Erfolg für Privatsphäre – Bundesverfassungsgericht schränkt Überwachung der internationalen Internetkommunikation durch Bundesnachrichtendienst ein
Berlin/Karlsruhe, 07. November 2024 – Das Bundesverfassungsgericht hat heute der ersten strategischen Klage der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Organisation 2016 gemeinsam mit Amnesty International erhob, teilweise stattgegeben und damit die Vertraulichkeit der Kommunikation gestärkt. Das Gericht erklärte die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur anlasslosen Überwachung der Kommunikation zwischen Menschen im Inland mit Menschen im Ausland zur Bekämpfung von Cyber-Gefahren im sogenannten Artikel 10-Gesetz (G10) für verfassungswidrig.
Das Gericht hat die Verfassungswidrigkeit mit fundamentalen, auch auf andere Überwachungszwecke übertragbaren Mängeln begründet: Es fehle eine hinreichend bestimmte Regelung für die Abgrenzung und den Schutz reiner Inlandskommunikation, der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung werde nicht hinreichend geschützt, die Dokumentation über Grundrechtseingriffe werde zu schnell gelöscht und die Kontrolle des BND sei unzureichend und müsse durch eine gerichtsähnliche Instanz sichergestellt sein. Die für verfassungswidrig erklärte Vorschrift muss nun bis Ende 2026 angepasst werden.
„Das jüngste Urteil aus Karlsruhe beweist, dass unsere strategischen Klagen für einen besseren Schutz der Privatsphäre Wirkung zeigen: Stück für Stück holen die von uns errungenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Geheimdienstarbeit auf den Boden des Grundgesetzes zurück“, erklärt Bijan Moini, Legal Director der GFF.
Einige durch die Klage angegriffenen Vorschriften, die die Übermittlung von Daten an andere Geheimdienste ermöglichten, waren nach Einreichung der Klage durch Gesetzesänderungen bereits angepasst worden. Die Verfassungsbeschwerde hätte insoweit mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt, hatte sich nun aber teilweise erledigt. Diese Anpassung war ebenfalls zum Teil auf einen Klageerfolg der GFF zurückzuführen: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) von 2022 hatte strenge Maßstäbe für die Übermittlung von Daten aufgestellt, woraufhin auch das G10 abgeändert wurde.
Lena Rohrbach, Expertin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter bei Amnesty International in Deutschland, sagt: „Wenn Menschenrechtsorganisationen befürchten müssen, dass ihre sensible Kommunikation im Zuge von anlassloser Massenüberwachung mitgelesen wird, gefährdet das ihre Arbeit. Die Stärkung der vertraulichen Kommunikation durch das Bundesverfassungsgericht setzt deshalb ein wichtiges Signal - auf das wir allerdings über sieben Jahre warten mussten. In einer repräsentativen Umfrage unter 1000 in Deutschland befragten Personen durch Amnesty International gaben 20% der Befragten an, aus Sorge vor unverhältnismäßiger staatlicher Überwachung ihr Kommunikationsverhalten einzuschränken.“
Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum G10 ist eine von mehreren strategischen Klagen, mit denen die GFF in den letzten Jahren die Rechtsgrundlagen deutscher Geheimdienste auf Grundrechtsverstöße überprüfen ließ. Ein wichtiger Meilenstein war neben dem Urteil zum BayVSG die Entscheidung aus dem Jahr 2020 zum Bundesnachrichtendienstgesetz, mit der das Gericht feststellte: Deutsche Geheimdienste sind auch im Ausland an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Alle diese Verfahren hatte Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Universität Mainz geführt.
Weitere Informationen zum G 10-Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/de-g10
Weiterer Informationen zur Grundrechtsbindung des BND im Ausland finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/bnd-gesetz-2
Weitere Informationen zum Grundsatzurteil über das Bayerische Verfassungsschutzgesetz finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/vsg-bayern
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