
Radio Dreyeckland: Durchsuchung von Redaktionsräumen verstößt gegen Pressefreiheit
Die GFF will ein Präzedenzurteil erstreiten, in dem festgestellt wird, dass Journalist*innen sich nicht strafbar machen, wenn sie im Rahmen der Berichterstattung über Vereinsverbote auf Archivseiten verlinken.
Mit der gemeinsam mit dem Sender am Landgericht Karlsruhe eingereichten Beschwerde wollen wir ein Präzedenzurteil zum Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit erstreiten. Sollte das Landgericht die Durchsuchungen bestätigen, plant die GFF eine Verfassungsbeschwerde.
Darf zum Zweck einer umfassenden Berichterstattung auf Internetseiten mit möglicherweise rechtswidrigen Inhalten verlinkt werden? Diese Frage stellt sich für den nichtkommerziellen Sender Radio Dreyeckland mit Sitz in Freiburg besonders dringlich. Denn das Verlinken in einem Artikel auf das Archiv des 2017 verbotenen Portals linksunten.indymedia führte dazu, dass das Amtsgericht Karlsruhe die Durchsuchung der Redaktionsräume sowie der Wohnungen zweier Redakteure anordnete. Bei den Durchsuchungen beschlagnahmte die Polizei unter anderem mehrere Laptops, auf denen sich ein großer Teil der redaktionellen Kommunikation des Radios befand. Grund der Durchsuchungen war ein Verdacht der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung (§ 85 Abs. 1, Abs. 2 Var. 3 StGB). Wegen der Berichterstattung Redaktionsräume zu durchsuchen und mobile Endgeräte zu beschlagnahmen ist unverhältnismäßig und verletzt klar die Presse- und Rundfunkfreiheit. Deshalb wollen wir klären lassen, dass das Setzen eines Links im Rahmen eines Presseberichts keine strafbare Unterstützungshandlung darstellt. Darüber hinaus wollen wir mit unserer Beschwerde Rechtssicherheit darüber schaffen, dass die Rundfunkfreiheit vor der Durchsuchung von Redaktionsräumen und Mitarbeiter*innenwohnungen schützt.
Berichterstattung ist grundrechtlich geschützt
Die Strafnormen zur Unterstützung von verbotenen Organisationen (§ 85 Abs. 2 Var. 3 StGB) sind vage und weitreichend. Deshalb müssen solche Normen zum Schutz von Grundrechten wie der Pressefreiheit so ausgelegt werden, dass sie eine freie Berichterstattung nicht gefährden. Die Presse hat nicht nur ein Recht, sondern sogar die Aufgabe über Medienverbote und Ermittlungsverfahren wie das gegen linksunten.indymedia zu berichten.
Diese Berichterstattung beinhaltet auch das Verlinken auf Webseiten mit möglicherweise rechtswidrigen Inhalten oder, wie in diesem Fall, ein Online-Archiv. Das Setzen eines Links allein kann nicht als strafbare Unterstützungshandlung gewertet werden und rechtfertig eine Durchsuchung der Redaktionsräume in keiner Weise. Nur wenn Leser*innen umfassend informiert werden dürfen, kann eine unabhängige Meinungsbildung sichergestellt werden.
Ziel dieser Beschwerde ist es, die Gelegenheit für ein Präzedenzurteil zu schaffen. Es soll gerichtlich festgestellt werden, dass die Presse sich nicht strafbar macht, wenn sie im Rahmen der Berichterstattung über Vereinsverbote auf Archivseiten wie die von linksunten.indymedia verlinkt. Das bloße Verlinken einer Archiv-Seite ist von der Pressefreiheit geschützt und kann nicht als Unterstützung einer verbotenen Vereinigung angesehen werden. Gemeinsam mit Radio Dreyeckland will die GFF klarstellen lassen, dass die Durchsuchungen massiv in das Redaktionsgeheimnis eingegriffen haben und klar unverhältnismäßig waren. Radio Dreyeckland und die beschuldigten Journalisten werden durch die Strafverteidiger*innen Angela Furmaniak, Dr. Lukas Theune und Sven Adam vertreten.
Verbot von linkunten.indymedia unverhältnismäßig
Im August 2017 hatte das Bundesinnenministerium die Internetplattform linksunten.indymedia auf Grundlage des Vereinsgesetzes (§ 3 VereinsG) verboten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wies die Klagen gegen das Verbot aus formalen Gründen ab.
Im Rahmen des Verfahrens vor dem BVerwG hatte die GFF eine unterstützende Stellungnahme, einen sogenannten Amicus Curiae-Brief, eingereicht. Auch die daraufhin eingereichte Verfassungsbeschwerde, die sich sowohl gegen das vereinsrechtliche Verbot der Plattform als auch die das Verbot bestätigenden Gerichtsentscheidungen richtete, wurde im März 2023 ebenfalls aus formalen Gründen abgewiesen. Die zentrale Frage, ob das Verbot von linksunten.indymedia die Pressefreiheit verletzt, beantwortete das Bundesverfassungsgericht nicht.