
Die GFF unterstützt ein Gerichtsverfahren des freien Journalisten David Missal. Missal fordert von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Auskunft über Forschungskooperationen mit chinesischen Geldgebern. Die Universität weigert sich jedoch mit dem Argument, dass Transparenz über ihre Industriekooperationen die Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen verletzen würde. Mit dem Projekt control © setzt sich die GFF für den Schutz der Meinungs-, Informations- und Wissenschaftsfreiheit ein. Immer häufiger werden diese Grundrechte durch eine überzogene Auslegung von wirtschaftlichen Exklusivrechten wie Geschäftsgeheimnissen, Urheber- oder Leistungsschutzrechten eingeschränkt.
- „Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was in einer staatlichen Institution geschieht.“ David Missal im Gespräch über seine Klage
- Gutachten „Universitäre Industriekooperationen, Informationszugang und Freiheit der Wissenschaft“ von Prof. Dr. Klaus F. Gärditz
- Unsere Klage gegen die Uni Mainz ist Teil des Projektes control ©
Der freie Journalist, Aktivist und Sinologe David Missal führt ein Rechercheprojekt zum Einfluss chinesischer Geldgeber in der deutschen Hochschullandschaft durch. Dafür hat er unter anderem eine Informationsfreiheitsfrage an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu ihren Forschungskooperationen mit dem chinesischen Staat und chinesischen Unternehmen gestellt. Die Universität verweigert die Herausgabe mit Verweis auf angebliche Geschäftsgeheimnisse chinesischer Drittmittelgeber. Tatsächlich ist die Universität nach § 16 Abs. 3 Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz (LTranspG RLP) aber verpflichtet, die Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben zu veröffentlichen.
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Drittmittelkooperationen sind keine Geschäftsgeheimnisse
Immer wieder versuchen Unternehmen und auch staatliche Stellen, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu missbrauchen, um berechtigte Informationsinteressen der Öffentlichkeit zu beschneiden. Das ist eine große Gefahr für unsere Grundrechte. Im LuxLeaks-Steuerhinterziehungsskandal zeigte die Unternehmensberatung PWC den Hinweisgeber Antoine Deltour wegen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen an. Er wurde schließlich höchstinstanzlich freigesprochen. Der Diesel-Abgasskandal konnte womöglich deshalb so lange nicht aufgedeckt werden, weil die Bundesregierung dem TÜV mit Verweis auf Betriebsgeheimnisse untersagte, die Motorsoftware zu überprüfen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit scheiterte vor Gericht bei dem Versuch, Unterlagen zur Zulassung des Herbizids Glyphosat zurückzuhalten, weil diese angeblich Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens Monsanto enthielten. Auch die Bundesregierung beruft sich bei der Ablehnung von Informationsfreiheitsanfragen zuweilen auf Geschäftsgeheimnisse.
Der Geschäftsgeheimnisschutz dient dem Schutz der Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen, wenn ihren Konkurrenten exklusives Wissen zugänglich gemacht wird. Dieses Recht darf nicht missbraucht werden, um die berechtigten Transparenzerwartungen an eine unabhängige und freie Wissenschaft an staatlichen Hochschulen zu unterlaufen. Dass eine Universität bei Forschungsprojekten mit Drittmittelgebern kooperiert, ist kein schutzwürdiges Geheimnis der Drittmittelgeber.
Nicht jede Information, die nicht offen zugänglich ist, ist zugleich ein Geschäftsgeheimnis. Nach § 5 Abs. 6 LTranspG RLP und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Schutz als Geschäftsgeheimnis immer ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung voraus. Diese Einschränkung ist sehr wichtig, weil Unternehmen andernfalls sogar ihr eigenes rechtswidriges Verhalten vertuschen dürften. So hat das Verwaltungsgericht Berlin etwa entschieden, dass die Tatsache, dass ein Unternehmen ein Bußgeld zahlen musste, kein Geschäftsgeheimnis ist, weil das berechtigte Interesse an der Geheimhaltung fehlte (VG Berlin, Urteil vom 10. 5. 2006 – VG 2 A 72.04). Voraussetzung für ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung ist, dass durch die Offenlegung den Konkurrenten exklusives kaufmännisches Wissen zugänglich gemacht wird und das betroffene Unternehmen dadurch spürbare Nachteile im Wettbewerb erleidet. Die Tatsache, dass ein Unternehmen Forschung an einer öffentlichen Hochschule finanziert, ist in aller Regel nicht von einer solchen Bedeutung, die den Schutz als Geschäftsgeheimnis rechtfertigt.

