Demo dokumentiert – Handy ausgelesen: GFF und Reporter ohne Grenzen unterstützen Journalist bei Klage gegen rechtswidrige polizeiliche Datenauswertung nach Handy-Beschlagnahme
Berlin, 19. Juni 2025. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) geht gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (RSF) und einem Journalisten am Landgericht Bamberg gegen die umfassende Handydatenauswertung nach einer polizeilichen Beschlagnahme des Geräts vor. Im Anschluss an eine Demonstration 2023 beschlagnahmte die Polizei das Handy des Klägers und Nachwuchsjournalisten Hendrik Torner und erstellte auf Grundlage der Handydaten einen Bericht zu seinen politischen Aktivitäten – ohne jeglichen Bezug zum Anlass der Beschlagnahme. Gegen die gerichtliche Bestätigung dieser rechtswidrigen Polizeimaßnahme reichte die GFF heute die Beschwerdebegründung am Landgericht Bamberg ein. Es gibt keine ausreichende Gesetzesgrundlage für eine derart umfassende Auswertung höchstpersönlicher Daten. Die aktuelle Polizeipraxis verletzt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und entfaltet abschreckende Wirkung auf zivilgesellschaftliches und politisches Engagement sowie auf journalistische Arbeit.
„Der Zugriff auf den gesamten Datenbestand beschlagnahmter Handys ermöglicht der Polizei tiefe Einblicke in die Privatsphäre der Betroffenen – für diesen Eingriff fehlt es jedoch an einer klaren Rechtsgrundlage. Menschen müssen darauf vertrauen können, dass ihre intimen Daten grundsätzlich geschützt sind und der Staat nur im Ausnahmefall nach strengen Regeln darauf zugreifen kann“, so Davy Wang, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.
Anfang September 2023 begleitete Nachwuchsjournalist Hendrik Torner eine Demonstration der „Letzten Generation“ in Bamberg. Nach Ende der Demonstration wurde er Zeuge einer polizeilichen Maßnahme gegen drei Teilnehmende der Demonstration. Zu journalistischen Dokumentationszwecken zeichnete er die polizeilichen Äußerungen per Sprachnotiz auf. Daraufhin beschlagnahmte die Polizei sein Handy und warf ihm die Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes vor. Ohne jeglichen Bezug zu diesem Strafvorwurf wertete die Polizei die auf dem Handy gespeicherten hochsensiblen persönlichen Daten anschließend aus und erstellte ein umfassendes Profil zu den politischen Aktivitäten des Klägers und seiner Zugehörigkeit zu linksgerichteten politischen Gruppen.
„Die praktisch anlasslose Durchleuchtung meines privaten Handys durch die Polizei hat mich und mein Umfeld schockiert: Es ist eine massive Verletzung meiner Privatsphäre und der Pressefreiheit“ betont der Kläger Hendrik Torner. „Dass die Polizei so repressiv auf die Dokumentation einer undurchsichtigen Maßnahme von Zivilpolizist*innen reagiert, zeigt, warum kritischer Journalismus notwendig ist.“
Bereits bei einem einfachen Anfangsverdacht erlangt die Polizei regelmäßig Zugriff auf den gesamten Datenbestand beschlagnahmter Handys. Zwar muss die Beschlagnahme zunächst grundsätzlich gerichtlich angeordnet werden. Doch anschließend entscheidet regelmäßig die Polizei selbst, welche der höchstpersönlichen Daten ausgelesen und ausgewertet werden.
„Wir konnten durch IT-forensische Methoden nachweisen, dass die Polizei die Verschlüsselung von Hendrik Torners Smartphone umgangen hat“, erklärt Janik Besendorf, IT-Sicherheitsexperte im Digital Security Lab von RSF. „Die Polizei hat Sicherheitslücken ausgenutzt, um auf die gespeicherten Daten zuzugreifen. Dabei hat sie tief in das Betriebssystem eingegriffen und sogar Veränderungen daran vorgenommen.“
Die Zulässigkeit und Reichweite eines so schwerwiegenden Grundrechtseingriffs müssen durch den Gesetzgeber selbst festgelegt und klar eingegrenzt werden. Es ist mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip unvereinbar, dies allein den Strafverfolgungsbehörden zu überlassen. Zudem bedarf es gesetzlicher Schutzvorkehrungen, die eine Erfassung oder Auswertung von Informationen verhindern, die dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung zuzuordnen sind.
Die gemeinsam mit dem Kläger und seiner Rechtsanwältin Gül Pinar (TWP Strafrechtskanzlei) am Landgericht Bamberg erhobene Beschwerde soll zu einer gerichtlichen Klarstellung führen, dass die Maßnahme gegen unseren Kläger unverhältnismäßig war. Darüber hinaus soll klargestellt werden, dass derzeit keine verfassungs- und europarechtskonforme Rechtsgrundlage für die Auswertung von beschlagnahmten Handys besteht.
Weitere Informationen zur Klage finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/handyauswertung
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Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
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