1. Darf sich ein gemeinnütziger Verein politisch betätigen?
Ja. Vereine müssen dabei aber bestimmte Anforderungen einhalten ( siehe 2.1).
2. Was bedeutet politische Betätigung?
Der Bundesfinanzhof versteht unter politischer Betätigung die „Einflussnahme auf die politische Willensbildung“ und die „Gestaltung der öffentlichen Meinung“. Es sind also alle Tätigkeiten erfasst, die sich mit tages- oder allgemeinpolitischen Themen und Vorgängen befassen und dadurch politische Parteien oder die Bevölkerung in ihrer Willensbildung beeinflussen wollen.
2.1 Was muss ein Verein beachten, wenn er sich politisch betätigt?
Vereine müssen grundsätzlich fünf Dinge beachten: Die Betätigung muss dem Satzungszweck entsprechen, die vertretenen Auffassungen müssen objektiv und sachlich fundiert und die politische Beteiligung muss parteipolitisch neutral sein. Sie darf zudem die übrigen Tätigkeit des Vereins nicht weit überwiegen und muss sich an die verfassungsmäßige Ordnung und geltende Rechtsnormen halten.
a) Satzungszweck
Vereine dürfen sich nur zur Verwirklichung ihres Satzungszweckes politisch betätigen. D.h. jede Maßnahme muss im Zusammenhang mit einem der Satzungszwecke stehen. So kann sich ein Umweltschutzverein problemlos mit politischen Mitteln für den Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Für satzungsfremde Themen, beispielsweise Sportpolitik, dürfte er sich nur sehr viel begrenzter einsetzen (siehe 2.3). Wenn ein Sportverein sich an einer Demonstration gegen Rassismus beteiligen will, sollte er einen Zusammenhang zu seinem Satzungszweck herstellen und sich insbesondere gegen Rassismus im Sport und unserer Gesellschaft aussprechen. Auch ist z.B. das Einbringen von Fachwissen auf Aufforderung in parlamentarischen Verfahren möglich.
b) objektiv und sachlich fundiert
Wenn Vereine sich zur Verfolgung ihrer Satzungszwecke politisch äußern, müssen ihre Aussagen objektiv und sachlich nachvollziehbar sein. Sie sollten daher ihre Forderungen nicht „ins Blaue hinein“ geltend machen, sondern müssen sie auf einer sachlichen Grundlage zurückführen können. Außer zu politischen Bildungszwecken dürfen sie ihre politischen Auffassungen auch pointiert und verkürzt äußern (siehe 6.).
c) parteipolitisch neutral
Gemeinnützige Vereine müssen sich parteipolitisch neutral verhalten. D.h. sie dürfen durch ihre politische Betätigung nicht eine bestimmte Partei unterstützen oder zu deren Unterstützung aufrufen (siehe 7.).
d) politische Tätigkeit darf nicht weit überwiegen
Die politische Betätigung darf nicht die einzige Tätigkeit eines Vereins sein. Vereine, die sich politisch betätigen, müssen daneben auch noch andere Aktivitäten verfolgen, um ihre satzungsmäßigen Zwecke zu fördern. D.h. Vereine dürfen nicht ausschließlich Demonstrationen organisieren und Kampagnen gestalten, sie müssen daneben auch andere Aktivitäten, z.B. konkrete Förderprojekte aufweisen.
e) Verfassungsmäßige Ordnung und Rechtsordnung wahren
Die politische Betätigung darf nicht gegen das Grundgesetz oder andere Gesetze verstoßen. Gewaltaufrufe oder andere Formen von Straftaten sind nicht erlaubt.
2.2. Wie kann ein Verein sich politisch betätigen?
Das Gemeinnützigkeitsrecht setzt dem „wie“ der politischen Betätigung keine Grenzen. Vereine dürfen auf alle denkbaren Tätigkeiten zur Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung, staatlicher Stellen und Entscheidungsträger*innen zurückgreifen. Einige Beispiele sind: Veranstaltung und Aufrufe zu Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen, Unterschriftensammlungen, Bündnis- und Kampagnenarbeit, Organisation von Volksinitiativen und Bürgerbegehren, Einbringen von Fachwissen im parlamentarischen Verfahren, Gespräche mit Abgeordneten u.v.m.
