Interview mit Salome Krug: „Die schwammigen Vorgaben des Gesetzes öffnen polizeilicher Willkür Tür und Tor.“
Wir haben über Erfahrungen mit der Polizei gesprochen und darüber, inwiefern das Gesetz das Engagement für besseren Klimaschutz beeinträchtigt.
GFF: Hallo Salome Krug, Sie setzen sich als Aktivist*in unter anderem für Klimagerechtigkeit ein. Welche Aufgaben übernehmen Sie dabei?
Salome Krug: Viele Menschen haben die Hoffnung auf Veränderungen “von oben” verloren und sind daher motiviert, selbst aktiv zu werden. So kommt der Protest auch zu den aktuellen Orten der Zerstörung und Ausbeutung. So zum Beispiel in Braunkohle-Tagebauten, zu Erdgas-Infrastrukturen oder auf die Autobahnen. Meine Aufgabe ist es an diesen Protestorten kleinere, aber auch Massen-Aktionen logistisch und juristisch zu unterstützen. Das Protestgeschehen vor polizeilichen Eingriffen zu schützen, ist entscheidend für die Reichweite und Effektivität einer Aktion. Regelmäßig geht es dabei auch um das Versammlungsrecht. Ich stehe dabei oft an den Konfrontationspunkten zwischen Aktivist*innen und Polizei. Da kann es auch mal lauter und stressiger werden. Wichtig ist anschließend auch die emotionale und rechtliche Nachbereitung von Aktionen. Wir wollen explizit erfassen, wo sich die Teilnehmer*innen unverhältnismäßigen und einschüchternden Repressionen ausgesetzt sahen.
Sie sind Teil einer Gruppe von Menschen, die gegen das Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern klagt. Was motiviert Sie, vor Gericht zu gehen?
Wir leben in einer Zeit der technischen Veränderung. Durch die Digitalisierung sind neue Kontrollinstrumente entstanden. Mit der Polizeirechtsverschärfung versucht auch Mecklenburg-Vorpommern sich diese Werkzeuge für eine weitergehende Überwachung anzueignen. Dem gilt es einen Riegel vorzuschieben, denn wir sehen bereits, dass unsere Grundrechte unangemessen eingeschränkt werden. Das gilt es jetzt auch verfassungsrechtlich festzustellen.
Inwiefern beeinträchtigt Sie das Polizeigesetz in Ihrem Engagement?
Die von uns kritisierten Neuerungen betreffen vor allem technische Möglichkeiten der Überwachung. Überwacht werden dabei Kommunikationswege und Bewegungsabläufe. Mit dem Einsatz des sogenannten Staatstrojaners dürfen Überwachungsprogramme auf meine privaten Kommunikationsgeräte gespielt werden, um so Zugriff auf private Fotos, Kontakte oder Chatverläufe zu bekommen. Das “Aufspielen” darf ohne meine Kenntnis vorgenommen werden. – und das sogar bei mir zu Hause in meiner eigenen Wohnung. Darüber hinaus wird die Polizei ermächtigt, den Staatstrojaner schon weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr einzusetzen. Diese schwammigen Vorgaben des Polizeigesetzes öffnen polizeilicher Willkür Tür und Tor, im wahrsten Sinne des Wortes.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Polizei im Zusammenhang mit Ihren Aktionen?
Leider immer wieder negativ. Auch bei vermeintlich niedrigschwelligen polizeilichen Maßnahmen wie Platzverweisen kann ich beobachten, wie die Beamt*innen Bestimmungen so auslegen, dass möglichst viele Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und politischer Protest zeitnah unterbunden werden kann. Das wird sich mit dem neuen Gesetz noch weiter zuspitzen. Als besonders erniedrigend erlebe ich fragwürdige Durchsuchungen von Fahrzeugen, Gepäckstücken und mir selbst als diversgeschlechtlicher Person, zu denen es immer wieder kommt. Dass nun mit dem neuen Polizeigesetz genau diese Kontrollen noch einfacher möglich sein sollen, ist für mich zusätzlich belastend. Dabei reicht es zum Beispiel aus, mit einer zur Fahndung ausgeschrieben Personen bekannt und unterwegs zu sein, um in solche Kontrollen mit reingezogen zu werden.
Was erhoffen Sie sich von der Klage?
Grundrechte gibt es nicht geschenkt. Wir müssen uns immer wieder dafür einsetzen – dafür streiten. Mit dem neuen Polizeigesetz werden staatliche Befugnisse weiter ausgebaut. Unsere Freiheit wird dadurch eingeschränkt. Es ist wie beim Tauziehen. Wenn wir nicht anfangen, auch den Druck zu erhöhen, wird unser Seil-Ende kürzer. Mit dieser Klage ziehen wir jetzt wieder kräftiger zurück. Es hat also auch eine symbolische, selbstermächtigende Wirkung gegen die angestaute Ohnmacht angesichts einer zunehmend überwachten Gesellschaft.