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Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 1, 2, 10, 13

Hessen is watching you

Dauerhafte Ortung von Mobilgeräten? Einsatz von verdeckten Ermittler*innen? Trotz der Novelle von 2023 sieht das Hessische Verfassungsschutzgesetz kaum Hürden für die grundrechtsintensiven Maßnahmen vor. Das ist verfassungswidrig. Die GFF hatte bereits 2019 eine Verfassungsbeschwerde gegen das Hessische Verfassungsschutzgesetz eingereicht. Auch nach der Gesetzesänderung bleibt die Beschwerde der GFF bestehen.

Bereits 2019 hat die GFF gegen das im Jahr 2018 novellierte Hessische Verfassungsschutzgesetz (HVSG) Verfassungsbeschwerde eingereicht. 2022 setzte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (1 BvR 1619/17) Maßstäbe für alle weiteren Verfassungsschutzgesetze – so auch für das HVSG. Die GFF stellt trotz der darauf erfolgten HVSG-Novelle von 2023 fest, dass das Gesetz in weiten Teilen weiterhin verfassungswidrig ist. Nach eingehender Prüfung hält die GFF an ihrer Verfassungsbeschwerde fest, die bereits gegen das Hessische Polizeigesetz Erfolg hatte.
David Werdermann

David Werdermann

Jurist und Verfahrenskoordinator

„Da klebt wer in Kassel Sticker auf eine Straßenlaterne und sofort schickt der hessische Inlandsgeheimdienst seine Spitzel los? Das hessische Verfassungsschutzgesetz ermöglicht bereits bei Bagatelldelikten wie Sachbeschädigung, dass verdeckte Ermittler*innen und V-Leute eingesetzt werden. Die Voraussetzungen für grundrechtsintensive Überwachungsmaßnahmen sind eindeutig zu niedrig.“

Zu niedrige Voraussetzungen für Überwachungsbefugnisse

Die hessische Landesregierung hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht vollständig umgesetzt.

Besonders eingriffsintensive Maßnahmen wie die länger andauernde Ortung von Mobilfunkgeräten oder der Einsatz von verdeckten Ermittler*innen über einen längeren Zeitraum sind nach dem HVSG bei „erheblich beobachtungsbedürftigen Bestrebungen“ zulässig. Um unter diese „Bestrebungen“ zu fallen, reichen bereits geringfügige Straftaten wie Sachbeschädigung aus.

Bei anderen Maßnahmen ist noch nicht einmal das erforderlich. Hier soll es ausreichen, wenn eine „beobachtungsbedürftige Bestrebung“ vorliegt. Der Verfassungsschutz kann beispielsweise verdeckte Ermittler*innen bis zu sechs Monate einsetzen sowie Auskünfte von Verkehrsunternehmen einholen. Da Verkehrsunternehmen (ÖPNV, Car- und Bikesharing, Taxi-Apps etc.) heutzutage viele Informationen digital speichern, ermöglichen es die Auskünfte, Bewegungsprofile zu erstellen. Dafür muss keine gesteigerte Beobachtungsbedürftigkeit vorliegen, obwohl massiv in Grundrechte der betroffenen Bürger*innen eingegriffen wird.

Ausufernde Übermittlung erhobener Daten durch den Nachrichtendienst

Im BayVSG-Urteil stärkt das Bundesverfassungsgericht das Trennungsprinzip zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Das Gericht setzt klare Schranken für den Informationsaustausch von nachrichtendienstlich erhobenen Daten. Was die Übermittlung von Daten an die Polizei betrifft, erfüllt das HVSG die Entscheidungsmaßstäbe. An andere Behörden dürfen jedoch immer noch unter sehr niedrigen Voraussetzungen Daten übermittelt werden. Behörden, die auf dieser Grundlage tätig werden, können ebenfalls massiv in die Grundrechte der Menschen eingreifen. Daten des Inlandsgeheimdienstes können beispielsweise an die Ausländerbehörde übermittelt werden. Die Behörde erhält damit Informationen, die sie für die Abschiebung der Betroffenen nutzen kann.

Eingriffe in die Freiheitsrechte verhindern

Für einen ungewissen Gewinn an Sicherheit nehmen Landesregierungen schwerwiegende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Kauf. Die GFF geht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gegen überbordende Befugnisse der Geheimdienste vor.


Die Verfassungsbeschwerde wurde gemeinsam mit der Humanistischen Union, den Datenschützern Rhein Main und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung erhoben und von sieben Beschwerdeführer*innen vorgebracht. Darunter waren neben dem HU-Regionalvorsitzenden Franz Josef Hanke auch die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, Klaus Landefeld als Vorstandsmitglied des Verbands der Internetwirtschaft eco und DE-CIX Aufsichtsrat sowie Silvia Gingold, Lehrerin in Ruhestand und Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers Peter Gingold, die aufgrund ihres antifaschistischen Engagements seit ihrer Jugend unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Bevollmächtigter der Verfassungsbeschwerde ist Prof. Dr. Tobias Singelnstein.

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