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Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 3, 5, 10, 12

Grundrechts­bindung von Digitalunternehmen

Grundrechte im Digitalen: Warum auch Digitalkonzerne Grundrechte wahren müssen

Die Studienreihe „Grundrechte im Digitalen“ untersucht, welche Pflichten sich aus Grundrechten für Plattformen und andere Digitalunternehmen gegenüber Nutzer*innen ergeben. Das Projekt wird gefördert von der Stiftung Mercator.

Grundrechte schützen die Freiheit des Einzelnen vor Übergriffen der öffentlichen Gewalt – es sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Privatpersonen und Unternehmen werden durch Grundrechte in aller Regel nicht verpflichtet. Aber lassen sich die daraus abgeleiteten Pflichten auf Unternehmen übertragen, die aufgrund ihrer Größe eine besondere Stellung am „Digitalmarkt“ einnehmen? Dieser Frage widmet sich die Studienreihe „Grundrechte im Digitalen“.

Die Studienreihe soll Klarheit darüber schaffen, inwieweit Unternehmen Grundrechte aktiv schützen müssen. Sie sollen aber auch deutlich machen, dass Nutzer*innen bestimmte Grundrechte auch online, auch direkt gegenüber den Unternehmen einfordern können. Die Studien leisten einen Beitrag zur juristischen und politischen Debatte der Plattformregulierung und tragen so auch zur Weiterentwicklung der Rechtsordnung bei.

Welche Vorteile bringt eine Grundrechtsbindung?

Bürger*innen und private Unternehmen können grundsätzlich frei entscheiden, mit wem sie Verträge eingehen, und was sie darin vereinbaren. Bereits jetzt gelten für diese Verträge aber bestimmte Einschränkungen, die auch dem Schutz der schwächeren Vertragspartei dienen. So gibt beispielsweise das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sozialen Netzwerken bestimmte Pflichten auf und das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen verhindert, dass Plattformen im „Kleingedruckten“ Nutzer*innen durch überraschende Klauseln benachteiligen.

Die Grundrechtsbindung geht aber darüber hinaus und rückt die Verantwortlichkeit der Plattformen näher an die des Staates. Der Staat ist nämlich nicht frei darin, welche Gesetze er erlässt. Vielmehr müssen diese die Grundrechte der Bürger*innen achten und schützen. Auch in konkreten Entscheidungen müssen staatliche Stellen die Grundrechte der Bürger*innen berücksichtigen. Diese Pflicht ist durch Verfahrensvorschriften abgesichert. Durch die Grundrechtsbindung wird diese Pflicht im Ansatz auch auf Unternehmen übertragen. Auch Unternehmen müssen die Grundrechte ihrer Nutzer*innen berücksichtigen, wenn sie regeln, unter welchen Bedingungen Menschen Zugang zu ihrem Netzwerk bekommen können, wie sie dort kommunizieren dürfen etc. Wie beim Staat muss das durch Verfahrensschritte abgesichert werden.

Erste Studie: Grundrechte in sozialen Netzwerken

Was bedeutet die Berücksichtigung von Grundrechten bei den Nutzungsbedingungen praktisch? Im Jahr 2021 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem wegweisenden Urteil, dass Facebook die Grundrechte seiner Nutzer*innen berücksichtigen und für Löschungen und Sperren sachliche Gründe anführen muss. Zudem legte das Gericht fest, dass Facebook Nutzer*innen die Möglichkeit geben muss, Sanktionen zu hinterfragen. Dieser Schutz ist durch Verfahrensanforderungen wie z.B. ein Beschwerderecht abgesichert.

In der Auftaktstudie „Grundrechtsbindung sozialer Netzwerke. Wie soziale Netzwerke die Grundrechte ihrer Nutzer*innen schützen müssen“ stehen neben Facebook die sozialen Netzwerke Instagram, TikTok, Twitter und YouTube im Zentrum. Auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung untersucht die Studie, inwieweit auch diese Netzwerke an die Grundrechte gebunden sind und was das außerhalb von Löschungen und Sperren konkret bedeutet.

Studie: Grundrechtsbindung sozialer Netzwerke. Wie soziale Netzwerke die Grundrechte ihrer Nutzer*innen schützen müssen (veröffentlicht am 16. März 2022)

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Webinar zur Auftaktstudie “Grundrechte in sozialen Netzwerken” mit Jürgen Bering, Benjamin Raue, Jeanette Hofmann und Sina Laubenstein

Zweite Studie: Grundrechtsbindung von App-Stores

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich der App-Stores ein erheblicher Schutzbedarf für die Grundrechte der App-Nutzer*innen besteht. Die Nutzung von Apps ist mit unserer Grundrechtsausübung stark verwoben. Zugleich verfügen App-Stores über die Macht – wie klassisch der Staat – Zugang zu Infrastruktur zu eröffnen. Sie entscheiden einseitig, welche Bedingungen gelten und welche Apps verfügbar sind.

