Demo dokumentiert – Handy ausgelesen: GFF geht mit einem Journalisten vor das Bundesverfassungsgericht
Berlin/Karlsruhe, 29. Juli 2025. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erhebt heute zusammen mit dem Journalisten Hendrik Torner Verfassungsbeschwerde gegen das polizeiliche Auslesen seines Handys. Die Polizei hatte Torners Handy 2023 am Rande einer Demonstration beschlagnahmt und später ausgelesen, weil er nach der Demo eine Polizeiaktion dokumentiert hatte. Das Landgericht Bamberg entschied im Juni, dass die Beschlagnahme und die inhaltliche Auswertung mangels Strafantrags nach Ablauf der ersten drei Monaten rechtswidrig waren. Für die ersten drei Monate hat das Gericht die Maßnahme als rechtmäßig beurteilt. Es befasste sich jedoch nicht mit der zentralen grundrechtlichen Frage, ob auf der Grundlage einer Handybeschlagnahme bei einem strafrechtlichen Anfangsverdacht das gesamte Handy ausgelesen und ein politisches Profil erstellt werden darf. Schließlich ist das Auslesen des Handys ein massiver Eingriff in die Privatsphäre – bei Medienschaffenden auch in die Pressefreiheit. Das Bundesverfassungsgericht soll nun klarstellen, dass ein so intensiver Grundrechtseingriff eine eigene klare Rechtsgrundlage mit angemessenen Schutzvorkehrungen benötigt.
„Wenn die Polizei bei einem beschlagnahmten Handy alle Daten auslesen darf, kann sie die gesamte Persönlichkeit und das Privatleben der Betroffenen erfassen – obwohl bislang nur ein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht“, erklärt Davy Wang, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF. „Das ist eine digitale Hausdurchsuchung, ein massiver Eingriff in die Privatsphäre – ohne dass es dafür eine klare Rechtsgrundlage gibt. Das kann nicht sein!“
Nach geltendem Recht kann die Polizei Handys nicht nur bei Straftaten, sondern sogar bei Ordnungswidrigkeiten beschlagnahmen und auswerten – ein Anfangsverdacht genügt. Die Beschlagnahme wird zwar vom Gericht angeordnet, die Polizei entscheidet jedoch regelmäßig selbst, welche Daten sie anschließend ausliest und auswertet. Sie hat Zugriff auf alles – auch auf vertrauliche und persönliche Informationen, die nichts mit den Ermittlungen zu tun haben. Bisher stützen die Ermittlungsbehörden sich dafür auf allgemeine strafprozessuale Vorschriften zur Beschlagnahme. Diese regeln aber weder Grenzen für den Datenzugriff noch für die Auswertung.
„Dass die Polizei meine Fotos gespeichert und ein Profil meiner politischen Aktivitäten erstellt hat, war ein massiver Eingriff in meine Privatsphäre und durch nichts gerechtfertigt. Wo bleibt die Pressefreiheit, wenn ich mich als Journalist nicht darauf verlassen kann, dass vertrauliche Informationen auch vertraulich bleiben?“ kritisiert der Journalist und Beschwerdeführer Hendrik Torner.
Für Journalist*innen ist die Vertraulichkeit der Daten auf ihren Geräten zentral für Recherchen und für den Schutz ihrer Quellen. Müssen sie befürchten, dass die Polizei bei bloßen Verdachtsmomenten ihr Handy beschlagnahmt und auswertet, kann das gerade kritische Berichterstattung von Demonstrationen ausbremsen.
Die GFF erhebt die Verfassungsbeschwerde gemeinsam mit Hendrik Torner und seiner Anwältin Gül Pinar (TWP Strafrechtskanzlei). Das Digital Security Lab von Reporter ohne Grenzen hat den Fall mit forensischer Analyse unterstützt. Zum Schutz der Pressefreiheit und der Privatsphäre muss klar geregelt werden, in welchen Fällen die Polizei auf welche Daten zugreifen und wie sie diese nutzen darf – intime persönliche Daten müssen für die Erfassung und Auswertung tabu sein. Bei Bagatelldelikten oder Ordnungswidrigkeiten sollte die Polizei Handys grundsätzlich nicht auslesen dürfen. Die Verfassungsbeschwerde der GFF fügt sich in eine ganze Reihe von Klagen gegen polizeiliche Maßnahmen ein, die die Pressefreiheit missachten und verletzen. Unter anderem sind Verfassungsbeschwerden gegen das Abhören des Pressetelefons der Letzten Generation sowie gegen die Durchsuchung des freien Senders Radio Dreyeckland anhängig.
Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/handyauswertung
Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/2493108