Geplante Ausgangssperre ist unverhältnismäßig – GFF prüft Antrag zum Bundesverfassungsgericht
Berlin, 20. April 2021 – Das sogenannte Corona-Notbremsegesetz, das der Bundestag am 21. April 2021 beschließen soll, ist hinsichtlich der geplanten Ausgangssperre verfassungsrechtlich unzulässig. Das ist das Fazit eines Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Anna Katharina Mangold (Universität Flensburg) im Auftrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Für den Fall, dass die geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz (IfSG) unverändert beschlossen werden, bereitet die GFF den Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor. Das Ziel: Verfassungswidrige Ausgangssperren zu stoppen.
In dem Gutachten heißt es zusammenfassend: „Die Ausgangssperre des § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG genügt nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und ist unverhältnismäßig, weil sie insbesondere nicht auf einem schlüssigen Gesamtkonzept beruht. Sie verletzt in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das Ehe- und das Familiengrundrecht, die Berufsfreiheit, das Eigentumsgrundrecht, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit.“
Die GFF kritisiert insbesondere die fehlende Ausgewogenheit der Belastungen in der Pandemie: Seit einem Jahr verhängen Bund und Länder massive Grundrechtseingriffe im Privaten, aber kaum effektive Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen in der Arbeitswelt. „Natürlich ist die Bekämpfung der Pandemie auch aus der Perspektive der Freiheitsrechte ein hohes Gut – aber der Staat muss die notwendigen Belastungen in verfassungsrechtlich überzeugender Weise fair verteilen“, sagt Dr. Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF. „Die geplante Ausgangssperre zur Pandemiebekämpfung ist nicht fair, sie ist nicht erforderlich und sie ist unangemessen.“
„Ausgangsperren sind ein so umfassender und intensiver Eingriff in eine Vielzahl von Grundrechten, dass sie überhaupt nur als ultima ratio, also als letztes Mittel, in Betracht kommen“, sagt Prof. Dr. Mangold. „Ausgangssperren sind nicht angemessen, wenn die Systematik der Inzidenzwerte dazu führt, dass schon nach wenigen Tagen ohne Lockdown die Inzidenz-Schwelle wieder überschritten wird. Es droht ein unendlicher Jojo-Lockdown.“ Es sei Sache des Staates, Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu rechtfertigen. Dieses Prinzip werde mit einer Ausgangssperre umgedreht. Die Einzelnen müssten sich für die Ausübung ihrer Grundrechte rechtfertigen.
Die GFF wird in den kommenden Tagen die Entscheidungen des Bundestags und des Bundesrats beobachten und bereitet für den Fall einer verfassungsrechtlich unzulässigen Ausgangssperre rechtliche Schritte vor.
Das Rechtsgutachten „Grundrechtliche Bewertung einer Ausgangssperre zur Pandemiebekämpfung“ finden Sie zum Download hier.
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