Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz zur Ausland-Ausland-Überwachung
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte reichte Anfang 2018 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen die Ermächtigung des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur sogenannten Ausland-Ausland-Überwachung ein. Die Verfassungsbeschwerde unterstützten der Deutschen Journalisten-Verband (DJV), der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), dem Journalisten-Netzwerk n-ost, netzwerk recherche (nr) und Reporter ohne Grenzen (ROG).
Am 19. Mai 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht die weltweite Massenüberwachung des BND in seiner derzeitigen Form für verfassungswidrig und stellte klar, dass deutsche Behörden auch dann an das Grundgesetz gebunden sind, wenn sie im Ausland tätig werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Beschwerde am 14. und 15. Januar 2020 verhandelt.
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Unter den Kläger*innen sind zahlreiche namhafte Investigativjournalist*innen, darunter die Gewinnerin des diesjährigen Alternativen Nobelpreises Khadija Ismayilova (Aserbaidschan) sowie die Journalisten Blaž Zgaga (Slowenien) und Richard Norton-Taylor (Großbritannien).
Rechtliches Problem: ‚Strategische’ Überwachung ohne konkreten Verdacht
Die Klage richtet sich gegen die weitreichenden Überwachungsbefugnisse des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND durch das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom 23. Dezember 2016 (BNDG-Novelle). Das Gesetz ermöglicht es, Telekommunikation im Ausland gezielt mitzuschneiden und alle anfallenden Inhalts- und Verkehrsdaten auszuwerten. Anders als bei rein inländischen Überwachungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung braucht der BND für eine solche strategische Überwachung keinen konkreten Verdacht und keine richterliche Genehmigung. Die Kommunikation wird anhand bestimmter Suchbegriffe unter Annahme einer allgemeinen Bedrohungslage durchsucht. Die Überwachung kann damit jeden treffen, der beispielsweise mit Journalist*innen im Ausland kommuniziert.
Der BND ist seit jeher die einzige deutsche Behörde, die die Telekommunikation „strategisch“ – also ohne konkreten Anlass oder Verdacht – überwachen darf. Die Rechtsgrundlage dafür war bislang jedoch unklar; diese Lücke sollte die BNDG-Novelle schließen. Das Gesetz knüpft nach Überzeugung der Kläger*innen die Überwachung aber an völlig unzureichende Voraussetzungen. So kann eine Überwachung bereits zu dem vagen Zweck angeordnet werden, „Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ zu gewinnen. Diese Voraussetzung liegt praktisch immer vor und begrenzt die Schnüffelei des BND daher nicht wirksam.
Massive Gefährdung der Pressefreiheit
Die Kläger*innen und die sie unterstützenden Organisationen verdeutlichen in ihrer Beschwerdeschrift, dass diese permanente Überwachung das Vertrauen der Quellen von Journalisten in die Geheimhaltung ihrer Identität erschüttert und so die Grundlagen des investigativen Journalismus zerstört. Das bedroht die Pressefreiheit weltweit, insbesondere aber in autokratisch regierten Staaten.
Die Verfassungsbeschwerde kritisiert auch die Regelungen zur Kontrolle der Überwachung und die teilweise automatisierte Kooperation des BND mit ausländischen Geheimdiensten. Die Kläger*innen befürchten, dass die Daten aus der vom BND überwachten Kommunikation ohne wirksame Begrenzungen an andere Geheimdienste weitergegeben werden können. Damit ermöglicht die BNDG-Novelle einen Verlust der Kontrolle des BND über die Daten, wodurch Journalist*innen auch persönlich in Gefahr geraten können, wenn ihre Kommunikationsdaten in die falschen Hände geraten.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert die Verfassungsbeschwerde.
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Hintergrundinformationen
- Unser Bericht über die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 14. und 15. Januar 2020: Überwachung rechtsstaatlich einhegen
- Unser FAQ liefert Hintergründe und klärt häufige Fragen auf: https://notrustnonews.org/f-a-q/
- Die Beschwerdeschrift der GFF.
- Unsere Stellungnahme in Reaktion auf die Stellungnahmen der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung. Diesen hatte das Bundesverfassungsgericht unsere Verfassungsbeschwerde zugestellt.
- Hintergrundgespräch mit Dr. Ulf Buermeyer bei der Stiftung Neue Verantwortung (7. März 2018)
Pressemitteilungen
- 20.05.2020 – GFF erreicht historische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für den Schutz der Grundrechte
- 19.5.2020: Großer Erfolg: Verfassungsgericht erklärt weltweite Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst für verfassungswidrig
- 14.5.2020: Wegweisendes Urteil für Kommunikationsgeheimnis und Pressefreiheit erwartet
- 7.1.2020: Grundsatzurteil erwartet – Bundesverfassungsgericht verhandelt über weltweite Massenüberwachung durch BND
- 3.12.2019: Verfassungsgericht verhandelt Klage von Journalist*innen und GFF gegen das BND-Gesetz
- 30.1.2018: GFF und Partnerorganisationen erheben Verfassungsbeschwerde gegen BND-Gesetz
Presseberichte
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat bereits Ende 2016 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Überwachung des BND nach dem sogenannten G 10 erhoben, einer Schwesterregelung zur nun angegriffenen Auslands-Auslands-Überwachung.
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