Gläserne Geflüchtete
E-Mails, Telefonate und Nachrichten müssen vertraulich sein – für alle. Wenn Behörden die Handys von Schutzsuchenden uneingeschränkt durchleuchten, verletzt das die Privatsphäre. Wir gehen gegen die staatliche Ausforschung vor Gericht.
Weitreichende Befugnisse für Behörden
Das Aufenthaltsgesetz erlaubt den Ausländerbehörden uneingeschränkten Zugriff auf sämtliche Datenträger von geduldeten Personen, um die Identität und Staatsangehörigkeit festzustellen und dadurch eine Abschiebung zu ermöglichen. Meist betrifft das Handys. Dabei unterscheiden die Behörden nicht, wie sensibel oder relevant die Informationen auf dem Gerät sind. Selbst gelöschte Daten können wiederhergestellt werden. Für Menschen, die ihre Heimat verlassen, ist das Handy oft die einzige Möglichkeit, um mit Familie und Freund*innen Kontakt zu halten und Reiseinformationen zu bekommen (zur Bedeutung von Smartphones auf der Flucht).
Die auf Handys gespeicherte Datenmenge macht es möglich, von Menschen ein umfassendes Persönlichkeits- und Verhaltensprofil zu erstellen. Betroffene können sich gegen die Auswertung ihrer privaten Nachrichten nicht wehren, und es fehlt eine unabhängige Kontrolle des behördlichen Vorgehens. Die Behörden greifen tief in die Privatsphäre ein, gestützt auf eine viel zu unbestimmte und weit gefasste gesetzliche Grundlage.
Migrationspolitik auf Kosten der Grundrechte
Im Februar 2024 ist das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ in Kraft getreten, um Abschiebungen zu erleichtern. Das Gesetz weitet die bereits zuvor umstrittene Regelung im Aufenthaltsgesetz aus. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Ausländerbehörden erhalten erweiterten Zugriff auf die Daten Schutzsuchender.
Der Gesetzgeber unterläuft damit auch ein von uns erwirktes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Im Februar 2023 erklärte das Gericht nach einer Sprungrevision die damalige BAMF-Praxis für rechtswidrig. Das Gericht stellte klar: Handydaten dürfen nicht routinemäßig untersucht werden, das Auslesen und Auswerten ist nur rechtmäßig, wenn es keine milderen Mittel zur Identitätsfeststellung gibt. Die neuen Gesetzesänderungen erlauben es dem BAMF sowie den Ausländerbehörden jedoch weiterhin, Datenträger umfassend und ohne Voraussetzung auszulesen und auf Vorrat zu speichern. Erst bei der Auswertung wird den Behörden auferlegt, die Daten nur dann auszuwerten, wenn andere Mittel zur Identitätsfeststellung versagen. Die Daten auf Vorrat zu speichern, ist bereits ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre. Wir haben dazu im Gesetzgebungsprozess umfassend Stellung genommen.
Mit Blick auf die ausgeweitete Regelung brauchen wir dringend eine gerichtliche Überprüfung und Klarstellung, dass das Aufenthaltsgesetz an dieser Stelle verfassungswidrig ist.
Grundrechte gelten für alle Menschen in Deutschland
Allen Menschen in Deutschland steht der Schutz ihrer Grundrechte zu. Migrationspolitische Ziele ändern daran nichts. Wir setzen uns sowohl gegen die ausufernde Handydatenauswertung als auch gegen die systematisch rechtsverletzende Abschiebepraxis ein. Dafür gehen wir für den Schutz der Wohnung vor Gericht, um rechtswidrige Zimmerdurchsuchungen bei Abschiebung zu verhindern.