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Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 5

X verhindert Forschung zu möglicher Wahlbeeinflussung

Die Social-Media-Plattform X verwehrte Forschenden den Zugang zu öffentlichen Daten ihrer Plattform. Gemeinsam mit Democracy Reporting International (DRI) haben wir im Eilverfahren geklagt.

Gemeinsam mit Democracy Reporting International (DRI) ist die GFF im Eilverfahren gegen X vor das Landgericht Berlin gezogen. Die Plattform weigerte sich, DRI öffentlich zugängliche Daten wie die Reichweite oder die Anzahl an Likes und Shares von Posts herauszugeben. Das Landgericht Berlin entschied zunächst, dass X die Daten herausgeben muss. Mit diesen Daten will DRI den Einfluss von Social-Media-Plattformen auf die anstehende Bundestagswahl erforschen und damit potenzielle Einflussnahmen im Vorfeld der Wahl transparent machen. X hat Widerspruch eingelegt und GFF und DRI haben die Klage aus verfahrenstechnischen Gründen für erledigt erklärt, sodass nur noch über die Kosten entschieden wurde. Dafür musste das Gericht sich aber auch mit der ursprünglichen Klage auseinandersetzen. Im Ergebnis hat das Gericht die Klage nun wegen fehlender Eilbedürftigkeit zurückgewiesen. Gleichzeitig machten die Richter*innen klar, dass Forschende ihren Anspruch auf Forschungsdatenzugang in dem Land gelten machen können, in dem sie forschen. Eine klare Stärkung des Digital Services Acts (DSA), der Plattformen dazu verpflichtet, Forschenden Zugang zu relevanten Daten zu gewähren.
Simone Ruf

Simone Ruf

Juristin und stellvertretende Leitung Center for User Rights

Hass im Netz, Desinformation und Wahlbeeinflussung. Forschung ist eines der Instrumente, mit dem wir diese Gefahren auf Plattformen untersuchen und bekämpfen können. Mit der heutigen Entscheidung haben wir die wichtige Klarstellung erreicht, dass wir hier klagen durften und die Bahn frei gemacht für weitere Klagen auf Forschungsdaten.

Anspruch auf Forschungsdaten nicht nur in Irland durchsetzbar

Eine noch offene Rechtsfrage, die wir mit dem Verfahren gerichtlich klären lassen wollten, war die Frage, wo Forschende den Anspruch auf Forschungdatenzugang gerichtlich einklagen können. Diese Frage hat das Landgericht nun eindeutig beantwortet: Forschende müssen nicht nach Irland, um dort zu klagen, sondern können dort klagen, wo sie auch ihre Forschung betreiben. Das ist als großer Erfolg, da nur so die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs sichergestellt ist.

Forschungsprojekt auf Bundestagswahl ausgerichtet

Im Eilverfahren hat das Landgericht Berlin X zunächst dazu verurteilt, DRI bis kurz nach der Bundestagswahl einen unbeschränkten Zugang zu allen öffentlich verfügbaren Daten von X zu gewähren, um so erforschen zu können, ob es auf der Plattform zu Wahlbeeinflussung kommt. Das Landgericht hat die Entscheidung damit begründet, dass ein weiters Abwarten das Forschungsprojekt vereiteln würde, da die Zeit unmittelbar vor der Bundestagswahl dafür entscheidend sei. Nachdem GFF und DRI ein Zwangsgeld bei Gericht beantragt hatten, legte X Widerspruch ein. Zudem stellte X Befangenheitsanträge gegen mehrere Richter*innen des Landgerichts. Einem dieser Anträge gab das Gericht statt.

Erledigterklärung des Verfahrens

Öffentlich verfügbare Daten können sich jederzeit verändern, indem sie zum Beispiel von Nutzer*innen oder der Plattform gelöscht werden. Deshalb war es wichtig, den Datenzugang vor der Bundestagswahl zu bekommen und nicht erst danach. Der Antrag war entsprechend bis kurz nach der Wahl befristet. Nachdem die Wahl vorbei war, ist auch der Antrag entsprechend durch Zeitablauf gegenstandslos geworden und die GFF und DRI mussten das Verfahren für erledigt erklären. Deshalb geht es jetzt nur noch um die Kosten. Dafür muss das Gericht aber auch einbeziehen, inwiefern unser Antrag auf Datenzugang Erfolg gehabt hätte, wenn er rechtzeitig entschieden worden wäre. Wir hoffen deshalb nach wie vor darauf, dass das Gericht Feststellungen zu Art. 40 Abs. 12 DSA trifft.

Den Digital Services Act durchsetzen

Kern des Verfahrens ist es eine neue gesetzliche Regelung des DSA durchzusetzen: Den Anspruch auf Forschungsdatenzugang (Artikel 40 Abs. 12 DSA). Dieser verpflichtet große Online-Plattformen dazu, Forschenden unverzüglich Zugang zu öffentlich verfügbaren Daten ihrer Plattform zu gewähren, um systemische Risiken untersuchen zu können. Gleichzeitig sollen mit dieser Klage offene Rechtsfragen bezüglich der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Forschungsdatenzugang in Deutschland geklärt werden.

DRI forscht zu politischen Diskursen auf Social-Media-Plattformen im Vorfeld von Wahlen in Europa, darunter auch die anstehende Bundestagswahl: „Andere Plattformen haben uns Zugang gewährt, um öffentliche Debatten auf ihren Plattformen systematisch zu verfolgen, aber das Unternehmen X hat uns dies verweigert. Wir betrachten es als unser Recht gemäß dem Digital Services Act, auf Daten zuzugreifen und das Gemeinwohl zu stärken, indem wir zeigen, wie sich politische Kampagnen auf Social-Media-Plattformen entwickeln", sagt Michael Meyer-Resende, Geschäftsführer von DRI.

Social Media beeinflusst Meinungsbildung

Diese Klage ist Teil des von der Mercator Stiftung, Luminate und der Open Society Foundation geförderten Center for User Rights, mit dem die GFF die Rechte von Nutzer*innen nachhaltig stärken, einfordern und durchsetzen sowie das bestehende Machtungleichgewicht zwischen Online-Plattformen und ihren Nutzer*innen korrigieren will. Über das konkrete Verfahren hinaus soll der Druck auf Plattformen erhöht werden. Denn: Soziale Netzwerke üben einen erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung und damit Wahlprozesse aus. Und bereits jetzt gibt es in Deutschland Anzeichen dafür, dass Manipulationskampagnen in Deutschland gestartet wurden. Der Zugang zu relevanten Metriken großer Plattformen ist ein zentrales Instrument, um zu verhindern, dass Wahlen beeinflusst und Desinformationen gestreut werden.

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