2.3. Dürfen Vereine sich auch außerhalb ihrer Satzungszwecke politisch betätigen?
Außerhalb ihrer Satzungszwecke dürfen sie nur „vereinzelt“ zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen. Darunter fällt z.B. ein Aufruf eines Sportvereins für Klimaschutz oder gegen Rassismus aus einem aktuellen Anlass. Wann genau die Grenze von einer „vereinzelten“ zu einer „regelmäßigen“ Betätigung überschritten wird, ist eine Frage des Einzelfalls.
2.4. Was bedeutet das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs?
Der Bundesfinanzhof sprach 2019 der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit ab. Seine Begründung war, dass Attac sich zu allgemeinpolitisch betätigen würde. Diese Entscheidung hat die Unsicherheiten in der Zivilgesellschaft darüber verstärkt, wie politisch Vereine handeln dürfen, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren.
Mit seinem Urteil hat der Bundesfinanzhof der allgemeinen politischen Betätigung gemeinnütziger Vereine Grenzen gesetzt. Es wurden insbesondere die politischen Handlungsmöglichkeiten von Vereinen unter dem Satzungszweck „Förderung der politischen Bildung“ eingeengt.
Vereinfacht erklärt, hat der Bundesfinanzhof folgende Maßstäbe aufgestellt:
Der gemeinnützige Zweck der „Förderung der Volksbildung“ erfasst in Verbindung mit der „allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens“ auch die politische Bildung. Diese soll den Menschen helfen, über Politik und Demokratie informiert zu sein. Daher muss ein Verein seine politische Bildungsarbeit offen und neutral betreiben. Er darf sich nicht zu einseitig äußern, niemandem eine bestimmte Meinung aufzwingen oder sie in eine bestimmte politische Richtung lenken.
Zur Förderung der politischen Bildung darf ein Verein auch aktuelle politische Themen aufgreifen. Aber er muss sicherstellen, dass er diese Themen objektiv und neutral behandelt. Auch darf er Lösungsvorschläge für politische Probleme machen, aber keine Maßnahmen ergreifen, um diese Vorschläge anschließend politisch durchzusetzen, z.B. durch konkrete politische Forderungen an Parteien.
3. Mit welchen Zwecken kann sich ein Verein für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzen?
Vereine können sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzen, soweit sie einen Zusammenhang der konkreten Betätigung zu einem ihrer Satzungszwecke herstellen können.
Die allgemeine Auseinandersetzung mit den Gefahren von Rechtsextremismus für die Demokratie lässt sich vor allem mit den gemeinnützigen Zwecken „Förderung der Volksbildung“ sowie „allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens“ in Zusammenhang bringen (siehe 3.1.). Volksbildung umfasst auch die politische Bildung (siehe 2.3.). Das demokratische Staatswesen erfasst die Grundprinzipien unserer Verfassung. Darunter fallen beispielsweise die Grundrechte, ein demokratischer Aufbau und der Rechtsstaat.
Aber auch Vereine, die andere Satzungszwecke verfolgen, können sich gegen Rechtsextremismus positionieren, wenn sie einen konkreten Zusammenhang zwischen der konkreten Form der Betätigung und ihrem Satzungszweck herstellen können. Der inhaltliche Zusammenhang ist nicht eng zu verstehen. So kann auch ein Wohlfahrtsverein vor einer rechtsextremen Partei warnen, wenn er darlegen kann, dass die Ziele der Partei die Interessen bedürftiger Menschen gefährden. Ein Sportverein kann zu einer Demo gegen Rassismus aufrufen, wenn er sich insbesondere auf Rassismus im Sport bezieht. Vereine, die für Menschen eintreten, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden, können für die Teilnahme eines Bündnisses gegen Rechtsextremismus auf queerfeindliche Positionen der rechtextremen Ideologie verweisen. Nahezu alle gemeinnützigen Zwecke lassen es zu, einen Zusammenhang zwischen rechtsextremen Positionen herzustellen. Weitere relevante Fachzwecke für den Kampf gegen Rechtsextremismus sind insbesondere die Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte oder der Klimaschutz (siehe 3.2. und 3.3.).
