordere mit seinen Flugblättern öffentlich zu einer Straftat auf. Sie berufen sich auf § 17 Abs. 1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG), wonach sich eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person strafbar macht, wenn sie ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt. „Herrn Theisen ging es offensichtlich um Mitarbeiter*innen, die ihrem Gewissen folgen und deshalb über illegale Geschäftspraktiken ihrer Arbeitgeber informieren, nicht um solche, die dies vor allem gegen Geld tun oder um ihrer Firma zu schaden“, erläutert Dr. Burghardt. Außerdem ist laut Burghardt das Whistleblowing über illegale Geschäftspraktiken gerechtfertigt und auch deshalb nicht strafbar: Nach dem Entwurf des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, das europäisches Recht umsetzt und der Rechtsausschuss am heutigen Mittwoch diskutiert, ist nämlich die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zur Aufdeckung rechtswidriger Handlungen im öffentlichen Interesse gerechtfertigt. „Weil der deutsche Gesetzgeber mit der Umsetzung im Verzug ist, kann sich Herr Theisen auf diese Vorschrift schon jetzt berufen“, ergänzt Dr. Burghardt.

Hermann Theisen will vor allem seine Meinung frei äußern können. „Ich möchte auf die illegale Exportpraxis der Firmen aufmerksam machen und an das Gewissen ihrer Beschäftigten appellieren, sich konstruktiv einzumischen“, sagt er. „Dass ich mich mit meinen Flugblättern auf die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit berufen kann, haben mir andere Gerichte bereits seit Jahrzehnten immer wieder bestätigt.“

Die GFF unterstützt Theisen darin. „Lassen öffentliche Äußerungen die Auslegung zu, dass sie eher eine Meinungsäußerung sind als etwa nur ein Aufruf zum Whistleblowing, dann hätten die Gerichte im Zweifel diese für Herrn Theisen günstige, weil nicht strafbare Auslegung seiner Aufrufe wählen müssen“, so Dr. Bijan Moini, Syndikus der GFF.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert gerichtliche Verfahren, um die Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Verfassungsbeschwerden gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern und das Bayerische Polizeiaufgabengesetz.

Zur Finanzierung ihres Einsatzes für die Grundrechte ruft die GFF zu Spenden auf.

Mehr Informationen über die GFF finden Sie unter freiheitsrechte.org.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen unter presse@freiheitsrechte.org oder telefonisch unter 030 549 08 10 55 zur Verfügung.

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