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Wohnungsdurchsuchung wegen eines Links: Bundesverfassungsgericht stoppt massiven Angriff auf Rundfunkfreiheit

Berlin, 19. November 2025 – Die Wohnungsdurchsuchung bei Radio Dreyeckland-Redakteur Fabian Kienert verstieß gegen die Rundfunkfreiheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 3. November auf eine Verfassungsbeschwerde entschieden, die der Journalist zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Rechtsanwältin Angela Furmaniak 2023 erhoben hatte. Die Entscheidung stärkt den Schutz von Rundfunkredaktionen vor dem Zugriff von Polizei und Staatsanwaltschaft.

„Karlsruhe findet klare Worte: Durchsuchungen in Redaktionsräumen und Wohnräumen von Journalist*innen gefährden das Redaktionsgeheimnis und den Quellenschutz. Ein so schwerer Eingriff in die Pressefreiheit kann nicht auf vage Vermutungen gestützt werden“, betont David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator der GFF. „Das Bundesverfassungsgericht gibt der Staatsanwaltschaft, dem Amtsgericht Karlsruhe und dem Oberlandesgericht Stuttgart hier dringend nötige Nachhilfe in Grundrechten.“

Die Polizei hatte im Januar 2023 die Wohnung des Journalisten, die Wohnung des Geschäftsführers und die Redaktion von Radio Dreyeckland durchsucht und mehrere Laptops und Speichermedien beschlagnahmt. Sie stützte diese Maßnahmen auf einen Artikel des Senders über das Verbot von linksunten.indymedia. Der Bericht verlinkte auf die Archivseite der Internetplattform, die das Bundesinnenministerium 2017 verboten hatte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte in dem Artikel und dem Link die strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung gesehen. Der vom Amtsgericht Karlsruhe erlassene Durchsuchungsbeschluss wurde vom Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war jetzt erfolgreich.

Das Bundesverfassungsgericht stellt in der Entscheidung klar, dass auch die Durchsuchung einer Privatwohnung schwer in die Rundfunkfreiheit eingreift, wenn dort Redaktionsmaterial aufbewahrt wird. Im konkreten Fall fehlte ein tragfähiger Anfangsverdacht. So stand in Frage, ob die bereits 2017 verbotene Vereinigung linksunten.indymedia zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels überhaupt noch existierte. Die nur „vagen Anhaltspunkte“ im Durchsuchungsbeschluss ließ das Bundesverfassungsgericht für die Durchsuchung nicht ausreichen. Auf die Frage, ob die Verlinkung der Archivseite überhaupt eine verbotene Unterstützungshandlung sein konnte, musste das Gericht nicht mehr eingehen.

„Wegen des Setzens eines Links wurden meine Privatsphäre und das Redaktionsgeheimnis mit Füßen getreten. Ich hoffe, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu beiträgt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft weniger leichtfertig mit Grundrechten umgehen“, sagt Fabian Kienert, beschwerdeführender Redakteur bei Radio Dreyeckland.

„Das Bundesverfassungsgericht stellt in erfreulicher Deutlichkeit klar, dass die Strafverfolgungsbehörden auch dann die Rundfunk- und Pressefreiheit beachten müssen, wenn sie gegen eine* Journalist*in ein Strafverfahren führen“, erklärt die Strafverteidigerin von Fabian Kienert, Rechtsanwältin Angela Furmaniak. „Ich bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht damit eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart korrigiert, die gleich in mehreren Punkten ein verfassungsrechtlich unzureichendes Verständnis der Strafprozessordnung offenbarte.“

Die Entscheidung setzt den Schlusspunkt unter eine lange rechtliche Auseinandersetzung. Zuvor hatte das Landgericht Karlsruhe im Juni 2024 Fabian Kienert vom Vorwurf der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung freigesprochen. Ein erneutes Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Betreiber*innen der Archivseite war im Mai 2025 eingestellt worden.

Die Verfassungsbeschwerde der GFF mit Fabian Kienert reiht sich ein in mehrere Verfahren, mit denen die Organisation derzeit für einen besseren Schutz der Pressefreiheit in Deutschland kämpft. Zuletzt hat die GFF zusammen mit dem Investigativ-Journalisten Carsten Janz Verfassungsbeschwerde gegen ein Strafurteil erhoben. Der Journalist hatte in einem investigativen Bericht wörtlich aus einem Durchsuchungsbeschluss zitiert. Die GFF will erreichen, dass Journalist*innen ohne Furcht vor unzulässiger Strafverfolgung ihre für eine freie Presse und eine stabile Demokratie wichtige Arbeit machen können.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts finden Sie hier.

Weitere Informationen zur Verfassungsbeschwerde gegen Radio Dreyeckland finden Sie hier.

Grundrechte verteidigen.