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DATENERHEBUNG BEI DER BERLINER POLIZEI Berlin von wal_172619, lizensiert unter Pixabay License
gleiche Rechte und soziale Teilhabe
Art. 1, 2, 3

Racial Profiling - Datenerhebung bei der Berliner Polizei

Die Berliner Polizei erhebt rechtswidrig Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit von Tatverdächtigen. Nach unserer Beschwerde beanstandet das auch die Landesdatenschutzbeaufratge.

Nach Beschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma hat die Berliner Datenschutzbeauftragte eine Beanstandung gegenüber der Berliner Polizei ausgesprochen. Die Polizei habe rechtswidrig Daten zur Zugehörigkeit von Tatverdächtigen zur Volksgruppe der Sinti und Roma erfasst. Die GFF prüft weitere Klage- und Beschwerdemöglichkeiten.
Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin

Lea Beckmann

Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin

"Es ist schockierend: Die Berliner Polizei kennzeichnet in ihren Datenbanken Sinti*zze und Rom*nja, zeigt keinerlei Unrechtsbewusstsein – und verweigert die Zusammenarbeit mit der Landesdatenschutzbeauftragten bei der Aufklärung."

Die GFF hatte gemeinsam mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma bei der Berliner Landesdatenschutzbeauftragen ein Beschwerdeverfahren wegen des Verdachts auf Diskriminierung von Sinti*zze und Roma*nja lanciert. In der Kriminalstatistik von 2017 machte die Berliner Polizei Angaben zur Volkszugehörigkeit von Tatverdächtigen. Die Polizei bestritt jedoch, die zugrundeliegenden Daten zur Ethnie zu erheben. Gemeinsam mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und der Berliner Jugendorganisation Amaro Foro setzt sich die GFF dafür ein, zu überprüfen, ob sich die Datenerhebung der Polizei im rechtlichen Rahmen bewegt.

Mit Blick auf die 2017er Kriminalstatistik ruderte Innensenator Geisel nach anfänglichem Widerstand Mitte Januar 2020 zurück. Er ließ den diskriminierenden Hinweis auf Sinti und Roma in der Online-Version der Statistik löschen und sicherte eine erneute Prüfung zu, ob rechtswidrig Daten zur ethnischen Herkunft erhoben werden. Am 9. Juli und 6. August untersuchte die Landesdatenschutzbeauftragte bei der Polizei vor Ort relevante Akten. Von diesem Recht macht die Datenschutzbeauftragte nur in seltenen Fällen Gebrauch. Im Januar 2020 beanstandete die Datenschutzbeauftragte dann gleich zwei Rechtsverstöße der Berliner Polizei: Zum einen stellte sie fest, dass die Berliner Polizei tatsächlich rechtswidrig Daten über ethnische Zugehörigkeit von Tatverdächtigen erhoben hatte (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BlnDSG). Zum anderen hat die Polizei eine genauere Überprüfung verhindert und durch die Verweigerung der Herausgabe von Informationen gegen ihre Rechtspflichten verstoßen (§§ 13 Abs. 4 Nr. 2, 54 BlnDSG).

In der Polizeilichen Kriminalstatistik Berlin 2017 fand sich der Hinweis, dass die Tatverdächtigen für die Begehung von Trickdiebstahl in Wohnungen überwiegend Angehörige der Volksgruppe der Sinti und Roma seien. Bereits die Annahme, dass ethnische Zugehörigkeit relevant ist und erhoben werden sollte, basiert auf rassistischen und antiziganistischen Vorurteilen. Einmal erfasst, drohen die Polizeibanken zudem Grundlage für "Racial Profiling" zu werden, also für diskriminierende Polizeiarbeit, bei welcher der Verdacht für eine Straftat zumindest auch an ethnische Zugehörigkeit oder "Rasse" geknüpft wird. Eine Erfassung der Volkszugehörigkeit von Tatverdächtigen einer ganzen Deliktsgruppe ist deshalb unstreitig rechtswidrig. Nach unserer Beschwerde und öffentlichem Druck hatte Innensenator Geisel den Hinweis im Januar 2020 entfernen lassen.

Klare Rechtslage – unklare Datenerhebung

Die statistische Erfassung von ethnischen Minderheiten ist grundrechtlich, aber auch datenschutzrechtlich rechtswidrig. Das ergibt sich bereits aus den Vorgaben des Landesdatenschutzgesetzes, welches damit das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes konkretisiert. Außerdem hat sich die Bundesrepublik dazu auch völkerrechtlich verpflichtet. So hat Deutschland nicht nur die Anti-Rassismus-Konvention der UN, sondern auch das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates ratifiziert.

"Natürlich können körperliche Merkmale und Kleidung einer zur Fahndung ausgeschriebenen Person beschrieben werden. Die Beschreibung als ‚Roma‘, ‚Jude‘ oder ‚Araber‘ macht eine Person aber nicht individuell identifizierbar und hat in Polizeidatenbanken deshalb nichts verloren."
Lea Beckmann, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin

Sondererfassung in der Kriminalstatistik verstärkt antiziganistische Vorurteile

Laut einer Studie der EU-Grundrechte-Agentur sind Roma die am stärksten von Diskriminierung betroffene Gruppe in Europa. In Deutschland fand sie wohl ihren Höhepunkt in der systematischen Deportation und Ermordung von Angehörigen der Volksgruppe im NS-Regime. Bis in die Gegenwart spielt die datenmäßige Erfassung und Kriminalisierung von Sinti*zze und Rom*nja stets eine zentrale Rolle für ihre systematischen Ausgrenzung.
Besondere „Zigeuner“- und „Landfahrer“-Polizeidatenbanken sind seit dem späten 19. Jahrhundert und jedenfalls noch bis in die 1980er-Jahre belegt. Bis in das Jahr 1982 erfasste auch die Polizeikriminalstatistik auf Bundesebene Hinweise auf „Landfahrer“, womit Sinti*zze und Roma*nja gemeint waren. Die Sondererfassung in der Kriminalstatistik Berlin ist dementsprechend kein Zufall, sondern basiert auf dem antiziganistischen Stereotyp von kriminellen Sinti*zze und Roma*nja – und verstärkt es weiter. Die Folgen davon sind für viele Menschen sehr real: Menschen, die tatsächlich oder vermeintlich der Volksgruppe der Sinti und Roma angehören, werden massiv und in allen Lebenslagen diskriminiert. Die statistische Erfassung von Sinti*zze und Roma*nja zu Zwecken der Polizeiarbeit ist sowohl unter rechtlichen Gesichtspunkten als auch angesichts einer besonderen deutschen Verantwortung endgültig zu beenden.

Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts

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