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Protestierende Menge Photo by Koshu Kunii on Unsplash
Demokratie und Grundrechte
Art. 5, 8

Versammlungs­freiheit schützen: Sprachauflagen bei Protesten sind verfassungswidrig

Wenn bei Versammlungen nur deutsch und englisch gesprochen werden darf, werden Grundrechte massiv verletzt. Fremdsprachigen Menschen wird die Möglichkeit zur Beteiligung genommen. Wir machen uns stark für Meinungsvielfalt und gegen Diskriminierung.

Sprachauflagen bei Demonstrationen sind ein schwerwiegender Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot. Die Versammlungsfreiheit schützt das Recht, die eigene Meinung mit anderen auf der Straße zu äußern. Wenn deutsch und englisch als Versammlungssprache vorgeschrieben werden, dann wird polizeiliche Kontrolle über die Freiheit der Rede gestellt. Wir beteiligen uns an einem Klageverfahren gegen polizeiliche Sprachauflagen, um für die Grundrechte von Minderheiten und für eine demokratische Gesellschaft einzutreten
Joschka Selinger

Joschka Selinger

Rechtsanwalt und Verfahrenskoordinator

Sprachverbote schaffen eine Zwei-Klassen-Versammlungsfreiheit. Sie sind nicht nur verfassungswidrig, sondern beschränken zudem die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen. Das verletzt klar das Diskriminierungsverbot.

Behörden können für Demonstrationen sogenannte Auflagen erlassen: Das sind Regeln, an die sich Teilnehmende bei einer Versammlung halten müssen. Von Bundesland zu Bundesland sind unterschiedliche Behörden zuständig, wenn jemand eine Demonstration anmeldet; in Berlin ist es die Polizei. Im Februar 2025 hat die Berliner Polizei gegenüber einem Anmelder einer pro-palästinensischen Demo angeordnet, dass Redebeiträge und das Rufen von Parolen nur in deutsch und englisch erlaubt sind. Solche Sprachauflagen sind rechtswidrig – es gibt aber noch keine Gerichtsentscheidung dazu. Wir unterstützen deshalb den Anmelder einer pro-palästinensischen Demonstration bei seiner Klage. Ziel der Klage ist mehr Rechtssicherheit im Rahmen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Denn diese Grundrechte ermöglichen Menschen bei Demonstrationen, sich in ihrer Erstsprache zu äußern. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit Teilnehmende überhaupt an einer Kundgebung teilnehmen können.

Vermehrt Sprachauflagen bei pro-palästinensischen Demonstrationen

Die Berliner Polizei begründete den Erlass von Sprachauflagen in diesem Fall damit, dass es bei pro-palästinensischen Demonstrationen in der Vergangenheit zum Skandieren von strafbaren antisemitischen Parolen kam. Straftaten zu erkennen, zu verhindern und zu verfolgen ist eine wichtige Aufgabe der Polizei. Das pauschale Verbot von Äußerungen auf anderen Sprachen greift jedoch unverhältnismäßig in die Meinungs- noch Versammlungsfreiheit der Teilnehmenden ein. Um die Grundrechte von Demonstrierenden zu gewährleisten und gleichzeitig strafbare Äußerungen zu erkennen, können und müssen die Behörden sprachmittelnde Beamt*innen oder Dolmetscher*innen einsetzen, um fremdsprachige Äußerungen zu übersetzen.

Der Anmelder der Demonstration in Berlin hatte noch vor der Versammlung im Februar gegen den Erlass der Polizei beim Verwaltungsgericht Berlin geklagt: Es müsse möglich sein, dass Menschen bei einer Versammlung ihre Meinung in ihrer Muttersprache kundtun. Im Eilverfahren hatte das Gericht demgegenüber zunächst entschieden, dass die Sprachauflage rechtmäßig sei. Also galt das Verbot – an das sich nicht alle Teilnehmenden hielten. Nach einem Redebeitrag auf hebräisch und Rufen auf arabisch löste die Polizei die Demo auf.

Kaum Rechtsprechung zum Diskriminierungsverbot aufgrund von Sprache

Dagegen geht der Anmelder der Demonstration nun mit einer sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage beim Verwaltungsgericht Berlin vor. Ziel der Klage ist, dass das Gericht im Nachhinein feststellt, dass die Sprachauflage rechtswidrig war. Wir unterstützen dieses laufende Verfahren, um eine Grundsatzentscheidung zu erwirken. Denn: Bisher gibt es kaum Rechtsprechung zu Sprachauflagen bei Versammlungen und zum Diskriminierungsverbot aufgrund der Sprache.

Ein positives Urteil wäre gleichzeitig eine Stärkung unserer Demokratie: Es soll klargestellt werden, dass pauschale Verbote von Sprachen auf Demonstrationen, nicht mit einer freiheitlichen Demokratie vereinbar sind. Eine Entscheidung hätte bundesweite Signalwirkung, so dass Versammlungsbehörden und Protestierende anderer Bundesländer ebenfalls Rechtssicherheit gewinnen würden. Sprachauflagen diskriminieren Menschen wegen ihrer Sprache und Herkunft. Dieser herabwürdigenden Verwaltungspraxis wollen wir mit unserem Einsatz einen Riegel vorschieben.

Sprachauflagen auch auf pro-ukrainischen Demonstrationen

Die Sprachauflage bei der pro-palästinensischen Demonstrationen ist kein Einzelfall: Eine vergleichbare Anordnung hat die Polizei 2024 mindestens einmal auch gegenüber einer pro-ukrainischen Demo erlassen. Damals wurde den Protestierenden untersagt, Redebeiträge oder Sprechchöre auf ukrainisch zu halten. Während die Ordnungshüter*innen dort im unmittelbaren Nachgang eine Unverhältnismäßigkeit eingestanden, ist das bei der Versammlung im Februar 2025 nicht der Fall.

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