“Wir sind Menschen und sollten auch so behandelt werden.” - Interview mit Kläger*innen aus der LEA Freiburg
GFF: Lieber Ba, Emmanuel und Quashie*. Wie und warum seid ihr nach Deutschland gekommen und wie geht es euch jetzt?
Emmanuel: In Ghana war ich Lehrer und politischer Aktivist. Als Oppositioneller war ich Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt. Ich musste mein ganzes Leben zurücklassen, um auf der Flucht durch die Wüste über Libyen endlich in Italien zu stranden. Zusammen mit 47 anderen Personen habe ich fünf Tage in einem Holzboot auf dem Mittelmeer verbracht. Zwischendurch hatte ich keine Hoffnung mehr. Wie viele andere bin ich hierhergekommen, um Schutz zu suchen und Teil dieser Gesellschaft zu werden. Ich verstehe nicht, wieso uns die Regierung ein Arbeitsverbot auferlegt. Wir würden gerne Deutsch lernen und eine Ausbildung anfangen, stattdessen sind wir zum Nichtstun verdammt. Dabei hätte eine Arbeitserlaubnis sowohl für die Gesellschaft als auch für uns Geflüchtete Vorteile. So wie es jetzt ist, warten wir jahrelang auf unsere Abschiebung, was viele in den Suizid treibt.
Ba: Auch ich habe auf meiner Flucht aus dem Senegal nach Europa das Mittelmeer überquert. Seit eineinhalb Jahren lebe ich in Freiburg. Deutschland stuft Senegal als sogenanntes „sicheres Herkunftsland“ ein, weshalb unsere Asylanträge wenig Aussicht auf Erfolg haben. Dabei wissen wir Senegalesen, dass der Senegal alles andere als sicher ist. Seit vielen Jahren gibt es in der Casamance-Region einen schwelenden Konflikt, immer wieder werden Menschen getötet. Alles, was wir von den Verantwortlichen wollen, ist, dass sie uns die Chance geben, in Deutschland zu leben. Gerade wir jungen Menschen wollen arbeiten und uns verwirklichen – so wie alle anderen auch.
Quashie: Als ich nach Deutschland gekommen bin, haben sie gesagt: Leute aus Ghana haben keine Chance hier, weil Ghana ein sicheres Herkunftsland sei. In den Augen der Deutschen sieht es vielleicht sicher aus, aber für uns ist es dort nicht sicher. Es ist ein komplett anderes Leben in Deutschland als erwartet, vor allem im Camp. Wir haben hier kein Mitspracherecht und keine Privatsphäre. Wir sollen uns integrieren, aber haben nicht einmal die Chance Deutsch zu lernen. Weil ich aus Ghana komme, bleibt mir die Teilnahme an Deutschkursen verwehrt.
GFF: Ihr klagt gemeinsam gegen die Hausordnung der LEA Freiburg, in der ihr lebt. Was stört euch an den Regeln?
Ba: Die Zimmer sind immer offen. Jede*r im Camp kann in dein Zimmer, ohne, dass du davon etwas mitbekommst. Es gibt zwar ein Schließsystem, aber nur die Mitarbeiter*innen haben Schlüssel zu den Zimmern. Es kommt vor, dass Sachen geklaut werden, wenn du nicht im Camp bist. Ständig kommen Mitarbeiter*innen und kontrollieren die Zimmer – momentan zwei- oder dreimal die Woche, vor Corona jeden Tag. Sie klopfen an die Tür, kommen rein und machen ihre Kontrolle. Egal ob man schläft oder in Ruhe gelassen werden will. Wir werden hier kontrolliert als seien wir Verbrecher oder Kleinkinder.
Emmanuel: Ich finde auch, dass wir in der Lage sein müssen, unsere Zimmer abzuschließen. Während ich jetzt spreche, kann jede*r mein Zimmer betreten. Ich weiß nicht, was gerade in meinem Zimmer geschieht. Das ist ein massiver Eingriff in meine Privatsphäre. Und wir dürfen keinen Besuch empfangen. Alle sprechen von Integration, aber warum verbieten sie uns dann die Besuche? Wie können wir uns integrieren, ohne einen Freund zu haben? Ein Geflüchteter zu sein, macht dich nicht zu einem Gefangenen. Ein Geflüchteter zu sein, macht dich nicht zum Verbrecher. Wir sind gleichermaßen menschlich und sollten auch so behandelt werden.
Quaschie: Es gibt immer Eingangskontrollen. Wenn du Taschen dabeihast, werden die durchsucht. Alle Dinge, von denen sie sagen, dass sie nicht erlaubt sind, werden dir abgenommen. Das reicht von Kochtöpfen über einfache Messer bis hin zu Alkohol. Auch vieles Essen ist nicht erlaubt. Es gibt ein paar freundliche Securitys. Aber andere sind wirklich, – ich weiß nicht welches Wort ich verwenden soll – wirklich hart. Letztens habe ich Erdnussbutter gekauft und sie haben mir verboten, sie mit ins Camp zu nehmen mit der Begründung, dass Glas verboten sei. Es war einfache Erdnussbutter, die man auf Brot schmiert. Solche Sachen, die machen einen verrückt.
GFF: Das Land Baden-Württemberg sagt, dass die Regeln Konflikte zwischen euch Bewohner*innen vermeiden sollen, weil die oft religiöse und kulturelle Hintergründe haben. Was haltet ihr von diesem Argument?
Ba: Ich kann das nicht nachvollziehen. In den kommunalen Geflüchteten-Unterkünften gibt es nur ein oder zwei Security-Mitarbeiter*innen für das ganze Wohnheim. In kommunalen Heimen können die Menschen in Ruhe leben. Sie dürfen selber kochen, arbeiten oder eine Ausbildung machen. Hier haben wir 50 Securitys und es gibt andauernd Konflikte. Im Prinzip werden wir eingesperrt. Wer eingesperrt ist, wird langsam verrückt. Deshalb stellen sie auch so viel Sicherheitspersonal ein. In den anderen Unterkünften gibt es trotz wenig Sicherheitspersonal kaum Probleme.
Quashie: Wir haben vielleicht verschiedene Perspektiven auf das Leben und die Religionen, aber das kann ja helfen. Mehr als die derzeitigen Regeln, die alles präventiv regeln wollen.
Emmanuel: Wir sind keine Kriminellen. Wir sind Geflüchtete. Wir fühlen uns in unseren Ländern unsicher und deshalb sind wir hier. Aber die Regeln, die hier für das Camp gelten, haben alle unsere Rechte ausgesetzt.
GFF: Welche Hoffnungen verbindet ihr mit dem Gerichtsverfahren?
Ba: Wir sind teilweise schon seit Jahren hier. Wir wollen wie normale Menschen behandelt werden, Besuch empfangen und Essen kochen dürfen.
Emmanuel: Wir wollen erwirken, dass Regeln, die unsere Rechte einschränken, vorher geprüft werden. Deshalb klagen wir gegen diese Hausordnung. Regeln werden für Menschen gemacht, nicht umgekehrt.
Quashie: Auch wenn es uns nicht hilft, vielleicht wird die Klage dann anderen Menschen in der Zukunft helfen.
* Auf Wunsch der Kläger veröffentlichen wir nur ihre Vornamen.