3:0 für den Rechtsstaat – und das #TeamFreiheitsrechte
Ein Triple-Erfolg für die GFF, aber vor allem: ein Erfolg für die Grundrechte und den Rechtstaat, in dem diese Grundrechte vor Gericht eingeklagt werden können.
- Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Das Recht von Frauen auf gleiches Gehalt für gleiche Arbeit ist nicht verhandelbar.
- Das Bundesverwaltungsgericht hat das standardmäßige Auslesen von Handys für rechtswidrig erklärt, die das BAMFbei Geflüchteten durchführt.
- Das Bundesverfassungsgericht hat für die automatisierte Datenauswertung durch die Polizei in Hessen und Hamburg enge Grenzen gezogen.
Das ist ein kostbares Gut – und keine Selbstverständlichkeit, wie ein Blick in die Nachrichten zeigt. Auch der deutsche Rechtsstaat hat Lücken (Stichwort Polizeigewalt) und Macken (Stichwort Verfahrensdauer): Doch wenn deutsche Gerichte angerufen werden, können sie konkret Menschen und ihre Grundrechte schützen. Wichtige verfassungsrechtliche Fragen, bei denen Grundrechte gestärkt werden müssen gibt es mehr als genug. Dass sie vor Gericht kommen, ist kein Selbstläufer. Jeder der drei Erfolge vom 16.2. macht auch deutlich, warum strategische Prozessführung so wichtig ist und der Rechtsstaat manchmal Anschub braucht!
1. Equal Pay: Der grundrechtliche Rückstand einer ganzen Gesellschaft
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Equal Pay war wohl der lauteste Paukenschlag – schließlich betrifft die Entscheidung Millionen Menschen, vor allem Frauen. Und sie stellt einen Meilenstein bei der Erreichung gleicher Bezahlung dar: Deutschland ist mit einem Gender Pay Gap von 18 Prozent eines der Schlusslichter in Europa – selbst der „bereinigte“ Pay Gap beträgt noch 7 Prozent, Tendenz steigend! Fortschritte sind fast ausschließlich mutigen Frauen zu verdanken, die den unbequemen Weg vor Gericht auf sich nehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat einem ebenso beliebten wie schwachen Argument für eine bessere Bezahlung von Männern den Boden entzogen: Gehaltsunterschiede können künftig nicht mehr damit begründet werden, dass der männliche Kollege mehr gefordert oder besser verhandelt habe. Sie müssen immer auf einem objektiven arbeitsbezogenen Grund wie Qualifikation oder Dauer der Betriebszugehörigkeit beruhen.
Gut, dass das Bundesarbeitsgericht das klargestellt hat. Dass die Klägerin hierfür bis in die dritte Instanz klagen musste, zeigt wie weit der Weg zu einem vollständigen Verständnis und der Durchsetzung von Equal Pay noch ist. Dieses Urteil ist ein erster Schritt, aber die Arbeit ist noch lange nicht getan. Deshalb bleiben wir an der Seite der mutigen Frauen, die mit ihren Klagen mehr voranbringen als der deutsche Gesetzgeber oder viele Arbeitgeber*innen.
2. Der Umgang mit den Grundrechten marginalisierter Menschen
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslesung der Handys von Geflüchteten steht für ein grundsätzliches Problem: So werden hohe grundrechtliche Standards bei Geflüchteten und von Menschen ohne (gesicherten) Aufenthaltstitel häufiger verletzt. Nicht selten verfolgt der Bundestag dabei symbolische Ziele und will zeigen: Der Staat schaut bei Geflüchteten genau hin und liest daher ihre Handys aus. So werden Rechtseingriffe eingeführt, die bei anderen Teilen der Bevölkerung schlicht undenkbar sind. Für die Betroffenen ist es in aller Regel aufwändig und schwierig, sich zu wehren. Umso wichtiger, dass sie Unterstützung dafür bekommen, für ihre Rechte vor Gericht zu gehen. Wie weitreichend die grundrechtliche Ignoranz der beteiligten Akteure ist, wurde auch am 16. Februar deutlich: Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht trug das BAMF als ernst gemeinte Verteidigung vor, das Auslesen der Handys sei eine reine „Herausgabe“ des Datenträgers und stelle keinen Grundrechtseingriff dar. Diese Praxis grundrechtsfreundlicher zu gestalten sei eine Frage der Ressourcen, die das Bundesministerium eigenen Angaben nach nicht habe. Eine schwache Begründung.
3. Der Trend zur verfassungswidrigen Sicherheitsgesetzgebung
Das Urteil zu den polizeigesetzlichen Normen aus Hessen und Hamburg steht beispielhaft für die Probleme der Sicherheitsgesetzgebung der letzten Jahre. Die meisten Bundesländer haben jüngst ihre Polizeigesetze novelliert. An vielen Stellen nahmen sie dabei Verstöße gegen die Verfassung, gegen Grundrechte in Kauf – selbst gegen die explizite Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Damit gefährden die Parlamente nicht nur die Grundrechte der von dem Gesetz betroffenen Menschen, sie setzen gleichzeitig auch das Vertrauen in den Rechtsstaat aufs Spiel.
Damit diese verfassungswidrigen Sicherheitsgesetze so nicht stehenbleiben, erheben wir regelmäßig Verfassungsbeschwerde. Dabei tickt die Uhr: Wir haben nur ein Jahr Zeit, bis die Klagefrist abläuft. Wir suchen die passenden Beschwerdeführer*innen und gießen die verfassungsrechtlichen Probleme präzise in einen Schriftsatz. Die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Betroffene eine Verfassungsbeschwerde mit Erfolgsaussicht erheben, ist gering. Die Hürden für eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ein neues Gesetz sind sehr hoch. Mit anderen Worten:
Ohne die von der GFF betriebenen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre hätte das Bundesverfassungsgericht wichtige Weichen für die Grundrechte nicht stellen können. Beispiele sind
- das Urteil von 2020 zur Überwachung durch den Auslandsgeheimdienst BND - samt Klarstellung: deutsche Grundrechte verpflichten den deutschen Staat auch im Ausland!
- die Entscheidung 2022 zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz, die für das Handeln aller Inlandsgeheimdienste neue Maßstäbe aufgestellt hat.
Wir nutzen die Mittel der strategischen Klagen, weil wir an Grundrechte und an die Fairness und die Wirksamkeit unseres Rechtsstaats glauben. Unsere Fälle zeigen: Er muss an vielen Stellen aktiviert werden – wir sind dran, unterstützt uns gerne dabei!