3.1 Demokratisches Staatswesen und Volksbildung
Vereine können sich mit politischer Bildungsarbeit und der Förderung des demokratischen Staatswesens gegen Rechtsextremismus engagieren (Zu den Voraussetzungen siehe 2.3.). Die Gefahren des Rechtsextremismus sind bildungspolitische Fragen, da sie demokratische Grundprinzipien wie die Menschenwürde gefährden. Rechtsextreme schreiben Menschen aufgrund ihrer Ethnie oder Religion einen abgewerteten Status zu. Sie missachten, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder Abstammung den gleichen Wert haben. Weiter lehnen sie Grundideen unserer Demokratie wie den Wertepluralismus ab und streben den Wandel zu einem autoritären Staat an. Durch den Einsatz gegen Rechtsextremismus verteidigen Vereine daher die Kernelemente unserer Demokratie.
3.2 Gegen Rassismus, Fremden- und Queerfeindlichkeit
Zur Förderung des „Toleranz- und Völkerverständigungsgedankens“ und der „Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte und Geflüchtete“ und „für Opfer von Straftaten“ können sich Vereine gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzen. Sie können sich beispielsweise gegen die rechtsextreme Idee einer „deutschen Leitkultur“ wenden und die Vielfalt von Kulturen, Religionen und Sprachen innerhalb von Deutschland zu verteidigen. Auch können sie auf politische Forderungen rechtsextremer Akteure reagieren und sich damit auseinandersetzen, z.B. wenn gefordert wird, den Schutzstatus von Geflüchteten aufzuweichen.
Darüber hinaus ist auch die „Hilfe für Menschen, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“ ein gemeinnütziger Förderzweck, der es Vereinen ermöglicht, queerfeindliche Positionen rechtsextremer Akteure zu kritisieren.
3.3 Umwelt- und Klimaschutz
Im Zusammenhang mit der Förderung des Umwelt- und Klimaschutzes können Vereine rechtsextremen Positionen entgegentreten, die den wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel in Frage stellen. Sie können etwa an wissenschaftlich inkorrekte Aussagen anknüpfen und diese in Stellungnahmen widerlegen, Informations- und Bildungsarbeit zur Etablierung des wissenschaftlichen Konsenses leisten oder sich an Versammlungen gegen Desinformation beteiligen.
Darüber hinaus können sie sich gegen politische Forderungen rechtsextremer Akteure stellen, die den Klimaschutz behindern würden, z.B. wenn der weitere Ausbau der Windenergie abgelehnt wird.
4. Und was, wenn mein Verein einen anderen Zweck hat und wir uns trotzdem gegen Rechtsextremismus engagieren wollen?
Der Verein kann durch eine Satzungsänderung die für seine Tätigkeit notwendigen Zwecke ergänzen. Die Satzungsänderung muss beim zuständigen Amtsgericht (Registergericht) angemeldet werden. Das Gericht trägt die Satzungsänderung in das Vereinsregister ein. Auf Antrag prüft das Finanzamt anschließend, ob die geänderte Satzung den gesetzlichen Vorgaben zur Gemeinnützigkeit entspricht und stellt bei einem positiven Ergebnis einen Feststellungsbescheid nach § 60a AO aus. Wenn Unsicherheiten bestehen, können Vereine auch vor Satzungsänderung beim Finanzamt nachfragen, ob diese den gesetzlichen Anforderungen an die Gemeinnützigkeit entsprechen.
5. Dürfen Vereine zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus aufrufen oder an einer teilnehmen?
Vereine dürfen zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus aufrufen, daran teilnehmen oder sie (mit-)veranstalten, wenn sie einen Zusammenhang zwischen ihren Satzungszwecken und dem Thema der Demonstration herstellen können.
Vereine, die politische Bildung oder die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens als Satzungszweck haben, dürfen ohne weiteres zu allgemeinen Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus aufrufen. Politische Bildung muss nicht nur rein theoretisch erfolgen, sondern kann auch durch Aufruf zu konkreter Handlung ergänzt werden. Vereine können sich z.B. an Anzeigenkampagnen beteiligen, die an das Erfordernis der Einhaltung von Wahlversprechen erinnern – soweit sie nicht konkrete politische Forderungen aufstellen. Allgemeine Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sind darauf gerichtet, auf die damit verbundenen gesellschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen. Sie zeigen der Öffentlichkeit und der Politik, welche Gefahren der Rechtsextremismus für die Demokratie darstellt. Gleichzeitig betonen sie, wie wichtig es ist, die Grundlagen unserer Demokratie zu schützen.
