Unabhängige Wissenschaft braucht Transparenz
Wir klagten gegen die Universität Mainz. Die Hochschule weigerte sich, Informationen über ihre Industriekooperationen herauszugeben - und gefährdet die Wissenschaftsfreiheit.
Der freie Journalist, Aktivist und Sinologe David Missal führt ein Rechercheprojekt zum Einfluss chinesischer Geldgeber in der deutschen Hochschullandschaft durch. Dafür hatte er unter anderem eine Informationsfreiheitsfrage an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu ihren Forschungskooperationen mit dem chinesischen Staat und chinesischen Unternehmen gestellt. Die Universität verweigerte zunächst die Herausgabe mit Verweis auf angebliche Geschäftsgeheimnisse chinesischer Drittmittelgeber. „Kooperationen mit China sind für viele Unis ein heißes Eisen. Viel Geld winkt aus der Volksrepublik. Aber die Unis merken auch, dass Kooperationen mit der chinesischen Diktatur inzwischen kritischer gesehen werden – daher mauern sie”, sagt Missal.
ETAPPENSIEG IN MAINZ
Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz verweigerte die Herausgabe der Informationen über Drittmittel aus China mit dem Argument, dass Transparenz über ihre Industriekooperationen die Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen verletzen würde. Im Zuge unserer Klage hat die Uni Mainz alle Drittmittelkooperationen mit China offengelegt und darüber hinaus die Kosten für das Gerichtsverfahren tragen müssen. Ein klarer Sieg für die Meinungsfreiheit.
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Tatsächlich ist die Universität nach § 16 Abs. 3
Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz (LTranspG RLP)
verpflichtet, die Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel
und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen
Forschungsvorhaben zu veröffentlichen. Dieser Pflicht ist sie im Zuge
unserer Klage nun nachgekommen. “Es ist gut, dass die Uni jetzt durch
unsere Klage endlich ihre Bunkermentalität ablegen musste. Auch andere
deutsche Hochschulen sollten ihre Drittmittel-Zuwendungen offenlegen –
ohne dass erst mit Klage gedroht werden muss”, sagt Missal. Darüber
hinaus hat das Gericht entschieden, dass die Uni Mainz die Kosten für
das Verfahren tragen muss. Ein klares Signal dafür, dass das Gericht
unsere Klage als aussichtsreich erachtet hat. Hätte die Uni Mainz nicht
eingelenkt, hätte ihr eine Niederlage gedroht.
Drittmittelkooperationen sind keine Geschäftsgeheimnisse
Immer wieder versuchen Unternehmen und auch staatliche Stellen, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu missbrauchen, um berechtigte Informationsinteressen der Öffentlichkeit zu beschneiden. Das ist eine große Gefahr für unsere Grundrechte. Im LuxLeaks-Steuerhinterziehungsskandal zeigte die Unternehmensberatung PWC den Hinweisgeber Antoine Deltour wegen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen an. Er wurde schließlich höchstinstanzlich freigesprochen. Der Diesel-Abgasskandal konnte womöglich deshalb so lange nicht aufgedeckt werden, weil die Bundesregierung dem TÜV mit Verweis auf Betriebsgeheimnisse untersagte, die Motorsoftware zu überprüfen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit scheiterte vor Gericht bei dem Versuch, Unterlagen zur Zulassung des Herbizids Glyphosat zurückzuhalten, weil diese angeblich Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens Monsanto enthielten. Auch die Bundesregierung beruft sich bei der Ablehnung von Informationsfreiheitsanfragen zuweilen auf Geschäftsgeheimnisse.
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Der Geschäftsgeheimnisschutz dient dem Schutz der Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen, wenn ihren Konkurrenten exklusives Wissen zugänglich gemacht wird. Dieses Recht darf nicht missbraucht werden, um die berechtigten Transparenzerwartungen an eine unabhängige und freie Wissenschaft an staatlichen Hochschulen zu unterlaufen. Dass eine Universität bei Forschungsprojekten mit Drittmittelgebern kooperiert, ist kein schutzwürdiges Geheimnis der Drittmittelgeber.
Nicht jede Information, die nicht offen zugänglich ist, ist zugleich ein Geschäftsgeheimnis. Nach § 5 Abs. 6 LTranspG RLP und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Schutz als Geschäftsgeheimnis immer ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung voraus. Diese Einschränkung ist sehr wichtig, weil Unternehmen andernfalls sogar ihr eigenes rechtswidriges Verhalten vertuschen dürften. So hat das Verwaltungsgericht Berlin etwa entschieden, dass die Tatsache, dass ein Unternehmen ein Bußgeld zahlen musste, kein Geschäftsgeheimnis ist, weil das berechtigte Interesse an der Geheimhaltung fehlte (VG Berlin, Urteil vom 10. 5. 2006 – VG 2 A 72.04). Voraussetzung für ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung ist, dass durch die Offenlegung den Konkurrenten exklusives kaufmännisches Wissen zugänglich gemacht wird und das betroffene Unternehmen dadurch spürbare Nachteile im Wettbewerb erleidet. Die Tatsache, dass ein Unternehmen Forschung an einer öffentlichen Hochschule finanziert, ist in aller Regel nicht von einer solchen Bedeutung, die den Schutz als Geschäftsgeheimnis rechtfertigt.
