Erste GFF-Beanstandung nach dem neuen Berliner Antidiskriminierungsgesetz: Humboldt-Universität muss trans, inter und nicht-binären Studierenden den Identitätsnamen auf dem Studierendenausweis ermöglichen
Berlin, 22.02.2022 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat heute bei der Humboldt-Universität zu Berlin ihre erste Beanstandung nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) eingereicht. Die Beanstandung ist Voraussetzung einer Verbandsklage. Die GFF rügt darin, dass die Universität derzeit ihren trans, inter und nicht-binären Studierenden das Recht versagt, den ihrem Geschlecht entsprechenden Identitätsnamen z.B. auf dem Studierendenausweis zu führen, wenn noch keine amtliche Namensänderung stattgefunden hat. Mit dem Einreichen der Beanstandung startet die GFF gleichzeitig einen neuen Klagefonds, um gemeinsam mit Beratungsorganisationen und Einzelpersonen strukturelle Diskriminierung in Berlin vor Gericht zu bringen.
„Die Humboldt-Universität verstößt klar gegen das Diskriminierungsverbot. Denn trans, inter und nicht-binäre Studierende haben das Recht, ihren Identitätsnamen zu führen – auch schon vor einer amtlichen Namensänderung“, sagt Soraia Da Costa Batista, Juristin bei der GFF. „Andernfalls führen alltägliche Anlässe wie eine Ticketkontrolle mit Studierendenausweis in der U-Bahn zu diskriminierenden Situationen: Die Betroffenen müssen sich zu wahrgenommenen Unterschieden zwischen ihrer dokumentierten und ihrer tatsächlichen geschlechtlichen Identität erklären. Diese Zwangsoutings sind belastend und diskriminierend.“
Was die Situation verschärft: Amtliche Namensänderungen für trans und nicht-binäre Personen richten sich nach dem in weiten Teilen verfassungswidrigen Transsexuellengesetz. Das Verfahren dauert oft Jahre, ist demütigend und teuer. Bo Günther, Mitglied der Berliner Selbstorganisation von trans, inter und nicht-binären Hochschulangehörigen Unitin* und studentische*r Mitarbeiter*in der GFF, betont: „An den langwierigen Prozessen für Namensänderungen zeigt sich, dass trans, inter und nicht-binäre Personen in unserer Gesellschaft noch lange nicht gleichgestellt sind. Umso wichtiger ist, dass öffentliche Einrichtungen beim Abbau von Diskriminierung Vorreiter sind. Wir erwarten, dass die Humboldt-Universität schnell handelt.“
Berlin hat mit dem LADG 2020 als erstes und einziges Bundesland eine wichtige Lücke im System des Antidiskriminierungsschutzes geschlossen. Es ermöglicht Betroffenen auch gegen staatliche Stellen wie die Polizei und Behörden vorzugehen, wenn diese sie zum Beispiel wegen ihres Geschlechts, einer rassistischen Zuschreibung oder Behinderungen benachteiligen. Das bundesweite Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt dagegen nur in privaten Bereichen wie bei der Arbeit, auf dem Mietmarkt oder bei Massengeschäften.
Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) und ein ehrenamtlicher Beirat unterstützen die GFF bei der Auswahl der strategischen Klagen für den „Klagefonds für gleiche Rechte“. „Für uns und unsere Partner*innen ist die Beanstandung heute ein wichtiger Auftakt. Das neue LADG bietet erstmals eine echte rechtliche Handhabe bei staatlicher Diskriminierung. Gemeinsam wollen wir dort ansetzen, wo Ungleichbehandlung System hat. Das kann von Racial Profiling durch die Polizei bis hin zur Benachteiligung von Schüler*innen mit Behinderungen reichen“, sagt Lea Beckmann, Juristin bei der GFF und Verantwortliche für den Schwerpunkt Gleiche Rechte und Antidiskriminierung.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://freiheitsrechte.org/mit-recht-gegen-diskriminierung-klagen-nach-dem-berliner-landesantidiskriminierungsgesetz/
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