Geheime Forschungskooperationen gefährden die freie Wissenschaft
In dem Gutachten „Universitäre Industriekooperationen, Informationszugang und Freiheit der Wissenschaft“ untersuchte Prof. Dr. Klaus F. Gärditz im Auftrag der GFF Kooperationsvereinbarungen der Universität Mainz. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass private Dritte, die sich in Kooperationen mit staatlichen Hochschulen engagieren, deren grundsätzliche Transparenzverpflichtung in Kauf nehmen müssen. Daher dürfen Unternehmen die Tatsache, dass sie Forschungskooperationen mit einer staatlichen Hochschule eingehen, nicht als Teil einer geheimhaltungsbedürftigen Marktstrategie einkalkulieren. Die formalen Rahmenbedingungen von Forschungskooperationen unterliegen daher grundsätzlich der Informationspflicht und genießen keinen Geheimnisschutz.
Das Gutachten zeigt auch, dass Forschungskooperationen von Drittmittelgebern mit öffentlichen Hochschulen eine besondere Gefahr für die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Wissenschaftsfreiheit darstellen können. Die Wissenschaftsfreiheit selbst enthält insoweit auch einen Schutzauftrag, der einen transparenten Umgang der Hochschulen mit Drittmittelkooperationen gebietet. Wenn Hochschulen den Zugang zu Informationen über den formalen Rahmen ihrer Drittmittelprojekte verweigern, weckt das Zweifel an Neutralität und Unabhängigkeit der Forschung. Kommerzielle Interessen bei der Durchführung von Forschungsprojekten bergen eine besondere Gefahr für die Unabhängigkeit der Forschung. Um die grundrechtlichen Erwartungen an eine unabhängige Wissenschaft nicht zu unterlaufen, bedarf es als Gegengewicht einer besonderen Transparenz.
Transparenz gerichtlich durchsetzen
Informationsansprüche der Öffentlichkeit sind daher ein wichtiges Instrument um die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu schützen. Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz war bereits in der Vergangenheit wegen ihres intransparenten Umgangs mit Industriekooperationen in die Kritik geraten. Die Universität weigerte sich, Kooperationsverträge mit der Boehringer-Ingelheim-Stiftung offenzulegen. Als die Verträge an die Öffentlichkeit gelangten, zeigte sich, dass die Sorgen um die Wissenschaftsfreiheit berechtigt waren. Die Fördervereinbarung räumte der Stiftung weitgehende Mitspracherechte ein, die mit der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar sind. Ein Gericht verpflichtete die Universität schließlich, einem Journalisten Einsicht die Förderverträge zu geben.
Nun muss erneut ein Gericht darüber entscheiden, ob die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ihre Forschungskooperationen geheimhalten darf. Gemeinsam mit GFF-Rechtsanwalt David Werdermann unterstützen wir die Klage von David Missal, um Licht in das Dunkel der Forschungskooperationen zu bringen.
Weitere Informationen
- Klageschrift
- Unsere Klage gegen die Uni Mainz ist Teil des Projektes control ©
- „Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was in einer staatlichen Institution geschieht.“ David Missal im Gespräch über seine Klage.
- Gutachten „Universitäre Industriekooperationen, Informationszugang und Freiheit der Wissenschaft“ des Wissenschaftlers Prof. Dr. Klaus F. Gärditz
Pressemitteilungen
- 19. Januar 2020: GFF-Klage gegen Uni Mainz: Intransparenz über Drittmittel gefährdet Wissenschaftsfreiheit
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