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Interview mit Familie Akkermann: „Wir sind die Eltern von Paula und wir wollen für unser Kind das Beste und Gerechtigkeit“

Gesa C. Teichert-Akkermann und Verena Akkermann wollen notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um durchzusetzen, dass der Staat sie beide als Mütter ihrer Tochter Paula anerkennt. Wir unterstützen sie bei der strategischen Prozessführung – und haben sie nach den schweren ersten Tagen nach der Geburt und dem ersten Rückschlag beim Standesamt gefragt, was sie antreibt, weiterzukämpfen.
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Die Füße von Paula, der Tochter von Gesa und Verena Akkermann, die am 13.2.2020 zur Welt kam.

Liebe Gesa und Verena Akkermann, am 13. Februar 2020 ist Ihre Tochter Paula zur Welt gekommen. Wie geht es Ihnen?

Verena Akkermann (V): Leider verlief Paulas Geburt nicht so ruhig, wie wir gehofft hatten. Gesa, ihre leibliche Mama, hatte massive gesundheitliche Probleme – Paula musste per Notkaiserschnitt ganz schnell geholt werden, ihre Versorgung war gefährdet. Die erste Viertelstunde ihres Lebens hatte unsere Kleine sehr zu kämpfen, sie konnte erst nicht selbständig atmen.

Gesa C. Teichert-Akkermann (G): Zum Glück war ihre Mama Verena in diesen ersten schweren Minuten bei ihr und konnte Paulas Start ins Leben begleiten und unterstützen, während ich noch im OP war. Das andere Glück für uns alle war, dass wir wirklich sehr gut und kompetent medizinisch versorgt wurden. Aber in diesen Stunden waren unsere Sorgen darüber, was es für Paula und Verena bedeutet, wenn mir als leiblicher Mutter etwas unter der Geburt zustößt, sehr real.

V: Inzwischen haben sich Paula und Gesa erholt und auch den Schrecken haben wir drei mittlerweile ganz gut verarbeitet. Jetzt nach drei Wochen wachsen wir immer mehr zusammen und entwickeln unsere ersten Routinen. Wir können uns keine Minute mehr ohne Paula vorstellen.

Hat es denn geklappt, dass nach Paulas Geburt Verena Akkermann als Mit-Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen wurde?

G: Leider nein. Dabei haben wir noch wenige Tage vor Paulas Geburt die Mit-Mutterschaft von Verena notariell beurkundet lassen. So konnten wir noch vom Krankenhaus aus die Geburtsurkunde für Paula beantragen, in der wir beide als Elternteile eingetragen sein wollen. Dem Standesamt haben wir sowohl unsere Eheurkunde als auch die beurkundete Mit-Mutterschaftsanerkennung vorgelegt.

V: Aber in der Geburtsurkunde, die wir dann bekommen haben, ist nur Paulas leibliche Mutter Gesa eingetragen. Paula lebt damit offiziell in einer Ein-Eltern-Familie. Dass uns eine falsche Geburtsurkunde ausgestellt wird, hat uns nicht überrascht. Aber dass ich als zweite Mama fehle und Paulas und unsere Lebensrealität als Regenbogenfamilie negiert wird, hat uns trotzdem sehr getroffen und traurig gemacht.

Warum wollen Sie unbedingt, dass Verena Akkermann als zweite Mutter in Paulas Geburtsurkunde eingetragen wird? Sie könnte Paula doch einfach adoptieren, wie es bei lesbischen Paaren üblich ist.

V: Weil Paula keine Adoptivmutter hat. Wir haben uns von Anfang an gemeinsam für ein Kind entschieden. Sind jeden Schritt gemeinsam gegangen. Paula muss nicht adoptiert werden, denn sie hat mich und Gesa als ihre Mütter. Dass die Gesetze unseres Staates diese Tatsache nicht anerkennen, erleben wir als massive Diskriminierung und Ungleichbehandlung gegenüber heterosexuellen Paaren und Familien, dort fragt auch niemand nach der genetischen Elternschaft des Vaters.

Was sind jetzt Ihre nächsten Schritte?

V: Unsere Anwältin hat das Standesamt Hannover aufgefordert, die Geburtsurkunde von Paula zu korrigieren. Sollte diesem Antrag nicht nachgegeben werden, werden wir beim Familiengericht in Hannover beantragen, das Standesamt zu verpflichten, die richtige Geburtsurkunde mit zwei Eltern für Paula auszustellen. Das ist ein so genanntes personenstandsrechtliches Verfahren. Parallel werden wir auch beim Familiengericht in Hildesheim weiter dafür kämpfen, dass Verena Akkermann rechtlich als zweiter Elternteil von Paula angesehen wird.

G: Die Liebe und das Staunen über unser großes, kleines Glück treibt uns umso stärker an, für Paula und alle anderen Kinder in Regenbogenfamilien Gerechtigkeit zu erkämpfen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Lebensrealität dieser Kinder und Familien nicht länger diskriminiert wird.

Der Weg bis zum Bundesverfassungsgericht kann sehr lange dauern und anstrengend werden – wie gehen Sie mit der Belastung um, wer unterstützt Sie?

G: Ja, manchmal fragen wir uns das auch. Aber wir sind beide Menschen, die Ungerechtigkeiten nur sehr schwer aushalten können. Wir sind die Eltern von Paula und wir wollen für unser Kind das Beste und Gerechtigkeit. Das war der Anstoß, die Kampagne #Regenbogenfamilie zu beginnen und konsequent zu verfolgen. Die fast ausschließlich positiven und unterstützenden Reaktionen aus unserem direkten Umfeld, aber auch in den sozialen Medien bestärken uns.

V: Und dann haben wir auf unserem Weg durch die Instanzen auch noch tatkräftige juristische Unterstützung: Die Rechtsanwältin Lucy Chebout aus Berlin hat die Vertretung unseres Falls pro bono übernommen und kümmert sich um die ganze offizielle Kommunikation mit Standesamt und Gerichten. Da wir davon ausgehen, dass wir letztlich bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen müssen, unterstützt uns außerdem die Juristin Lea Beckmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. bei der strategischen Prozessführung. Wir sind unendlich dankbar für gleichermaßen professionelle und empathische Unterstützung, die wir durch diese großartigen, feministischen Juristinnen erleben dürfen und die uns hilft, Zeit als Familie zu haben!

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