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Verbände kritisieren Scheitern von Whistleblowing-Gesetz

Berlin, 29. April 2021 - Das Whistleblower-Netzwerk, Transparency Deutschland und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisieren das Scheitern des Whistleblowing-Gesetzes in der Großen Koalition. Sie fordern eine umfassende Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber*innen. Das Bundesjustizministerium hatte hierzu im Dezember einen Entwurf vorgelegt, den die CDU/CSU nun aber abgelehnt hat, weil er über die EU-Vorgaben hinausgeht. Damit wird die Chance vertan, noch in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Schutz für Whistleblower*innen gesetzlich zu verankern.

Der Schutz von Whistleblower*innen durch die EU-Richtlinie ist aufgrund der begrenzten Kompetenzen der EU notwendig auf den Bereich unionsrechtlicher Vorschriften beschränkt. Eine reine 1:1-Umsetzung würde konkret bedeuten: Wenn es in einem Unternehmen beispielsweise sowohl zu geringfügigen Datenschutzverletzungen als auch Nötigung kommt, so wären Beschäftigte bei einer Meldung der Datenschutzverletzungen als Whistleblower*innen geschützt, nicht hingegen bei einem Hinweis auf Nötigung, da hier „nur“ deutsches Strafrecht betroffen ist und die EU-Richtlinie daher nicht greift.

Keine Mehrbelastung, sondern Entlastung

Zentrales Argument aus CDU/CSU-Kreisen gegen ein umfassendes Whistleblowing-Gesetz ist die angebliche Mehrbelastung für Unternehmen. Dabei ist der Schutz von Hinweisgeber*innen nötig, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, Geschäftskosten zu verringern und die Anreize für Investitionen zu erhöhen. Vergangene Skandale von Wirecard bis zur Abgasmanipulation haben auch in Deutschland den Bedarf für mutige Whistleblower*innen gezeigt.

Zu einem guten Whistleblowing-Gesetz gehört unter anderem:

  • Klare Regeln statt fragmentierter Anwendungsbereich: Das Whistleblowing-Gesetz muss auf jeden Fall Meldungen von Straftaten schützen. Darüber hinaus müssen aber ebenso Hinweise auf sonstiges Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im öffentlichen Interesse liegt, aufgenommen werden. Die Missstände in der Pflege und der Cum-Ex- Skandal haben gezeigt, dass nicht jedes Fehlverhalten eine Straftat ist.
  • Wahrung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit – auch bei Geschäftsgeheimnissen: Erst dank medialer Berichterstattung wurden in den bekannten Whistleblowing-Fällen Täter*innen zur Rechenschaft gezogen und politische Konsequenzen konnten folgen. Diese öffentliche Auseinandersetzung darf nicht durch Strafandrohung verhindert werden.
  • Keine pauschale Ausnahme von Geheimakten: Die Sicherung durch Geheimhaltungsstufen in Behörden darf kein Grund sein, Informationen über Missstände unter Verschluss zu halten.
  • Ein Recht auf Anonymität: Größere Unternehmen sollten zur Einrichtung von anonymen Meldewegen verpflichtet werden. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Sorge vor Denunziationen vollkommen unberechtigt ist.
  • Ein Unterstützungsfond für Hinweisgeber*innen: Selbst ein guter gesetzlicher Rahmen kann in Einzelfällen Whistleblower*innen nicht vollumfassend vor erheblichen Nachteilen schützen. Für diese Menschen braucht es einen Fonds für Beratung und Unterstützung.

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Daniela Turß, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0175/610 2896

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