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Pressefreiheit gefährdet: GFF unterstützt FragDenStaat-Chefredakteur Arne Semsrott am 16. und 18. Oktober vor Gericht 

  • Termin: 16. und 18. Oktober 2024, Verhandlungsbeginn jeweils 9.30 Uhr
  • Ort: Landgericht Berlin I – Raum 820, 3. Etage, Turmstraße 91, 10559 Berlin
  • Was: Hauptverhandlung gegen Arne Semsrott
  • Wer: Arne Semsrott, Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Rechtsanwält*innen Hannah Vos (FragDenStaat) und Jurist Benjamin Lück (Gesellschaft für Freiheitsrechte) stehen vor Ort für Interviews zur Verfügung

Berlin, 10. Oktober 2024 - Weil er Gerichtsbeschlüsse zu Durchsuchungen bei Mitgliedern der „Letzten Generation“ veröffentlichte, muss sich Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, am 16. Oktober vor dem Berliner Landgericht I verantworten. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt ihn bei dem Verfahren.

Mit seinen Veröffentlichungen hat Arne Semsrott möglicherweise gegen Paragraph 353d Nr. 3 des Strafgesetzbuchs verstoßen. Der Paragraph verbietet es, wörtlich aus amtlichen Dokumenten von laufenden Strafverfahren zu zitieren. Semsrott ist das Risiko der Anklage bewusst eingegangen, um zu zeigen, dass der Paragraph verfassungswidrig ist, die Pressefreiheit einschränkt und deswegen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden muss. Semsrott droht bei Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

„Absolute Veröffentlichungsverbote, wie das in § 353d, verstoßen gegen die Pressefreiheit. Selbst einzelne Zitate aus Strafakten können in einem Strafverfahren gegen die Journalist*innen enden. Das atmet den Geist von vorgestern“, kritisiert Benjamin Lück, Jurist bei der GFF.

Mit der Strafnorm soll eigentlich dafür gesorgt werden, dass Verfahrensbeteiligte wie Zeug*innen unbefangen bleiben und Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Doch: Mit dem Veröffentlichungsverbot schränkt der Gesetzgeber pauschal die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit ein, ohne dass Gerichte feststellen müssten, ob im Einzelfall überhaupt eine Beeinträchtigung der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten droht oder sie die Persönlichkeitsrechte gegen das öffentliche Interesse an der Berichterstattung abwägen könnten. Damit hält der Paragraph Medien immer wieder davon ab, aus laufenden Strafverfahren zu berichten und behindert so die öffentliche Meinungsbildung. Im konkreten Fall veröffentlichte Semsrott am 23. August 2023 im Rahmen seiner Berichterstattung drei Beschlüsse zu Durchsuchungen und Abhören eines Pressetelefons im Zusammenhang mit der „Letzten Generation“ auf FragDenStaat.de.

„Paragraph 353d ist verfassungswidrig. Das Veröffentlichungsverbot schränkt die freie Presse ein. Es kann nicht rechtens sein, dass Journalist*innen, die faktenbasiert arbeiten, dafür strafrechtlich verfolgt werden. Schon seit vielen Jahren setzen sich Presseverbände für die Abschaffung des Paragraphen ein. Wenn die Politik nicht handelt, muss notfalls das Bundesverfassungsgericht ran“, kommentiert der Angeklagte, Arne Semsrott.

Wenn Sie planen vor Ort zu sein, melden Sie sich bitte vorab kurz bei uns. Gegebenenfalls wird sich der Raum nochmals kurzfristig ändern.

Gemeinsame Pressemitteilung, wir bitten Doppelsendungen zu entschuldigen

Weitere Informationen zum Strafverfahren gegen Arne Semsrott und zur Unterstützung durch die GFF finden Sie hier: https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/strafnorm_353d_pressefreiheit

"Warum die Ver­öf­f­ent­li­chung von Gerichts­do­ku­menten nicht bestraft werden sollte": LTO/ Benjamin Lück
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/353d-stgb-reform-noetig-bgh-urteil-zitieren-urteil-presse/

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:

Gesellschaft für Freiheitsrechte
Janina Zillekens-McFadden
presse@freiheitsrechte.org, Tel. 030/549 08 10 55

FragDenStaat
Michelle Trimborn
presse@fragdenstaat.de, Tel.: 01577/57 23 737

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) ist eine spendenfinanzierte Organisation, die Grund- und Menschenrechte mit juristischen Mitteln verteidigt. Der Verein fördert Demokratie und Zivilgesellschaft, schützt vor unverhältnismäßiger Überwachung sowie digitaler Durchleuchtung und setzt sich für gleiche Rechte und die soziale Teilhabe aller Menschen ein. Dazu führt die GFF strategische Gerichtsverfahren, geht mit Verfassungsbeschwerden gegen grundrechtswidrige Gesetze vor und bringt sich mit ihrer juristischen Expertise in gesellschaftliche Debatten ein. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Berlin wurde 2015 gegründet und finanziert sich vor allem durch Einzelspenden und die Beiträge seiner Fördermitglieder.

Seit 2011 kämpft FragDenStaat für Informationsfreiheit in Deutschland. Die Basis bildet die Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat.de, mit der das Projekt eine technische Infrastruktur zur Verfügung stellt. Nutzern und Nutzerinnen wird ermöglicht, Anfragen zu stellen, um auf einfache Weise ihr Recht auf Informationen wahrzunehmen. Mit eigenen journalistischen Recherchen, Kampagnen sowie Klagen setzt FragDenStaat das Recht auf Informationen durch und zeigt auf, welche Verbesserungen an der Rechtslage für eine offene Demokratie notwendig sind. Das Projekt ist Teil der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. und spendenfinanziert.

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