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Revision zum Bundesarbeitsgericht erfolgreich – ZDF muss auch arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten Auskünfte nach dem Entgelttransparenzgesetz gewähren – Klägerin wird von Berlin nach Mainz zwangsversetzt

Berlin, 25. Juni 2020 – Nachdem das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr die Klage einer ZDF-Redakteurin auf Gleichbezahlung abgewiesen und die Revision nur in Teilen zugelassen hatte, entschied das Bundesarbeitsgericht heute, dass auch fest-freie Redakteur*innen einen Anspruch auf Auskünfte nach dem Entgelttransparenzgesetz haben. Der Beschäftigtenbegriff sei im Lichte des Europarechts weit auszulegen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte begleitet die Klage seit 2016 und begrüßt es, dass das Bundesarbeitsgericht dem Europarecht zur Durchsetzung verhilft.

„Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass sich das ZDF nicht einfach der Lohntransparenz entziehen kann, indem es tausende arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter*innen beschäftigt“, sagt Prof. Dr. Nora Markard, Vorstandsmitglied bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). „Das Europarecht kennt die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitnehmerähnlichen nicht“.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Mit dieser Entscheidung ist die Klägerin ihrem Ziel – gleicher Lohn wie die männlichen Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit – jedoch noch nicht nähergekommen. Selbst wenn der herausgegebene Median der männlichen Vergleichsgehälter höher ist, bleibt dies für das ZDF erst einmal ohne Konsequenzen. Das Entgelttransparenzgesetz sieht keinerlei Sanktionen für Arbeitgeber vor. Auch deutschen Gerichten reicht ein höherer Median bislang nicht als Indiz für Diskriminierung.

Dieser Fall bestätigt außerdem: Frauen, die für ihr Grundrecht auf gleiche Bezahlung kämpfen, zahlen am Ende einen hohen persönlichen Preis. Nach 13 Jahren soll die preisgekrönte Klägerin die Berliner Frontal21-Redaktion verlassen. Sie wird ab Juli der Mainzer Abteilung Info, Gesellschaft und Leben zugeordnet. Ihre Position bei Frontal21 wurde mit einem männlichen Redakteur besetzt.

„Man kann es nicht anders deuten: Das ZDF quittiert den langjährigen Rechtsstreit mit einer Zwangsversetzung – da kann das Haus noch so viele formale Gründe vorschieben. Das ist Schikane“, sagt Markard. Bereits nach Einreichen der Klage setzte das ZDF die Journalistin unter Druck. So wies der Sender sie darauf hin, dass langjährige Arbeitsrechtstreitigkeiten häufig zu wechselseitigen Belastungen des Beschäftigungsverhältnisses führen können. Der Anwalt des ZDF legte der Klägerin in der ersten Verhandlung 2016 nahe, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Maßregelungen dieser Art sind verboten.

Zum Hintergrund:

Die ZDF-Redakteurin verklagte 2015 das ZDF, nachdem sie herausfand, dass sie schlechter bezahlt wird als ihre männlichen Kollegen – darunter auch alle Männer, die wie die preisgekrönte Redakteurin als fest-freie Mitarbeiter im sogenannten „Tarifvertrag 2. Kreis“ beschäftigt sind. Faktoren wie Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit oder Ausbildung können diese Unterschiede nicht erklären.

Das ZDF hat nicht bestritten, dass bei Klageeinreichung nahezu alle männlichen Frontal21-Redakteure mehr verdienten als die Klägerin. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hielt die Gehaltsunterschiede jedoch für unerheblich, solange die Klägerin nicht darlegen könne, dass die Ungleichbehandlung an ihrem Geschlecht liege. Gegen die Abweisung ihrer Klage auf gleiche Bezahlung hat die Klägerin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Denn nach dem Europarecht gilt die sogenannte Beweislastumkehr: Gibt es Gehaltsunterschiede, muss der Arbeitgeber darlegen, welche sachlichen Gründe dafür bestehen. Andernfalls kann unterstellt werden, dass die Ungleichbehandlung geschlechtsbedingt erfolgte.

Weitere Informationen zum Fall finden Sie hier.

Fragen und Antworten zur Equal Pay-Klage finden Sie hier.

Bei An- und Rückfragen wenden Sie sich an:
Nina Tesenfitz, , 0170 5763 663
Nora Markard,

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