Sexismus, Rassismus und fehlendes Vertrauen in Meldestellen: GFF veröffentlicht erste qualitative Studie zu Whistleblowing in der Polizei in Deutschland
Berlin, 12. März 2025 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) veröffentlicht heute die erste Whistleblowing-Studie in Deutschland auf Basis von qualitativen Interviews. Befragt wurden 19 Polizist*innen und Mitarbeitende der Melde- und Ansprechstellen aus Schleswig-Holstein und Berlin. Die Studie zeigt, dass der häufigste Grund einer Meldung diskriminierende, sexistische und rassistische Aussagen, sowohl gegen Kolleg*innen als auch gegen Bürger*innen sind. Auch sexuelle Belästigung durch Vorgesetzte sowie Körperverletzung im Amt gehören zu den in der Studie thematisierten Fehlverhalten, die Polizist*innen als problematisch wahrgenommen haben. Gleichzeitig ergibt die Studie, dass die Angst davor, sozial ausgegrenzt zu werden sowie Unkenntnis oder mangelndes Vertrauen in Meldestellen weiterhin viele Beschäftigte von einer Meldung abhalten.
„Eine Polizei, die Fehlverhalten konsequent aufarbeitet, ist essenziell für eine funktionierende Demokratie und den Schutz der Grundrechte. Es braucht eine Fehlerkultur, in der es als selbstverständlicher Teil professioneller Polizeiarbeit gilt, Fehlverhalten zu benennen. Gibt es diese Fehlerkultur nicht, wird die Polizei zur Gefahr für eben die Grundrechte, die sie schützen sollte“, sagt Laura Kuttler, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF.
Innerhalb der Polizei haben die Befragten sexistische Sprüche, sexuelle Belästigung, rassistische Witze sowie Mobbing und körperliche Disziplinierungsmaßnahmen in bestimmten Einheiten als problematisch beschrieben. Hierbei geht es auch um strafbare Handlungen wie Volksverhetzung, Beleidigung oder Körperverletzung. Zudem berichten die Befragten von sexueller Belästigung durch Vorgesetzte und strukturellem Machtmissbrauch gegenüber Frauen in der Polizei. Gegenüber Bürger*innen nannten die Befragten vor allem eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt bei Demonstrationen und Personenkontrollen als Grund für eine Meldung.
Die qualitative Studie deckt erhebliche Mängel in den bestehenden Meldestrukturen auf. So wurden in beiden Bundesländern für die nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) einzurichtenden Meldestellen bereits bestehende Strukturen genutzt, die für den spezifischen Zweck weder personell noch fachlich ausgerüstet waren. Zudem bewerten die Befragten die Meldestellen nicht als unabhängig genug, sodass das notwendige Vertrauen für eine Meldung fehlt.
Auch eine fatale Wissenslücke konnte die Studie identifizieren: Dem Großteil der befragten Polizist*innen war die Meldestelle entweder gar nicht bekannt oder ihnen war unklar, mit welchen Belangen sie sich an sie wenden können. Insgesamt nehmen die Befragten die Meldestelle als letzte Option wahr: Erst, wenn Vorgesetzte und Personalräte ihren Problemen kein Gehör geschenkt haben, ziehen sie eine Meldung in Betracht. Doch das Vertrauen in die Meldestellen, etwas zum Besseren zu verändern, ist gering. "Obwohl sich ein Wandel hin zu einem offeneren Umgang mit Fehlern in der Polizei abzeichnet, steht dort Whistleblowing, also Kritik aus der Behörde selbst, weiterhin vor großen strukturellen und kulturellen Hürden“, sagt Prof.in Dr. Daniela Hunold.
Hunold, Soziologin und Expertin für empirische Polizeiforschung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, leitete die Studie. Sie erscheint im Rahmen des von der Alfred Landecker Foundation geförderten Projektes „Mach Meldung! Starke Stimmen für die Polizei“.
Informationen zum Projekt und die Studie im Volltext finden Sie hier: https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/mach_meldung
Die Studie finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/uploads/publications/Demokratie/Studie_HInweisgeberschutz_in_der_Praxis.pdf
Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/uploads/publications/Demokratie/Zusammenfassung_Hinweisgeberschutz_in_der_Praxis.pdf
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Maria Scharlau
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