Goliathwatch: Facebook darf Seiten und Benutzer*innen nicht willkürlich sperren
Im Februar 2022 sperrte Facebook die Seite der in Hamburg ansässigen, Konzern kritischen NGO Goliathwatch. Wir sind dagegen vorgegangen.
Inwieweit und unter welchen Umständen dürfen soziale Plattformen Inhalte oder Nutzer*innen sperren oder sogar löschen? Diese Frage stellte sich Anfang 2022 nochmal dringlicher. Im Februar dieses Jahres sperrte Facebook die Seite der gemeinnützigen NGO Goliathwatch. Im Vorfeld informiert hatte der Konzern die Organisation über diesen Schritt nicht. Und auch die Begründung blieb vage: Facebook warf Goliathwatch vor, „betrügerische, irreführende oder gesetzeswidrige Informationen“ zu verbreiten. Genauere Informationen darüber, worauf sich die Vorwürfe stützen, lieferte der Konzern nicht. „Goliathwatch hat gegen die Macht sozialer Netzwerke wie Facebook demonstriert und hat diese Macht nun am eigenen Leib erfahren. Goliathwatch weiß bis heute nicht, was Facebooks Vorwurf ist und kann sich dementsprechend auch nicht dagegen zur Wehr setzen. Das wäre schon unter normalen Umständen schlimm genug. Dass es hier um die Sperrung einer Facebook-kritischen NGO geht, verleiht der Angelegenheit aber eine ganz besondere Brisanz“, sagt GFF-Jurist und Verfahrenskoordinator Jürgen Bering.
„Ein klarer Sieg für die Meinungsfreiheit“
Als ersten Erfolg des mit der Kanzlei Hausfeld geführten Verfahrens schaltete Facebook zunächst eine Kopie der Seite unter einer neuen und nur schwer erreichbaren URL frei. Kurze Zeit später entsperrte Facebook auch die tatsächliche Goliathwatch-Seite.
Bereits das Landgericht Hamburg (LG) gab uns insoweit Recht, dass die Seitensperrung rechtswidrig war. Jedoch lehnte das Gericht unseren Antrag auf zukünftiges Unterlassen ab, da unser Antrag nicht bestimmt genug wäre. Normalerweise werden für diese Anträge einfach die Posts genannt, die zu einer Sperrung geführt haben. Facebook hat aber selbst im Verfahren nie gesagt, aus welchen Gründen die Seite gesperrt wurde.
Im Juli kam nun der entscheidende Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG). Dieses bestätigte, dass für die Sperre einer Seite hohe Hürden zu gelten haben. Dazu gehört, wie bei Privaten, dass eine Anhörung vor einer Sperre zu erfolgen hat und eine Sperre begründet werden muss. Schließlich muss eine Sperrung auch einen sachlichen und objektiv überprüfbaren Grund verfolgen.
Das beutetet in Fällen wie Goliathwatch, dass Facebook daran gehindert ist, mit bloßem Verweis auf seine Bedingungen, willkürlich einzelne Organisationen auszuschließen. Das Netzwerk hätte Goliathwatch die Vorwürfe nennen und diesem eine Chance geben müssen, sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Das ist ein klarer Sieg für die Meinungsfreiheit“, sagt Jürgen Bering, Projektkoordinator bei der GFF. „Mit dieser Entscheidung stärkt das OLG Hamburg nachhaltig die Rechte von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen und weist soziale Netzwerke in ihre Schranken.“
Daneben stellte das OLG auch klar, dass Facebook sich dem scharfen Schwert einer Unterlassensklage nicht einfach dadurch entziehen kann, dass es – wie bei Goliathwatch – schlicht keine Begründung abgibt. So korrigierte das OLG die Entscheidung des LG und gab auch unserem Unterlassungsantrag statt. Das bedeutet, dass Facebook bei einer erneuten willkürlichen Sperrung Strafzahlungen zu leisten hat.
Digitalkonzerne müssen an Grundrechte gebunden sein
In der kürzlich veröffentlichten Studie „Grundrechtsbindung sozialer Netzwerke“ untersucht Bering, welche Pflichten sich aus den Grundrechten für Plattformen gegenüber Nutzer*innen ergeben. 2021 hatte der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass soziale Netzwerke aufgrund ihres Einflusses die Grundrechte private Nutzer*innen achten müssen. Die GFF-Studie zeigt nun, dass auch Unternehmen die Grundrechte ihrer Nutzer*innen berücksichtigen müssen, wenn sie regeln, unter welchen Bedingungen Menschen Zugang zu ihrem Netzwerk bekommen und wie sie dort kommunizieren dürfen.
Facebook muss die Meinungsfreiheit seiner Nutzer*innen auch dann achten, wenn sie sich kritisch gegenüber der Plattform äußern. Kommunikation findet immer stärker im Netz und insbesondere in sozialen Netzwerken statt. Daraus leitet sich eine gesellschaftliche Relevanz ab, sodass Plattformen einzelnen Personen oder Organisationen diesen Weg der Kommunikation nicht eigenmächtig und willkürlich verwehren dürfen.
Weitere Informationen
- GFF klagt gegen Zwei-Klassen-Gesellschaft auf Facebook. Artikel von Torben Klausa im Tagesspiegel Background Digitales & IT. (erschienen am 14. März 2022)
- Grundrechte in sozialen Netzwerken: Sind Facebook & Co. überhaupt noch privat? Artikel von Thomas Rudl auf Netzpolitik.org. (erschienen am 17. März 2022)
- Studie: Grundrechtsbindung sozialer Netzwerke. Wie soziale Netzwerke die Grundrechte ihrer Nutzer*innen schützen müssen (veröffentlicht am 16. März 2022)