EU-Urheberrechtsrichtlinie: Umsetzungsentwurf führt zu europarechtlich unzulässigen generellen Überwachungspflichten
Berlin, 23. Juli 2020 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte veröffentlicht heute eine Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. “Artikel 17 verstößt gegen die Grundrechte. Der deutsche Umsetzungsentwurf führt trotz zahlreicher sinnvoller Schutzvorkehrungen gegen die Sperrung legaler Uploads zu europarechtlich unzulässigen generellen Überwachungspflichten”, sagt Felix Reda, Projektleitung bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. und ehemaliger Europaabgeordneter.
Trotz der erheblichen grundrechtlichen Bedenken ist Deutschland zunächst zur Umsetzung von Artikel 17 verpflichtet. “Es ist erfreulich, dass das Bundesjustizministerium mit einigen innovativen Vorschlägen versucht, die Nutzer*innenrechte zu stärken. Das ist sicherlich auch den Massenprotesten aus dem letzten Jahr zu verdanken”, sagt Reda.
Besonders erfreulich ist der Vorschlag für die Legalisierung nicht-kommerzieller Nutzungen von kurzen Werksausschnitten (z.B. Videos oder Musik bis 20 Sekunden Länge). Für diese Nutzungen sollen die Plattformen eine pauschale Vergütung an Verwertungsgesellschaften zahlen. In unserer Stellungnahme erläutern wir, warum diese Ausnahme nicht nur europarechtlich zulässig, sondern für einen fairen Interessenausgleich geboten ist.
Mit konkreten Maßnahmen gegen Missbrauch will der Diskussionsvorschlag unter anderem Nutzer*innen die Möglichkeit geben, gerichtlich gegen Overblocking und falsche Copyright Claims durch angebliche Rechteinhaber*innen vorzugehen. Das würde einen wichtigen Fortschritt darstellen. Diese Regelungen müssen aber dringend überarbeitet werden, damit sie in der Praxis funktionieren.
Das Bundesjustizministerium versucht, die Zahl falscher Sperrungen durch Uploadfilter zu verringern, indem Nutzer*innen legale Nutzungen fremder Werke beim Upload kennzeichnen können. Es ist zwar erfreulich, dass der Diskussionsentwurf solche konkreten Vorschläge gegen Overblocking enthält, aber unsere Stellungnahme erklärt, warum die vorherige Kennzeichnung nicht immer möglich ist (z.B. Livestreams, bereits auf der Plattform befindliche Inhalte) und es trotzdem zur Sperrung legaler Inhalte kommen wird.
Mit einer präziseren Definition der betroffenen Plattformen will das Bundesjustizministerium verhindern, dass auch solche Onlineangebote unter Artikel 17 fallen, die der europäische Gesetzgeber gar nicht im Visier hatte. Der Diskussionsentwurf könnte dazu führen, dass Hobby- und Fan-Foren, Nachrichtenaggregatoren wie reddit oder Datingplattformen wie Tinder nicht von Artikel 17 betroffen wären. Dadurch würde der Schaden durch Uploadfilter für die Netzkultur zumindest begrenzt.
Wir werten den Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums als Gesprächsangebot. Jetzt kommt es auf uns an, Verbesserungsvorschläge zu machen und einen umfassenden Schutz der Grundrechte durchzusetzen.
Die vollständige Stellungnahme der GFF finden Sie hier.
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