Deadname auf dem Studierendenausweis: Humboldt-Universität zu Berlin diskriminiert trans, inter und nicht-binäre Studierende
Gemeinsam mit Betroffenen und Verbänden haben wir gegen die Humboldt-Universität zu Berlin geklagt. Bis zuletzt war es trans, inter und nicht-binären Studierenden nicht möglich, ihren selbstgewählten Vornamen zu führen. Noch vor der Entscheidung des Gerichtes gab die Universität schließlich im Januar 2023 nach: Eine Grundsatzentscheidung blieb deshalb zwar aus, aber der Diskriminierung ist damit dennoch fürs Erste ein Ende gesetzt.
In der Mensa bezahlen, ein Buch in der Bibliothek ausleihen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren: All das läuft über die CampusCard. Dieser Ausweis ist ein essenzieller Bestandteil des Alltags aller Studierenden. Umso wichtiger, dass er auf den richtigen Namen ausgestellt ist. An der HU wurde es trans, inter und nicht-binären Studierenden jedoch bis Anfang 2023 verwehrt, ihren Identitätsnamen auf dem Studierendenausweis zu führen. Damit waren sie dem Risiko ausgesetzt, jederzeit gegen ihren Willen geoutet zu werden. Sie mussten hinnehmen, falsch adressiert zu werden. Deadnaming – die Verwendung des früheren Namens gegen den Willen der Person – spricht Menschen ihre geschlechtliche Identität ab und ist zutiefst verletzend.
Führen des Identitätsnamens endlich umfassend möglich
Auf Druck unserer im Juni 2022 erhobenen Klage gab die HU schließlich nach: Noch vor der Gerichtsentscheidung ermöglicht die Universität es trans, inter und nicht-binären Studierende seit Januar 2023, auf allen studentischen Unterlagen ihren Identitätsnamen zu führen. Das Verwaltungsgericht hatte infolgedessen nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Da die HU die geforderten Änderungen ohne durchgreifenden Grund erst im laufenden Klageverfahren vornahm, muss sie die gesamten Kosten tragen. Leider hat sich das Gericht zur aufgeworfenen Grundsatzfrage nicht geäußert.
Vor unserer Verbandsklage ermöglichte die HU zunächst das Führen des Identitätsnamens unter anderem nur im internen Schriftverkehr und in technischen Systemen. Studierende konnten sich etwa im HU-Onlinesystem AGNES unter dem richtigen Vornamen zu Lehrveranstaltungen anmelden. Auch auf der Lernplattform Moodle und in Videokonferenzsystemen war eine Namensänderung möglich. Ausgenommen von den Änderungen blieben allerdings die Immatrikulationsbescheinigung und die besonders wichtige CampusCard.
Im Uni-Alltag hatte sich mit diesen Anpassungen für trans, inter und nicht-binäre Studierende faktisch kaum etwas geändert. Damit hatte die HU der vorangegangenen Beanstandung lediglich teilweise abgeholfen. Deshalb hatte die GFF eine Verbandsklage erhoben.
Anspruch auf einen dem Geschlecht entsprechenden Namen ist grundrechtlich geschützt
Bis zur Änderung im Januar 2023 gewährte die HU Studierenden nur dann die Möglichkeit, ihren Namen auf den Unterlagen anzupassen, wenn sie diesen amtlich nach dem Transsexuellen- (TSG) oder Personenstandsgesetz (PStG) geändert haben. Das TSG ist aber in Teilen verfassungswidrig und setzt unzumutbare Voraussetzungen für eine offizielle Namensänderung fest. Sie ist mit mehrjährigen Wartezeiten, hohen Kosten und aufwändigen, teils demütigenden Sachverständigengutachten verbunden. Den Vornamen nach dem PStG zu ändern ist deutlich einfacher und kostengünstiger, da es nur einer Erklärung gegenüber dem Standesamt und einer ärztlichen Bescheinigung bedarf. Dieses Verfahren steht aber derzeit nur intergeschlechtlichen Menschen offen.
Dabei ließ die HU aber Folgendes unberücksichtigt: Trans, inter und nicht-binäre Studierende haben einen grundrechtlich geschützten Anspruch darauf, einen ihrem Geschlecht entsprechenden Vornamen zu führen und mit diesem angesprochen zu werden – und zwar unabhängig von einer amtlichen Vornamensänderung. Dieses Recht ergibt sich aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Es gilt gegenüber Privaten ebenso wie Behörden und damit auch gegenüber der HU.
Nach dem Berliner LADG kann eine Benachteiligung wegen des Geschlechts und der geschlechtlichen Identität nur durch Gründe von erheblichem Gewicht gerechtfertigt werden. Aus rechtlicher Sicht gibt es aber keine Gründe, die der Verwendung von Identitätsnamen an der Universität entgegenstehen. Insbesondere folgt dies nicht aus dem geltenden Namensrecht. In Deutschland gibt es grundsätzlich keine Pflicht, im Alltag und in weiten Bereichen des Rechtsverkehrs den amtlichen Vornamen zu nutzen. Wenige Ausnahmen gibt es beispielsweise im Personenstandsrecht, auf Personalausweis und Reisepass sowie in der Gefahrenabwehr. Das ist jeweils gesetzlich geregelt. Für studentische Unterlagen gelten solche besonders gewichtigen öffentlichen Belange nicht. Ebenso wenig wird die Angabe des amtlichen Vornamens gesetzlich vorgeschrieben. Studierende müssen zwar durch die Universität identifizierbar sein. Dies ist grundrechtsschonender über die Matrikelnummer möglich, mit der Prüfungsleistungen und Dokumente wie die Campuscard einzelnen Studierenden eindeutig zugeordnet werden können.
Demnach muss der Vorname auch auf Immatrikulationsbescheinigungen und dem Studierendenausweis niedrigschwellig geändert werden können. Berliner Hochschulen, die das nicht angemessen ermöglichen, verstoßen klar gegen das LADG.
Vorgänge zur Vornamensänderung an der HU zunächst intransparent
Die GFF hatte bereits im Rahmen des Beanstandungsverfahrens einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an die HU gestellt, um die Verwaltungs- und Dienstvorschriften mit Regeln zu Vornamensänderungen im hochschulinternen Verwaltungssystem einsehen zu können. Die HU lehnte den Antrag jedoch ab. Sie begründete, dass es keine solchen Verwaltungs- und Dienstvorschriften gebe. Ihre Entscheidungsprozesse darüber, wie es zu Vorschriften kommt, hält die Uni hingegen gezielt zurück. Sie stützt sich dabei auf den Schutz der ungestörten behördlichen Entscheidungsfindung nach § 10 IFG Berlin.