Damit liegen die Bedingungen vor, bei denen das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof staatsähnliche Grundrechtsbindungen angenommen haben. Die bisherige Rechtsprechung betraf insbesondere Fußballvereine und soziale Netzwerke. App Stores gehen in ihrer Bedeutung noch über diese Anwendungsfelder hinaus.

Bei App Stores besteht ein Dreiecksverhältnis zwischen Stores, App-Entwickler*innen und App-Nutzer*innen. Deshalb geht die Studie auch auf die Besonderheiten der Grundrechtsdurchsetzung für App-Entwickler*innen ein. Schutzbedürftig sind zwar vor allem die App-Nutzer*innen, insbesondere prozessuale Schutzvorkehrungen (beispielsweise eine Anhörungspflicht) ergeben aber nur gegenüber den App-Entwickler*innen Sinn.

Studie: Grundrechtsbindung von App-Stores (veröffentlicht am 7. September 2022)

Dritte Studie: Monetarisierungsplattformen

Die dritte Studie befasst sich mit Plattformen wie Patreon, Kickstarter und Co, über die Nutzer*innen ihre Kreativwerke finanzieren können. Diese Plattformen bieten neue Möglichkeiten für Kreativschaffende, ihre Werke auch außerhalb der klassischen Finanzierungsformen zu verbreiten. Damit haben die Plattformen einen erheblichen Einfluss darauf, welche Werke und Kunstformen geschaffen werden und die Öffentlichkeit erreichen. Wenn sie Nutzungsrechte ausgestalten oder sogar den Zugang versagen, können sie die Kunst- und Berufsfreiheit der Nutzer*innen beeinträchtigen. Aus diesen weiten Einflussmöglichkeiten erwächst eine grundrechtliche Verantwortung der Monetarisierungsplattformen, mit der sich die Studie auseinandersetzt.

Studie: Monetarisierungplattformen (Grundrechtsbindung von Digitalunternehmen) (veröffentlicht am 30. März 2023)

Vierte Studie: Marktplätze

Der Versandhandel ist einer der Bereiche, die sich als allererstes ins Netz verschoben haben. Amazon wurde bereits 1994 gegründet – seit 1998 gibt es auch Amazon.de. Etablierte Händler*innen haben ebenfalls ein Online-Geschäft eingeführt – darunter Otto und Media-Markt, die nach Amazon den größten Umsatz im Onlineversandhandel in Deutschland machen. Die Präsenz dieser Onlineshops ist aus unserer Gesellschaft kaum mehr wegzudenken. Das führt auch dazu, dass die technologischen Risiken dieser Plattformen, anders als bei beispielsweise den – im Vergleich mit dem Onlineversandhandel – noch recht jungen sozialen Netzwerken, weniger hinterfragt werden. Auch weil sie in gewisser Weise nur einen bereits bekannten Aspekt unseres Lebens – den Einzelhandel – digitalisierten, regt sich wohl weniger Skepsis. Zwar wird regelmäßig über die Verdrängung des physischen Einzelhandels und anderer Gefahren dieser Wirtschaftsform gesprochen. Darüber hinausgehende plattformspezifische Gefahren für die Grundrechte der Nutzer*innen des Online-Versandhandels werden hingegen selten thematisiert. Diese Studie soll ein Licht auf gerade diese Gefahren werfen.

Studie: E-Commerce und Grundrechte. Die Verantwortung von Online-Marktplätzen und Online-Versandhandel gegenüber ihren Kund*innen