Ein Verein mit anderen Satzungszwecken darf auch zu Demonstrationen aufrufen oder daran teilnehmen, wenn er einen Zusammenhang zwischen den Satzungszwecken und dem Thema der Demonstration herstellt, etwa indem er darlegt, dass durch den Rechtsextremismus das Erreichen des Satzungszwecks bedroht ist (siehe bspw. 3.2. und 3.3.).
Ein gemeinnütziger Verein darf aber nicht hauptsächlich Demonstrationen gegen Rechtsextremismus organisieren, da sonst die politische Betätigung im Vordergrund ihrer Tätigkeit stehen würde (siehe 2.1.).
6. Dürfen Vereine zu rechtsextremen Positionen öffentlich Stellung nehmen? Dürfen sie dazu Informationsmaterial erstellen und verbreiten?
Grundsätzlich ja.
Wenn Vereine sich ihrem Satzungszweck nach für die Förderung politischer Bildung einsetzen, müssen sie dabei beachten, dass sie rechtsextreme Positionen und Forderungen offen, sachlich und ausgewogen diskutieren. Sie müssen in objektiver Weise erklären, welche Gefahren der Rechtsextremismus für die Demokratie mit sich bringt.
Vereine, die andere Fachzwecke verfolgen, dürfen sich mit den Aspekten des Rechtsextremismus auseinandersetzen, die einen Zusammenhang zu ihren Satzungszwecken haben, etwa weil rechtsextreme Positionen die Erreichung der satzungsmäßigen Ziele bedrohen. Ihre Auffassungen dazu dürfen sie gegenüber der Öffentlichkeit und Politikern durch kritische und öffentliche Information und Diskussion nahebringen. Sie dürfen ihre Äußerungen auch in einer drastischen oder zugespitzten Weise formulieren, solange sie sich auf eine objektive und sachliche Faktengrundlage zurückführen lassen.
7. Was muss ein Verein beachten, wenn er Veranstaltungen, Workshops etc. zu den Gefahren des Rechtsextremismus durchführen will?
Vereine dürfen nur im Zusammenhang mit der „Förderung der Volksbildung“ und „des demokratischen Staatswesens“ auch Veranstaltungen o.Ä. durchführen, die sich allgemein mit den Gefahren für die Demokratie beschäftigen. Dabei müssen sie beachten, dass sie rechtsextremen Ansichten und Forderungen so herunterbrechen, dass klar hervorgeht, warum diese eine Gefahr für die Demokratie und ihre Grundprinzipien darstellen. Das muss objektiv erfolgen. So können etwa rassistische Äußerungen, die Menschen aufgrund ihrer Ethnie oder Glaubens abwerten, auf die Verletzung der Menschenwürde zurückgeführt werden. Auch dürfen Vereine an tagespolitische Ereignisse anknüpfen. Schließlich können sie auch konkrete Lösungsvorschläge zur Bekämpfung des Rechtsextremismus erarbeiten.
8. Was bedeutet parteipolitische Neutralität?
Der Grundsatz der parteipolitischen Neutralität besagt, dass gemeinnützige Vereine Parteien weder unmittelbar noch mittelbar unterstützen oder zu deren Unterstützung aufrufen darf. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 AO untersagt gemeinnützigen Vereinen, durch finanzielle Mittel eine Partei unmittelbar oder mittelbar zu unterstützen oder zu fördern. Insofern müssen gemeinnützige Vereine darauf achten, zu Veranstaltungen nicht immer nur Vertreter*innen derselben Partei einzuladen oder nur Anfragen einer Partei zu beantworten und die aller anderen Parteien abzulehnen.
