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Artikel 10 Gesetz Daten von xresch, lizensiert unter Pixabay License
Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 10

Artikel 10-Gesetz

Das sogenannte "G 10"-Gesetz erlaubt die strategische Überwachung internationaler Telekommunikation durch den BND. Wir haben Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Keine grenzenlose Überwachung der Kommunikation durch den BND:
GFF-Verfassungsbeschwerde gegen das “G 10"
Ulf Buermeyer

Ulf Buermeyer

Vorstandsmitglied

„Das Gesetz erlaubt zu viel und sieht dabei zu wenig Kontrolle vor. Damit wird auf gleich zwei Ebenen in die Grundrechte der Bürger eingegriffen.“

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte klagt gegen die sogenannte „strategische” Überwachung der internationalen Telekommunikation nach Deutschland und von Deutschland. Wir wehren uns dagegen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) diese Telekommunikation in Form einer Massenüberwachung ohne konkreten Verdacht gegen einzelne ausspionieren darf. Außerdem sind wir überzeugt, dass die Diskriminierung von Menschen ohne deutschen Pass nicht im Einklang mit dem Grundgesetz steht.

Unsere Verfassungsbeschwerde hat damit zwei Dreh- und Angelpunkte: Die Spionage durch den BND ist an viel zu geringe Voraussetzungen geknüpft. Außerdem werden In- und Ausländer vor dem Gesetz nicht gleich behandelt.

Die GFF klagt in Partnerschaft mit Amnesty International

Die GFF klagt vor dem Bundesverfassungsgericht direkt gegen bestimmte Passagen des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, das sogenannte “G 10”.

Unsere Verfassungsbeschwerde wird vertreten von Prof. Dr. Matthias Bäcker. Prof. Bäcker ist einer der erfahrensten Juristen Deutschlands auf dem Gebiet der Telekommunikationsüberwachung. Er vertritt sowohl einzelne Personen, die sich bei Amnesty International engagieren, als auch die deutsche Sektion von Amnesty International vor dem Bundesverfassungsgericht.

Was ist das Artikel 10-Gesetz (“G 10”)?

Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz oder auch einfach nur “G 10” genannt) erlaubt es verschiedenen staatlichen Diensten wie z.B. dem Bundesnachrichtendienst und dem Verfassungsschutz, die Telekommunikation von Menschen zu überwachen, aufzuzeichnen und zu speichern. Die Abkürzung „Artikel 10-Gesetz“ oder „G 10“ bezieht sich auf den Artikel 10 des Grundgesetzes, der die Kommunikationsfreiheiten schützt.

Als Einschränkung sieht das Grundgesetz vor, dass das Recht auf geschützte Kommunikation aus besonders wichtigen Gründen beschränkt werden darf. Hierzu ist ein Gesetz erforderlich – im konkreten Fall das genannte Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, das seit 1968 in Kraft ist.

Die Bundesregierung musste das “G 10” bereits 2001 überarbeiten, nachdem das Bundesverfassungsgericht schon 1999 Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt hatte. An diese Entscheidung, aber auch an die aktuelle Entscheidung des BVerfG zum BKA-Gesetz knüpft unsere Verfassungsbeschwerde an.

Denn auch das “G 10” unterliegt verfassungsrechtlichen Schranken: Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit müssen verhältnismäßig sein. Diese Voraussetzung erfüllt das “G 10” in seiner heutigen Form nicht.

Rechtlicher Hintergrund unserer Klage gegen das “G 10”

Frühere Klagen gegen die Tätigkeiten des BND richteten sich gegen einzelne Überwachungsmaßnahmen. Die GFF klagt dagegen in Karlsruhe direkt gegen Regelungen des zugrundeliegende Gesetzes, des sogenannten “G 10”. Das ist rechtlich wesentlich einfacher als eine Klage gegen Einzelmaßnahmen vor dem Bundesverwaltungsgericht, weil man dort nachweisen müsste, selbst von konkreten Überwachungsmaßnahmen betroffen zu sein – und gerade das ist ja geheim. Daran sind bisherige Klagen gescheitert.

Das Bundesverfassungsgericht ist bei Verfassungsbeschwerden direkt gegen das G 10 wesentlich großzügiger:

Für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde reicht es […] aus, wenn der Bürger darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die Anordnung in seinen Grundrechten verletzt sei, auch wenn er im Einzelnen nicht vortragen kann, er sei tatsächlich von Maßnahmen der strategischen Kontrolle betroffen. (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 BvE 5/15, Rn. 60).

Darauf berufen sich unsere Beschwerdeführer: Sie kommunizieren regelmäßig aus dem Ausland nach Deutschland oder aus Deutschland heraus, sodass sie dem BND ins Netz gehen, obwohl sie sich nicht das Geringste haben zuschulden kommen lassen – abgesehen davon, dass sie sich bei Amnesty International für Menschenrechte engagieren. Daher halten wir das G10 insoweit für verfassungswidrig.

Erfolgsaussichten und Konsequenzen

Ein positives Urteil wird die Bundesregierung zwingen, bei der Arbeit des Auslandsgeheimdienstes in Zukunft menschenrechtliche Mindeststandards zu beachten.

Auch unsere internationalen Partnerorganisationen blicken mit Spannung auf unsere Verfassungsbeschwerde, denn eine positive Entscheidung aus Karlsruhe würde auch ihre eigene Arbeit entscheidend voranbringen:

Zum einen gehen wir davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht nach den Snowden-Enthüllungen neue Maßstäbe für die Überwachung von Menschen aufstellen wird, gegen die sich keinerlei Verdacht richtet, etwas Verbotenes getan zu haben oder zu planen. Das hilft bei der Argumentation gegen vergleichbare Überwachungsmaßnahmen ausländischer Behörden. Zum anderen ist die Diskriminierung von Ausländern auch ein Problem der Geheimdienste anderer Länder, zum Beispiel der NSA.

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