Erfolg für den Grundrechtsschutz im öffentlichen Raum: Die Videoüberwachung im Passauer Klostergarten ist rechtswidrig
Berlin/München, 06. Juni 2023 – Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat seine Entscheidung veröffentlicht und die langjährige Videoüberwachung des Passauer Klostergartens für rechtswidrig erklärt. Er gab damit der Berufung des Passauer Klägers Josef Ilsanker recht, dessen Verfahren von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützt wird. Das Gericht folgt der Argumentation der GFF: Zu keinem Zeitpunkt bestand eine Gefährdungslage im Passauer Klostergarten die, eine Videoüberwachung und die damit verbundenen Einschränkungen von Grundrechten rechtfertigt.
„Das Urteil ist ein großartiger Erfolg gegen Überwachung und für die Grundrechte. Die Stadt Passau muss jetzt endlich die zehn im Klostergarten installierten Kameras abbauen und aufhören, die Menschen dort zu überwachen“, betont Lea Beckmann, Rechtsanwältin und Fallkoordinatorin der GFF.
Die Stadt Passau begann 2018 den belebten Platz im Stadtzentrum zu überwachen. Die Polizei hatte den Platz nicht überwachen können, weil die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht vorlagen: Der Klostergarten war und ist kein Kriminalitätsbrennpunkt. Die Deliktszahlen waren zum Zeitpunkt der Einrichtung der dauerhaften Überwachungsmaßnahme sogar rückläufig. Die Stadt Passau entschied deshalb kurzerhand, die Überwachungsmaßnahmen selbst durchzuführen. Sie tat das auf einer Rechtsgrundlage im Datenschutzgesetz, die sie zur Sicherung ihres Eigentums ermächtigt, und nicht primär zur Gefahrenabwehr. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellte klar, dass der Rückgriff auf diese Rechtsgrundlage an der grundrechtlichen Abwägung nichts ändert - und eine Überwachung deshalb rechtswidrig ist.
Der Platz wird täglich von Hunderten Menschen genutzt, zum Beispiel von Studierenden der nahegelegenen Universität und den Besucher*innen der Innenstadt. Die angebrachten Kameras, darunter zwei mit Schwenk- und Zoomfunktion, griffen tief in die Grundrechte der Menschen vor Ort ein und hemmten den Austausch an dem öffentlichen Platz.
„Die Stadt Passau hat mit Kanonen auf Spatzen geschossen – das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jetzt bestätigt“, freut sich Kläger Josef Ilsanker. „Wir sind froh, den Platz jetzt wieder nutzen zu können, ohne anlasslos und willkürlich gefilmt zu werden.“
Ilsanker hatte mit der GFF 2019 Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg erhoben. Die Berufung gegen die Entscheidung des Gerichts von 2020, die Klage als unzulässig abzuweisen, hatte nun Erfolg. Damit traf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die wichtige Feststellung: Die DSGVO verkürzt nicht etwa anerkannte Klagemöglichkeiten gegen Grundrechtsverletzungen, wie fälschlicherweise vom Verwaltungsgericht Regensburg angenommen.
Aus Sicht der GFF ist die Entscheidung ein wichtiges Signal in Zeiten, in denen die Möglichkeiten zur Videoüberwachung in Polizei- und Versammlungsgesetzen immer mehr ausgeweitet werden. Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist und bleibt ein intensiver Eingriff in Grundrechte, der nur unter sehr engen Bedingungen zulässig ist.
Eine Revision gegen das Urteil ist ausgeschlossen. Die Stadt Passau hat jedoch die Möglichkeit, eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht einzureichen.
Weitere Informationen zur Klage gegen die Videoüberwachung in Passau finden Sie hier: https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/passau
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