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Keine Rückschlüsse aus Online-Dating auf Führungsqualitäten: GFF unterstützt Bundeswehroffizierin bei ihrer Verfassungsbeschwerde für ein selbstbestimmtes Liebesleben

Berlin, 19. September 2022 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützt die Bundeswehr-Offizierin Anastasia Biefang auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Biefang wendet sich gegen einen disziplinarrechtlichen Verweis, mit dem die Bundeswehr sie wegen der Selbstbeschreibung auf ihrem Dating-Profil gerügt hatte. Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hatte diese Rüge im Mai bestätigt und jetzt begründet: Biefang dürfe Dating-Plattformen zwar verwenden, so das BVerwG. Dabei müsse sie aber „missverständliche Überspitzungen“ und den Eindruck „sexueller Disziplinlosigkeit“ vermeiden. Flüchtig lesende Untergebene könnten sonst Zweifel an ihrer Führungsstärke entwickeln. Damit macht das BVerwG Irrtümer und Vorurteile eines ausgedachten Untergebenen zum Maßstab für die Freiheitsausübung. Gegen dieses Urteil will die GFF nun gemeinsam mit Anastasia Biefang vorgehen und wirbt dafür um finanzielle Unterstützung.

„Eine Offizierin sucht mit klaren Worten auf Tinder Sex – die Richter sehen dadurch ihre Achtung und dienstliche Autorität bei ihren Untergebenen als gefährdet an. Damit lässt das Bundesverwaltungsgericht die Sexualmoral der 50er Jahre aufleben und stärkt im Ergebnis Vorurteile gegen Frauen und queere Menschen. Diese Entscheidung verletzt Grundrechte und darf so keinen Bestand haben.“ sagt Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.

„Die Richter befürchten, dass unbeteiligte, gedankenlose Dritte ein hemmungsloses Sexualleben bei Frau Biefang vermuten könnten. Ihre Freiheit von den Mutmaßungen imaginärer Dritter abhängig zu machen, verkehrt den Schutz von Grundrechten ins Gegenteil.“

Zur Finanzierung des Verfahrens ruft die GFF zu Spenden auf: Um diese rechts- und gesellschaftspolitisch wichtige Verfassungsbeschwerde zu betreuen, werden rund 15.000 Euro benötigt.

Die GFF bewertet den Verweis der Bundeswehr und die Entscheidung des BVerwG als klar verfassungswidrig. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt auch für Staatsbedienstete und darf nur dann eingeschränkt werden, wenn Personen zu Schaden kommen könnten. Eine Gefährdung von Menschen ist weder erkennbar noch wurde sie vorgebracht.

Die Meinungsfreiheit verbietet es staatlichen Stellen außerdem, Äußerungen zu verzerren oder in nachteiliger Weise zu interpretieren. Sie dürfen Beamt*innen keine Vorschriften dazu machen, mit welchen Worten sie in ihrem Privatleben sexuelle Orientierung und Beziehungsform leben und ihre Haltung hierzu ausdrücken. Auch Menschen in hohen Positionen müssen nicht hinnehmen, dass ihr Dienstherr höchstpersönliche Angaben zur eigenen Geschlechtsidentität und Sexualität disziplinarrechtlich bestraft und von diesen auf die Eignung für den jeweiligen Beruf schließt. Vielmehr trifft den staatlichen Arbeitgeber eine Fürsorge- und Schutzpflicht für Bedienstete, die auch für die Grundrechte gilt.

Es ist Zeit für ein Grundsatzurteil aus Karlsruhe, damit das Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität fortentwickelt und ausgestaltet wird. Die GFF rechnet mit Kosten in Höhe von 15.000 Euro, um eine gut argumentierte Verfassungsbeschwerde auf den Weg zu bringen. Hierfür wirbt sie um finanzielle Unterstützung.

Weitere Infos finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/ue...

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 01579/2493108

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