GEHEIME FORSCHUNGSKOOPERATIONEN GEFÄHRDEN DIE FREIE WISSENSCHAFT
Die Universität Potsdam macht zur Geheimhaltung der Informationen über Ihre Kooperationen mit chinesischen Geldgebern geltend, dass die Veröffentlichung die Wissenschaftsfreiheit gefährde. Diese Argumentation verkennt, dass Transparenz im Umgang mit drittmittelbezogenen Informationen eine freie, verlässliche und neutrale Wissenschaft fördert und das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Unabhängigkeit schützt. Informationen über formale Rahmenbedingungen wie die Existenz einer Drittmittelförderung lassen keine Rückschlüsse auf Wissenschaftsinhalte zu und können daher grundsätzlich transparent gemacht werden. Die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt zwar die dahinterstehenden Bemühungen, Forschung und Lehre praktisch zu ermöglichen, nicht aber deren Geheimhaltung.
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In dem Gutachten „Universitäre Industriekooperationen, Informationszugang und Freiheit der Wissenschaft“ untersuchte Prof. Dr. Klaus F. Gärditz im Auftrag der GFF Kooperationsvereinbarungen der Universität Mainz.
Das Gutachten zeigt, dass Forschungskooperationen von Drittmittelgebern mit öffentlichen Hochschulen eine besondere Gefahr für die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Wissenschaftsfreiheit darstellen können. Die Wissenschaftsfreiheit selbst enthält insoweit auch einen Schutzauftrag, der einen transparenten Umgang der Hochschulen mit Drittmittelkooperationen gebietet. Wenn Hochschulen den Zugang zu Informationen über den formalen Rahmen ihrer Drittmittelprojekte verweigern, weckt dass Zweifel an Neutralität und Unabhängigkeit der Forschung. Kommerzielle Interessen bei der Durchführung von Forschungsprojekten bergen eine besondere Gefahr für die Unabhängigkeit der Forschung. Um die grundrechtlichen Erwartungen an eine unabhängige Wissenschaft nicht zu unterlaufen, bedarf es als Gegengewicht einer besonderen Transparenz.
Das Gutachten kommt auch zu dem Ergebnis, dass private Dritte, die sich in Kooperationen mit staatlichen Hochschulen engagieren, deren grundsätzliche Transparenzverpflichtung in Kauf nehmen müssen. Daher dürfen Unternehmen die Tatsache, dass sie Forschungskooperationen mit einer staatlichen Hochschule eingehen, nicht als Teil einer geheimhaltungsbedürftigen Marktstrategie einkalkulieren. Die formalen Rahmenbedingungen von Forschungskooperationen unterliegen daher grundsätzlich der Informationspflicht und genießen keinen Geheimnisschutz.
Hier finden sie mehr Informationen zum Gutachten "Universitäre Industriekooperationen, Informationszugang und Freiheit der Wissenschaft" von Prof. Dr. Klaus F. Gärditz. Und hier können Sie das Gutachten als PDF herunterladen.
TRANSPARENZ GERICHTLICH DURCHSETZEN
Informationsansprüche der Öffentlichkeit sind daher ein wichtiges Instrument um die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu schützen. Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz war bereits in der Vergangenheit wegen ihres intransparenten Umgangs mit Industriekooperationen in die Kritik geraten. Die Universität weigerte sich, Kooperationsverträge mit der Boehringer-Ingelheim-Stiftung offenzulegen. Als die Verträge an die Öffentlichkeit gelangten, zeigte sich, dass die Sorgen um die Wissenschaftsfreiheit berechtigt waren. Die Fördervereinbarung räumte der Stiftung weitgehende Mitspracherechte ein, die mit der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar sind. Ein Gericht verpflichtete die Universität schließlich, einem Journalisten Einsicht die Förderverträge zu geben.
Erst nachdem wir Klage eingereicht haben, hat die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ihre Forschungskooperationen offen gelegt. Die GFF wird weitere Klagen unterstützen, um Licht in das Dunkel der Forschungskooperationen zu bringen.
The power of law
Gemeinsam für die Grundrechte vor Gericht