Pressefreiheit unter Druck: GFF erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchung bei Journalisten von Radio Dreyeckland
Berlin, 15. Dezember 2023 - Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reicht heute gemeinsam mit dem Radio Dreyeckland-Redakteur Fabian Kienert und Rechtsanwältin Angela Furmaniak Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung seiner Privatwohnung und die Beschlagnahme von Datenträgern ein. Die Maßnahmen fanden im Januar 2023 statt und betrafen neben zwei Privatwohnungen auch die Redaktionsräume von Radio Dreyeckland (RDL). Die Durchsuchungen und die Beschlagnahme mehrerer Laptops erfolgten im Zusammenhang mit einem Artikel des Senders über das Verbot von linksunten.indymedia. Der Bericht verlinkte auf die Archivseite der Internetplattform, die das Bundesinnenministerium 2017 verboten hatte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe sah in dem Artikel und dem Link die strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF gemeinsam mit RDL klären lassen, dass das Setzen eines Links im Rahmen eines Presseberichts keine strafbare Unterstützungshandlung darstellen kann und dass die Durchsuchung von Redaktionsräumen und Mitarbeiter*innenwohnungen sowie die Beschlagnahmen redaktionellen Daten die Pressefreiheit verletzt.
„Die Durchsuchungsbeschlüsse waren von Anfang an rechtswidrig und ein offener Angriff auf die Pressefreiheit. Die Presse muss kritisch über Medienverbote berichten dürfen – dazu gehört auch die Verlinkung von relevanten Seiten. Wie sollen Leserinnen und Leser sich sonst selbst informieren und eine Meinung bilden?“, kommentiert David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.
Die GFF hatte gemeinsam mit RDL und den betroffenen Journalisten Beschwerde gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse eingelegt. Das Landgericht Karlsruhe gab den Beschwerden recht und erklärte die Maßnahmen für rechtswidrig. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte jedoch auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung in den Privaträumen von RDL-Journalist Fabian Kienert.
In den gespiegelten Daten befinden sich über 50.000 eingehende und ausgehende E-Mails der „Aktuellen Redaktion“, die bis ins Jahr 2010 zurückgehen. Diese Redaktion, der Fabian Kienert angehört, ist insbesondere für die aktuelle politische Berichterstattung zuständig. Die E-Mails enthalten Kommunikation mit zahlreichen Quellen und Interview-Partner*innen.
„Meine Privatwohnungen und unsere Redaktionsräume wurden durchsucht, mehrere Laptops beschlagnahmt – und jetzt muss ich als Journalist bis vors Bundesverfassungsgericht. All das nur, weil ich einen Artikel über das Verbot einer Plattform geschrieben habe. Das ist unverhältnismäßig und zeigt, dass der Polizei und der Staatsanwaltschaft die Pressefreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung wenig wert sind“, sagt Fabian Kienert, beschwerdeführender Redakteur bei Radio Dreyeckland.
Die Verfassungsbeschwerde der GFF mit Fabian Kienert reiht sich ein in mehrere Verfahren, mit denen die Organisation derzeit für einen besseren Schutz der Pressefreiheit in Deutschland kämpft. Erst Anfang Dezember hatte die GFF mit Reporter Ohne Grenzen und zwei Journalisten Beschwerde beim Amtsgericht München wegen der Überwachung des Pressetelefons der Letzten Generation eingelegt. Außerdem unterstützt die GFF Arne Semsrott, den Chefredakteur von FragDenStaat, in einem gegen ihn geführten Strafverfahren wegen der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen.
Weitere Informationen zur Verfassungsbeschwerde gegen Radio Dreyeckland finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/radio_dreyeckland
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Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
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