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Von der GFF unterstützter Friedensaktivist erneut freigesprochen – Gericht stärkt Whistleblowern den Rücken

Landgericht Lüneburg wendet erstmals neues Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen an ­

Berlin, 3. Mai 2019 – Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) wurde der Friedensaktivist Hermann Theisen am Freitag auch vom Landgericht Lüneburg freigesprochen. Das Landgericht berücksichtigte dabei erstmals überhaupt das vor wenigen Tagen in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Für Theisen war es nach einem Freispruch durch das Landgericht München I im Januar in einem ähnlichen Fall bereits das zweite erfolgreiche Berufungsverfahren. Er hatte vor dem Betriebsgelände des Waffenherstellers Rheinmetall AG Flugblätter verteilt, in denen er die Beschäftigten dazu aufrief, rechtswidrige Waffenexporte ihres Arbeitgebers öffentlich zu machen. Dafür hatte ihn das Amtsgericht Celle im November 2018 zu Unrecht zu einer Geldstrafe wegen öffentlicher Aufforderung zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verurteilt.

„Es freut uns sehr, dass auch das Landgericht Lüneburg unserer Argumentation folgt“, sagt das GFF-Vorstandsmitglied Boris Burghardt. „Im öffentlichen Interesse liegende Hinweise auf illegale Geschäftspraktiken sind nicht strafbar.“ Auch die Staatsanwaltschaft hatte einen Freispruch beantragt.

Hermann Theisen verteilt regelmäßig Flugblätter, in denen er insbesondere die Praktiken von Waffenherstellern anprangert. In den Flugblättern beruft er sich auf Medienberichte, wonach die genannten Unternehmen gegen Außenhandelsvorschriften verstoßen haben könnten. Er ruft die Mitarbeiter*innen dazu auf, die Öffentlichkeit über illegales Verhalten zu informieren. Vor dem Urteil des Amtsgerichts Celle vom 20. November 2018 war Theisen wegen einer ähnlichen Aktion vor dem Firmengelände des Waffenherstellers Krauss-Maffei Wegmann bereits vom Amtsgericht München verurteilt worden. Später folgte das Amtsgericht Cloppenburg mit einer Verurteilung, die sich auf Flugblätter zu den Praktiken der Firma VET Pharma Friesoythe bezog. Gegen letzteres Urteil hat Theisen Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde.

Die GFF unterstützt Theisen, der von Rechtsanwalt Martin Heiming verteidigt wird, in allen drei Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte sind bzw. waren der Meinung, Theisen fordere mit seinen Flugblättern öffentlich zu einer Straftat auf. Sie berufen sich auf den mittlerweile aufgehobenen Paragraph 17 Absatz 1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, wonach sich eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person strafbar machte, wenn sie ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt.

„Herrn Theisen ging es um Mitarbeiter*innen, die ihrem Gewissen folgen und deshalb über illegale Geschäftspraktiken ihrer Arbeitgeber informieren, nicht um solche, die dies vor allem gegen Geld tun oder um ihrer Firma zu schaden“, erläutert Burghardt. „Das Landgericht Lüneburg hat bestätigt, dass Whistleblowing im Dienste der Allgemeinheit den Straftatbestand der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nicht erfüllt.“ Begründet hat das Landgericht Lüneburg sein Urteil insbesondere mit dem neuen GeschGehG. Nach dessen Paragraph 5 sind Hinweise im öffentlichen Interesse zu illegalen Geschäftspraktiken erlaubt. „Auf diesen Grundsatz konnte sich Herr Theisen auch schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes berufen, weil der deutsche Gesetzgeber mit der Umsetzung der zugrundeliegenden EU-Richtlinie im Verzug war“, ergänzt Burghardt. „Deshalb war auch bereits das Urteil des Amtsgerichts unrichtig.“

Hermann Theisen freut sich vor allem darüber, seine Meinung straffrei äußern zu können. „Ich möchte auf mögliche illegale Exporte der Firmen aufmerksam machen und an das Gewissen ihrer Beschäftigten appellieren, sich konstruktiv einzumischen“, sagt er. „Es ist gut, wenn nun ein zweites Landgericht bestätigt, dass ich das darf.“

Aktenzeichen: 29 Ns 5104 Js 5535/18 (10/19)

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