Fünfte Studie: Plattformen und Grundrechte

Die Abschlussstudie "Plattformen und Grundrechte" fasst die Erkenntnisse der vorangegangenen vier Einzelstudien zusammen und schließt damit das von der Stiftung Mercator finanzierte Projekt „Grundrechtsbindung im Digitalen“ ab. Ziel des Projektes war es zu untersuchen, welchen Einfluss Plattformen auf unsere Grundrechte haben und welche Verpflichtungen sich daraus ergeben können. Dadurch soll bei den Unternehmen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sie bei ihren Entscheidungen bereits heute diverse Grundrechte berücksichtigen und schützen müssen – unabhängig davon, ob Gesetze das ausdrücklich vorschreiben. Darüber hinaus soll bei Bürger*innen das Bewusstsein gestärkt werden, dass sie den Unternehmen auch ohne eine spezifische gesetzliche Regelung nicht schutzlos gegenüberstehen. Schließlich sollten die Studien die juristischen und politischen Debatten zur Plattformregulierung vorantreiben und so auch zur Weiterentwicklung der Rechtsordnung beitragen. Ausgangspunkt der Studienreihe war dabei – mangels konkreter rechtlicher Vorgaben – die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zu einer verstärkten Grundrechtsbindung Privater. Mittlerweile wurde aber insbesondere mit dem Digital Services Act (DSA) eine europäische Verordnung erlassen, die sich spezifisch mit den Rechten von Nutzer*innen gegenüber Plattformen befasst, deren Auswirkungen auf den Grundrechtsschutz ebenfalls untersucht wurden. Die Abschlussstudie versucht zu bewerten, ob diese Regelung reicht, oder ob es in Zukunft zusätzliche Gesetze braucht.

Studie: Plattformen und Grundrechte

Veranstaltung #GrundrechteImDigitalen

Was bedeutet es, wenn Inhalte von Personen mit Behinderungen unterdrückt werden, vermeintlich um diese vor Hass und Häme zu schützen? Welche Verantwortung trifft Plattformen, wenn Nutzer*innen Depressionen entwickeln, da sie die Schönheitsstandards der Plattform aus eigener Sicht nicht erfüllen? Welche Rolle spielen Plattformen bei Stimmungsmache gegen Geflüchtete und der insgesamt stärkeren Polarisierung der Gesellschaft?

Diesen und anderen Fragen widmen sich die Expert*innen auf unserer Veranstaltung #GrundrechteImDigitalen – darunter Jurist und Projektkoordinator Jürgen Bering, Wissenschaftlerin Jeanette Hofmann sowie der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar.

Auf dem Podium aus zwei Panels werden die Projektstudien „Grundrechte in sozialen Netzwerken“, „Grundrechtsbindung von App-Stores“, „Monetarisierungsplattformen“ sowie die beiden weiteren bislang unveröffentlichten Studien vorgestellt. Zwei externe Gutachten nehmen die Rolle des Digital Services Act (DSA) für die digitalen Plattformen in den Blick. Das Gutachten von Thomas Wischmeyer betrachtet, inwieweit der DSA Plattformen zur Beachtung der europäischen Grundrechtecharta verpflichtet. Das Gutachten von Isabel Ebert und Isabelle Wildhaber setzt sich mit den Erkenntnissen aus dem Bereich Business and Human Rights auseinander und fragt, inwiefern diese auf den DSA übertragen werden können.

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Veranstaltung "#GrundrechteImDigitalen: Die Verantwortung von Facebook, Amazon & Co." auf YouTube

Externes Gutachten zur Grundrechtsbindung unter dem Digital Services Act

Das externe Gutachten von Prof. Dr. Thomas Wischmeyer im Auftrag der GFF stellt eine grundrechtliche Bindung privater Plattformbetreiber wie Facebook und Amazon mit Blick auf das Europarecht und dem geltenden Digital Services Act (DSA) fest.

Prof. Dr. Thomas Wischmeyer befasst sich dazu mit Art. 14 Abs. 4 DSA – einer bisher einzigartigen Klausel im Europarecht. Er geht der Frage nach, ob sich aus der Klausel oder dem Europarecht eine ähnliche Wirkung ergibt, wie sie der Bundesgerichtshof für Facebook anhand der (mittelbaren) Bindung an deutsche Grundrechte festgestellt hat.

Dabei stellt er eine deklaratorische Wirkung des Art. 14 Abs. 4 DSA heraus. Die Vorschrift bestätige lediglich einen Zustand, der ohnehin besteht. Das Gutachten zeigt auf, dass die Grundrechte der Grundrechtecharta bereits für sich genommen Auswirkungen auf Plattformen entfalten. Daraus ergibt sich auch, dass Digitalunternehmen einen sachlichen Grund benötigen, wenn sie beispielsweise einen Inhalt sperren möchten.

Externes Gutachten: Grundrechtliche Bindung privater Plattformbetreiber unter dem EU Digital Services Act (veröffentlicht am 25. April 2023)

Arbeiten mit Laptop und Ipad

Gegen Machtmissbrauch durch soziale Netzwerke

Die GFF setzt sich für die direkte Geltung von Grundrechten für Digitalunternehmen ein

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