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GFF erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Bayerisches Verfassungsschutzgesetz

Berlin, 1. August 2017 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat eine neue strategische Klage für die Freiheit eingeleitet. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind eine Vielzahl von exzessiven Überwachungsvorschriften des neuen Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG).

Ein beispielloses Arsenal an Überwachungsbefugnissen

Am 1. August 2016 ist das novellierte BayVSG in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz stattet der Freistaat Bayern seinen Inlandsgeheimdienst mit einem in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Arsenal an Überwachungsbefugnissen aus, das ohne effektive rechtsstaatliche Kontrolle nach Gutdünken eingesetzt werden soll.

Präzedenzlos ist etwa das Zugriffsrecht des Landesamts für Verfassungsschutz auf die bei den Telekommunikationsprovidern gespeicherten Verkehrsdaten („Vorratsdatenspeicherung“). Um abfragen zu können, wer wann mit wem telefoniert oder SMS ausgetauscht hat, benötigt ein Staatsanwalt einen richterlichen Beschluss. Der bayerische Geheimdienst hingegen soll auf diese heiklen Daten unkontrollierten Zugriff bekommen – und das, obwohl der Bundesgesetzgeber die Vorratsdaten den Geheimdiensten gar nicht zur Verfügung stellen wollte. Um die Daten gleichwohl anzuzapfen, deuten die Bayern ihren Inlandsgeheimdienst kurzerhand zur „Gefahrenabwehrbehörde“ um – gerade so, als gäbe es keine Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten.

Weitere im BayVSG vorgesehene Grundrechtseingriffe gehen deutlich über diejenigen der Inlandsgeheimdienste der anderen Länder oder des Bundes hinaus und halten sich nicht an die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben. So kann eine „Online-Durchsuchung“ teils schon gegen bloße Kontakt- und Begleitpersonen angeordnet werden. Damit droht auch solchen Menschen die Ausforschung durch sogenannte „Staatstrojaner“, die sich nicht das Geringste haben zuschulden kommen lassen. Weder der Kernbereich privater Lebensgestaltung noch berufliche Vertrauensverhältnisse etwa von Ärztinnen oder Rechtsanwälten sind hinreichend geschützt. Auch der gezielt gegen Personen gerichtete Einsatz von verdeckten Ermittlern und „V-Leuten“ ist ohne präzise gesetzliche Anforderungen vorgesehen.

Wirksame Kontrollen der geheimdienstlichen Überwachungstätigkeit durch unabhängige Stellen sind im BayVSG nicht vorgesehen, auch die gerichtliche Überprüfung wird teilweise übermäßig erschwert. Unzulässig weit gehen überdies die Befugnisse des Bayerischen Verfassungsschutzes, erhobene Daten an inländische und ausländische öffentliche Stellen, aber auch an Private und an Unternehmen weiterzugeben.

Verfassungsbeschwerde im Auftrag der GFF

Um eine solche uferlose geheimdienstliche Überwachungstätigkeit zu verhindern, hat Prof. Dr. Matthias Bäcker im Auftrag der GFF Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht (Aktenzeichen: 1 BvR 1619/17). Die Beschwerdeführer sind Mitglieder und Funktionsträger von Organisationen wie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die ausweislich des Bayerischen Verfassungsschutzberichts unter Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst stehen. Finanziell unterstützt wird die GFF in diesem Verfahren von der Stiftung Erneuerbare Freiheit.

Kerem Schamberger, einer der Beschwerdeführer, sieht im BayVSG ein generelles Problem:

Aus meiner Sicht kann “Verfassungsschutz” nicht bedeuten, fortschrittliche oder antifaschistische Gruppen auszuforschen und zu stigmatisieren. Sonst ist die Behörde eine Gefahr für die Demokratie.
Kerem Schamberger, Beschwerdeführer
Wir müssen verhindern, dass unverhältnismäßige Überwachung unbescholtener Menschen durch Geheimdienste wie jetzt in Bayern Schule macht. Daher geht die GFF bei ihrem Einsatz für die Freiheitsrechte nicht nur gegen Grundrechtsverletzungen durch Bundesgesetze vor. Wir bringen verfassungsrechtlich problematische Gesetze auch in den Ländern konsequent und professionell vor Gericht.
Ulf Buermeyer, Jurist

Weitere Informationen:

Hintergrundmaterial der GFF zur Verfassungsbeschwerde

Pressekontakt:
Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
presse@freiheitsrechte.org
https://freiheitsrechte.org/presse/
+49 (0)30-555 71 66 55

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