"Wenn ich in bestimmten Milieus Informationen gewinnen möchte, benötige ich das Vertrauen von Insidern." - Gespräch mit Investigativjournalist und Kläger Arndt Ginzel
GFF: Lieber Herr Ginzel, Sie arbeiten als investigativer Journalist. Können Sie ein paar Worte zu Ihrer Arbeit sagen?
Arndt Ginzel: Ich arbeite als freier TV-Journalist für investigative Formate wie “Story im Ersten”, “Frontal21” oder “exakt”. Einer meiner Schwerpunkte ist die rechte Szene. Dort recherchierte ich zuletzt vermehrt zu Demonstrationen sogenannter Corona-Leugner. Darüber hinaus recherchiere ich häufiger im islamistischen Milieu. In all diesen Bereichen ist es fundamental wichtig, dass ich eine vertrauliche Kommunikation zu meinen Quellen sicherstellen kann.
Sie sind Teil einer Gruppe von Menschen, die gegen das Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz klagt. Was motiviert Sie, vor Gericht zu gehen?
Nach meinem Rechtsempfinden stellt es einen Einschnitt in meine Berufsausübung dar. Das Gesetz steht in der Kritik, weil es das Zeugnisverweigerungsrecht und den Quellenschutz in Frage stellt. Ausschlaggebend für die Klage ist jedoch, dass die Hürde für polizeiliche Überwachungsmaßnahmen gesenkt wurde. Um jemanden in Sachsen zu observieren, beschatten zu lassen, abzuhören oder zu orten, reicht inzwischen die Annahme, in der Zukunft könnte es zu einer gefährlichen Situation kommen. Ich denke, das ist reichlich wenig Substanz für einen so tiefgreifenden Einschnitt in die Grundrechte. Das geht mir zu weit.
Inwiefern beeinträchtigt Sie das sächsische Polizeigesetz in Ihrer Arbeit?
Für meine Arbeit bin ich unter anderem auf Kontakte in islamistische und kriminelle Milieus angewiesen. Ich benötige das Vertrauen von Insidern. Vor einigen Jahren hatte ich eine Quelle die Kontakte zu IS-Anhänger hatte, die nach Syrien ausgereist waren. Die Person lehnte das Terrorregime ab, misstraute jedoch den Strafverfolgungsbehörden und sah ihr Wissen besser bei einem Journalisten aufgehoben. Ich war über den Zugang sehr froh und konnte Informationen exklusiv publizieren. Diese Kontakte können künftig als Anhaltspunkt herangezogen werden, um mich zu überwachen.
Haben Sie in der Vergangenheit bereits negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht?
Es gehört zu meinem Berufsalltag, mit Polizei in Konflikt zu geraten. Sei es auf Demonstrationen (Hutbürger) oder bei tagesaktuellen Recherchen. Das passiert immer wieder. Vor einigen Jahren musste ich mit Kollegen sogar Polizisten als Quellen schützen. Uns lieferten damals Beamte Informationen über Missstände bei bestimmten Ermittlungen. Das damalige sächsische Innenministerium hatte ein unstillbares Bedürfnis herauszubekommen, wer unsere Quelle war. Damals konnten wir unsere Polizeiquellen schützen. Unter den Bedingungen des neuen Polizeigesetzes dürfte das nicht mehr so einfach sein.
Wie bewerten Sie den Einsatz von V-Personen durch die Polizei, der ja durch das Gesetz massiv erleichtert wird?
Mit Blick darauf habe ich ein differenziertes Bild. Mir ist bewusst, dass Ermittler in bestimmten Kriminalitätsbereichen ohne V-Männer kaum Erkenntnisse gewinnen können. Es gab immer wieder Fälle, in denen sich die Informationen von solchen Quellen als äußert wertvoll erwiesen haben. Andererseits fehlt es an klaren Regeln, wie man verhindern will, dass V-Personen unter den Augen des Staates Straftaten begehen. Unzureichend geklärt ist auch, wie polizeilichen Quellen der Ausstieg aus Milieus oder Szenen ermöglicht wird.
Was erhoffen Sie sich von der Klage?
Für mich ist unvorstellbar, dass ich aufgrund von Recherchen in bestimmten Milieus zum Beobachtungs- oder Überwachungsobjekt werde. Ich möchte nicht, dass mein Recherchematerial in die Hände von Ermittlern kommt oder Quellen nicht mehr sicher sind. Deshalb hoffe ich, dass die Klage erfolgreich ist.