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GFF-Stellungnahme: Verfassungsrechtlich bedenkliche Vorschriften im Polizeigesetz-Entwurf von Baden-Württemberg

Berlin, 12. Mai 2020 – Einige der im Entwurf für ein neues Polizeigesetz in Baden-Württemberg vorgesehenen Regelungen sind nach Einschätzung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) verfassungsrechtlich bedenklich. In einer Stellungnahme an die Landesregierung nennt sie anlasslose Kontrollen bei Veranstaltungen, heimliche Überwachungsmaßnahmen im Vorfeld einer Gefahr und Bodycam-Einsätze in Wohnungen.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die Polizei auf Veranstaltungen Personen ohne Anlass kontrollieren und durchsuchen kann. Die entsprechende Vorschrift ist so unbestimmt, dass sie zu wahllosen Grundrechtseingriffen führen könnte – ohne dass die Betroffenen irgendetwas getan haben müssen, was eine Identitätsfeststellung oder Durchsuchung erforderlich machen könnte. „Vermiest man Menschen auf diese Weise einen unbeschwerten Veranstaltungsbesuch, bedarf es dafür sehr guter Gründe“, sagt Bijan Moini, Syndikus der GFF und Ko-Autor der Stellungnahme. „Dass solche Gründe bestehen, stellt der Gesetzentwurf bislang nicht sicher.“

Zudem soll die baden-württembergische Polizei Menschen, die möglicherweise eine Straftat begehen könnten, künftig schneller und einfacher überwachen dürfen. Erforderlich wäre dafür nur, dass aus Sicht der Polizei eine „Straftat mit erheblicher Bedeutung“ droht. Das würde die Voraussetzungen für heimliche Überwachungsmaßnahmen deutlich absenken. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings klargestellt, dass die Polizei nur dann auf einen vagen Verdacht hin überwachen darf, wenn ein Terroranschlag droht, wenn Leib, Leben, Freiheit der Person, Güter der Allgemeinheit oder der Staat selbst gefährdet sind. „Jemanden mit Geheimdienstmethoden zu überwachen, der vielleicht mal einen Meineid begehen könnte, geht deutlich zu weit“, sagt Moini.

Darüber hinaus empfiehlt die GFF, den Einsatz von Bodycams nicht wie vorgesehen auf Wohnungen auszuweiten. „Menschen und ihre Lebensverhältnisse auf Video aufzunehmen, greift tief in das Persönlichkeitsrecht ein“, erklärt Christian Ollig, ehrenamtlicher Mitarbeiter der GFF und der Ko-Autor der Stellungnahme. „Solange die Wirksamkeit von Bodycams fraglich ist, halten wir ihren Einsatz in Wohnungen deshalb für unverhältnismäßig.“

Die baden-württembergische Landesregierung hatte sich auf den Entwurf des neuen Polizeigesetzes Anfang März 2020 nach langen Diskussionen geeinigt. Wann es im Landtag diskutiert und verabschiedet werden soll, ist der GFF nicht bekannt.

Die Stellungnahme sowie weitere Informationen über die Arbeit der GFF zu den Polizeigesetz-Novellen auf Bundes- und Länderebene finden Sie hier.

Weitere Informationen über die GFF finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Daniela Turß, ,
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0175/610 2896

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