Radio Dreyeckland: Durchsuchung von Redaktionsräumen verstößt gegen Pressefreiheit
Anfang 2023 kam es zu einer Durchsuchung der Redaktionsräume des Senders Radio Dreyeckland sowie der Wohnungen zweier Journalisten. Grund war das Setzen eines Links zu der verbotenen Plattform linksunten.indymedia in einem Artikel. Gemeinsam haben wir mit den betroffenen Journalisten Beschwerde gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse eingelegt. Nach einem Erfolg und einer Niederlage ziehen wir nun vors Bundesverfassungsgericht.
Zum Zweck einer umfassenden Berichterstattung darf auf Internetseiten mit möglicherweise rechtswidrigen Inhalten verlinkt werden. Das hat das Landgericht Karlsruhe im Mai 2023 entschieden. Diese Klärung war für den nichtkommerziellen Sender Radio Dreyeckland mit Sitz in Freiburg besonders dringlich. Denn das Verlinken in einem Artikel auf das Archiv des 2017 verbotenen Portals linksunten.indymedia nahm das Amtsgericht Karlsruhe zum Anlass, die Durchsuchung der Redaktionsräume sowie der Wohnungen zweier Redakteure anzuordnen. Bei den Durchsuchungen beschlagnahmte die Polizei unter anderem mehrere Laptops, auf denen sich ein großer Teil der redaktionellen Kommunikation des Radios befand. Grund der Durchsuchungen war ein Verdacht der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung (§ 85 Abs. 1, Abs. 2 Var. 3 StGB). Wegen der Berichterstattung Redaktionsräume zu durchsuchen und mobile Endgeräte zu beschlagnahmen ist unverhältnismäßig und verletzt klar die Presse- und Rundfunkfreiheit. Gemeinsam mit dem unabhängigen Sender Radio Dreyeckland haben wir erfolgreich Beschwerde gegen das Vorgehen des Amtsgerichts und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe eingelegt. Das Landgericht Karlsruhe sah durch die Durchsuchungen und die Beschlagnahme von Laptops mehrere Grundrechte wie die Rundfunkfreiheit verletzt und erklärte das Vorgehen für rechtswidrig.
Berichterstattung ist grundrechtlich geschützt
Die Strafnormen zur Unterstützung von verbotenen Organisationen (§ 85 Abs. 2 Var. 3 StGB) sind vage und weitreichend. Deshalb müssen solche Normen zum Schutz von Grundrechten wie der Pressefreiheit so ausgelegt werden, dass sie eine freie Berichterstattung nicht gefährden. Die Presse hat nicht nur ein Recht, sondern sogar die Aufgabe über Medienverbote und Ermittlungsverfahren wie das gegen linksunten.indymedia zu berichten.
Diese Berichterstattung beinhaltet auch das Verlinken auf Webseiten mit möglicherweise rechtswidrigen Inhalten oder, wie in diesem Fall, ein Online-Archiv. Das Setzen eines Links allein kann nicht als strafbare Unterstützungshandlung gewertet werden und rechtfertig eine Durchsuchung der Redaktionsräume in keiner Weise. Nur wenn Leser*innen umfassend informiert werden dürfen, kann eine unabhängige Meinungsbildung sichergestellt werden.
Das Landgericht Karlsruhe stellt in dem Beschluss klar, dass Verlinkungen zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung und solche Verweise gerade zur Wahrnehmung der journalistischen Aufgaben gehören können und Medien für die verlinkten Inhalte nur unter bestimmten Umständen strafrechtlich belangt werden können. Das bloße Verlinken einer Archivseite ist von der Pressefreiheit geschützt und kann nicht als Unterstützung einer verbotenen Vereinigung angesehen werden. Radio Dreyeckland und die beschuldigten Journalisten wurden durch die Strafverteidiger*innen Angela Furmaniak, Dr. Lukas Theune und Sven Adam vertreten.
Verbot von linkunten.indymedia unverhältnismäßig
Im August 2017 hatte das Bundesinnenministerium die Internetplattform linksunten.indymedia auf Grundlage des Vereinsgesetzes (§ 3 VereinsG) verboten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wies die Klagen gegen das Verbot aus formalen Gründen ab.
Im Rahmen des Verfahrens vor dem BVerwG hatte die GFF eine unterstützende Stellungnahme, einen sogenannten Amicus Curiae-Brief, eingereicht. Auch die daraufhin eingereichte Verfassungsbeschwerde, die sich sowohl gegen das vereinsrechtliche Verbot der Plattform als auch die das Verbot bestätigenden Gerichtsentscheidungen richtete, wurde im März 2023 aus formalen Gründen abgewiesen. Die zentrale Frage, ob das Verbot von linksunten.indymedia die Pressefreiheit verletzt, beantwortete das Bundesverfassungsgericht nicht.