8.1 Darf ein Verein zu einer Demonstration gegen eine bestimmte Partei aufrufen?
Ja, soweit es einem Verein darum geht, sich im Zusammenhang mit seinen Satzungszwecken sachlich mit den Positionen und Aussagen einer Partei auseinanderzusetzen. Der Grundsatz der parteipolitischen Neutralität hindert Vereine nicht daran, auf rechtsextreme Tendenzen und Haltungen einer Partei in Form von Demonstrationen aufmerksam zu machen und sich dagegen auszusprechen. Vereine sollten dabei beachten, dass sie ihren Demo-Aufruf mit den rechtsextremen Positionen und Forderungen einer Partei in Verbindung bringen sollten, die eine konkrete Gefahr für ihren Satzungszweck darstellen. Im Übrigen gelten dieselben Ausführungen wie zur Beteiligung an allgemeinen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus (siehe 5.).
8.2 Darf ein Verein Vertreter*innen bestimmter Parteien von eigenen Veranstaltungen ausschließen?
Ja. Vereine dürfen entscheiden, wen sie zu ihren Veranstaltungen einladen. Der Grundsatz der parteipolitischen Neutralität gebietet nicht, dass gemeinnützige Vereine zu Diskussions- oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen Vertreter*innen aller Parteien einladen.
8.3 Dürfen Vereine eine extremistische Partei beim Namen nennen?
Ja. Soweit ein Verein auf sachlicher Grundlage zu dem Schluss kommt, dass eine Partei sich außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegt, darf er das auch äußern. Dabei kann er sich z.B. auf eine objektive Auswertung des Parteiprogramms, Behördenentscheidungen (wie z.B. die Nennung in Verfassungsschutzberichten oder die Einstufung als extremistischer Verdachtsfall), Gerichtsentscheidungen oder andere sachlich fundierte Anhaltspunkte berufen.
8.4 Dürfen Vereine eine Wahlempfehlung abgeben?
Die Aufforderung zur Wahl einer bestimmten Partei kann unter Umständen gemeinnützigkeitsschädlich sein.
Es ist aber zulässig, dass gemeinnützige Vereine Wahlprogramme auswerten und darauf hinweisen, dass eine bestimmte Partei ihren Positionen am nächsten kommt. Vereine dürfen auch Wahlprüfsteine aufstellen und Parteien daran messen und auf Wahlalternativen hinweisen.
Auch ein Aufruf zur Wahl einer bestimmten Partei, die sich besonders für die Satzungszwecke einsetzt, dürfte für sich gesehen noch kein Verstoß gegen das Gebot parteipolitischer Neutralität darstellen. Soweit aber Umstände dazukommen, die auf eine weitergehende Unterstützung einer Partei hindeuten, wäre das wohl nicht mehr parteipolitisch neutral und deshalb nicht erlaubt.
8.5 Darf er empfehlen, eine Partei nicht zu wählen?
Dies dürfte zulässig sein, soweit ein Verein auf sachlicher Grundlage zu dem Schluss kommt, dass die Forderungen einer Partei (z.B. im Wahlprogramm) die Erreichung der eigenen Satzungszwecke gefährden. Aus der Aussprache muss objektiv nachvollziehbar hervorgehen, aus welchem Grund eine bestimmte Partei eine Gefahr für die eigenen Satzungszwecke darstellt und sie für den Verein daher als unwählbar erscheint.
Der Grundsatz der parteipolitischen Neutralität dürfte dadurch nicht verletzt sein, da durch die Aussprache keine andere Partei eine unmittelbare oder mittelbare finanzielle Unterstützung erhält und dies auch nicht bezweckt wird. Es ist zwar denkbar, dass es zu einem Ansehensverlust und einer Wählerabwanderung zu anderen Parteien kommen kann. Eine solche Situation ist jedoch nur als potenzieller Nebeneffekt zu sehen und nicht als finanzielle Unterstützung einer bestimmten anderen Partei einzustufen. Zum einen ist eine Wählerabwanderung nicht zwingend. Die Aussprache gegen eine Partei kann z.B. auch dazu führen, dass die Zahl der Nichtwähler*innen steigt. Weiter beruht eine Wählerabwanderung auch auf vielen anderen Faktoren und lässt sich daher nicht bloß auf die Empfehlung gemeinnütziger Vereine zurückführen. Schließlich geht es Vereinen mit ihrer Aussprache darum, ihre Satzungszwecke gegen (parteipolitische) Behinderungen und Widerstände zu behaupten und nicht um die Förderung einer bestimmten anderen Partei.