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11. März 2025: Weil das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung verweigert: GFF und Reporter ohne Grenzen ziehen gegen das Bundesnachrichtendienst-Gesetz vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Berlin, 11. März 2025 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (RSF) eine Beschwerde gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg erhoben. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die 2023 von RSF und GFF erhobene Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz nicht zur Entscheidung anzunehmen. Mit der Verfassungsbeschwerde rügten RSF und GFF, dass sich der Gesetzgeber bei der Reform des BND-Gesetzes 2020 an mehreren Stellen offen über die Vorgaben hinweggesetzt hatte, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im gleichen Jahr zur vorherigen Fassung des BND-Gesetzes gemacht hatte. Ziel der Beschwerde in Straßburg ist eine Feststellung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Das BND-Gesetz in der heutigen Fassung verletzt das Recht auf Privatleben (Art. 8 EMRK), das auch das Fernmeldegeheimnis umfasst, sowie die Pressefreiheit (Art. 10 EMRK).

„Das Bundesverfassungsgericht wollte nicht in der Sache darüber entscheiden, ob der Bundestag die vom Gericht selbst aufgestellten Maßstäbe für das Recht des Auslandsgeheimdienstes eingehalten hat. Das ist sehr bedauerlich – denn das Gesetz enthält mehr Grundrechtsverstöße denn je. Es geht um schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre wie Staatstrojaner“, kritisiert Bijan Moini, Verfahrenskoordinator und Legal Director der GFF. „Das können wir so nicht stehen lassen. Gut, dass es mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ein europäisches Schutzsystem für Grundrechte gibt – daher ziehen wir jetzt erstmals nach Straßburg.“

Zur „strategischen Informationsgewinnung im Ausland“ darf der BND seit 2020 zum Beispiel ohne nennenswerte Einschränkungen auf Einzelpersonen zugeschnittene Überwachungsmittel wie den Staatstrojaner einsetzen. Der eigentlich für das Ausland zuständige Geheimdienst darf außerdem alle Menschen im Inland ausspähen, soweit es um sogenannte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation geht. Diese geheimdienstliche Erfassung der Kommunikation zwischen zwei technischen Geräten ist praktisch an keine Voraussetzungen geknüpft. Sie erlaubt über die Auswertung der Metadaten etwa von Gesundheitsapps oder Online-Banking potenziell weitreichende Rückschlüsse auf den körperlichen und psychischen Zustand, die Finanzkraft oder das Verhalten der Betroffenen.

RSF und GFF hatten bereits im Jahr 2020 ein aufsehenerregendes Urteil zum gleichen Gesetz erstritten, das weite Teile der Auslandsüberwachung durch den BND für grundrechtswidrig erklärte. Daraufhin reformierte der Gesetzgeber im gleichen Jahr das BND-Gesetz, wobei er sich zum Teil offen über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzte. Zahlreiche Sachverständige übten 2020 scharfe Kritik am Gesetzentwurf. Unter anderem hatte RSF einen umfassenden Schutz der vertraulichen Kommunikation von Journalist*innen gefordert.

Das BND-Gesetz ermöglicht immer noch die umfassende Überwachung von Medienschaffenden, vor allem außerhalb Deutschlands, und gefährdet damit die Pressefreiheit. RSF wendet sich deswegen mit einer Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der das BND-Gesetz überprüfen soll. Die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz der Presse- und Informationsfreiheit müssen auch in Deutschland beachtet werden. Es gibt gravierende Schutzlücken, die geschlossen werden müssen“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen.

Die Beschwerde zum EGMR verfasste Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die GFF und RSF klagen als betroffene Organisationen selbst. Zu den weiteren Beschwerdeführer*innen gehören Manschenrechtsaktivist*innen und Journalist*innen wie Meron Estefanos und Goran Lefkov.

Die Klage steht in einer Linie mit Verfassungsbeschwerden beider Organisationen gegen Überwachungsbefugnisse der verschiedenen deutschen Geheimdienste. Übergreifendes Ziel ist, die Arbeit der Geheimdienste auf den Boden des Grundgesetzes zurückzuholen.

Weitere Informationen zu unserem Fall finden Sie hier:

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:

Maria Scharlau (GFF)
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55

Fabio Niewelt (RSF)
presse@reporter-ohne-grenzen.de
Tel: 0151/72480936

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