Schmerzgriffe: Polizei darf friedlich Demonstrierende nicht einschüchtern
Gemeinsam mit einem Klima-Aktivisten klagen wir gegen den polizeilichen Einsatz von Schmerzgriffen. Wir wollen rechtswidrige Polizeigewalt gegen friedlich Demonstrierende stoppen und so die Versammlungsfreiheit verteidigen.
Unser Kläger ist ein Aktivist der „Letzten Generation“ und setzt sich für eine wirksame Klimapolitik ein. Bei einer Demonstration der Protestgruppe nahm er an einer friedlichen Straßenblockade teil. Nachdem die Polizei die Versammlung weg von der Straße auf den Gehweg beschränkte, wurde er von der Polizei weggetragen. Die Polizist*innen setzten dabei gegen unseren Kläger Schmerzgriffe ein und fügte ihm erhebliche Schmerzen zu, obwohl er sich vollständig friedlich und passiv verhielt.
Schmerzgriffe sind nur im absoluten Ausnahmefall erlaubt
Schmerzgriffe sind Techniken aus dem Kampfsport, die durch körperliche Einwirkung auf schmerzempfindliche Stellen des Körpers oder einer Hebelwirkung Schmerzen verursachen. Die Polizei will so erreichen, dass Demonstrierende ihren Aufforderungen nachkommen, ohne dass sie sie wegtragen müssen. Doch Schmerzgriffe dürfen nur im absoluten Ausnahmefall eingesetzt werden, wenn kein grundrechtsschonenderes Mittel zur Verfügung steht. Im Regelfall kann – und muss – die Polizei Demonstrierende wegtragen, ohne ihnen Schmerzen zuzufügen. Die Polizei darf Demonstrierende nicht aus Bequemlichkeit quälen, um damit körperliche Anstrengungen zu vermeiden oder Demonstrierende von zukünftigen Protesten abzuschrecken. Auch für unseren Kläger war und ist dieser Vorfall traumatisierend. Durch die Verhandlung wird das erlebte nochmal präsenter: „Mich mit diesem Tag beschäftigen zu müssen, holt die Angst gegenüber der Polizei und den emotionalen Schmerz des ausgeliefert seins wieder hoch. Am liebsten würde ich dieses Verfahren gar nicht führen, aber ich weiß, irgendwer muss diesen Taktiken ein Ende setzen“, sagt Kläger Jonas Ertle.
Der Staat muss die Versammlungsfreiheit schützen
Das gezielte und unnötige Zufügen von Schmerzen bei der Auflösung von Demonstrationen ist ein schwerer staatlicher Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Dabei kann im Einzelfall auch das menschenrechtliche Folterverbot aus Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt sein. Zudem ist die Versammlungsfreiheit gefährdet. Denn wenn Menschen bei friedlichen Protesten mit extremer körperlicher Gewalt durch Polizeibeamt*innen rechnen müssen, entfaltet das eine erhebliche Einschüchterungswirkung.
Es ist die Aufgabe des Staates, Bürger*innen bei friedlichem Protest zu schützen. Wenn Menschen mit Gewalt rechnen müssen, wenn sie sich friedlich engagieren, werden sie nachhaltig davon abgeschreckt, gemeinsam in der Öffentlichkeit Kritik an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu äußern. Seit einiger Zeit setzt die Polizei verstärkt Schmerzgriffe gegen Demonstrierende ein. Besonders schwere Fälle von Polizeigewalt sind bei der Auflösung von Sitzblockaden bei Klimademonstrationen, aber auch vermehrt bei pro-palästinensischen Demonstrationen dokumentiert.
Während die Klimakatastrophe eskaliert, kommt von der Politik nicht viel außer gut gemeinter Worte. Deshalb ist es fundamental wichtig, dass eine starke Zivilgesellschaft friedlich gegen diese Tatenlosigkeit protestieren darf – und zwar ohne befürchten zu müssen, dass die Polizei ihre Stimme mit Gewalt unterdrückt.
Einsatz von Schmerzgriffen muss gerichtlich begrenzt werden
Egal wie brutal – die Polizeibehörden und Polizeigewerkschaften haben bislang jeden exzessiven Einsatz von Schmerzgriffen als rechtmäßig verteidigt. Deshalb braucht es eine gerichtliche Entscheidung, die eindeutig klarstellt: Beamt*innen müssen das staatliche Gewaltmonopol schonend und verhältnismäßig ausüben. Mit unserer Klage wollen wir erreichen, dass das Verwaltungsgericht Ansbach dem Einsatz von Schmerzgriffen bei der Auflösung von Demonstrationen rechtsstaatliche Grenzen setzt. Eine dahingehende gerichtliche Entscheidung würde die Praxis der Schmerzgriffe bei friedlichen Versammlungen unmittelbar beeinflussen. So tragen wir zum Schutz der Demonstrierenden und der Versammlungsfreiheit bei.
Bereits im Juni 2023 hatten wir eine erste Klage gegen Schmerzgriffe erhoben. Daneben haben wir Verfassungsbeschwerde gegen das Versammlungsgesetz NRW eingereicht, das sich ausdrücklich gegen die Klimabewegung richtet.
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Freedom needs fighters
Gemeinsam für die Grundrechte vor Gericht!