GFF klagt gegen Ausschluss von Ausländern aus Integrationsbeirat des Landkreises Leipzig
Geänderte Beiratsordnung verlangt gesichertes Aufenthaltsrecht / Zwei langjährige Beiratsmitglieder verloren ihren Platz
Berlin, 6. Juni 2019 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt das Normenkontrollverfahren zweier Ausländer, die durch eine Rechtsänderung aus dem Integrationsbeirat des Landkreises Leipzig ausgeschlossen wurden. Wegen der bevorstehenden Neubesetzung des Beirats haben die Kläger am Donnerstag einen Eilantrag beim sächsischen Oberverwaltungsgericht gestellt. „Die Neuregelung hat weder Anlass noch Grund“, sagt Nora Markard, Mitglied des Vorstands der GFF. „Sie ist offensichtlich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz und hätte so nie ergehen dürfen.“ Mit der Normenkontrolle kann die Gültigkeit der Ordnung des Integrationsbeirats des Landkreises Leipzig (IBO) überprüft werden.
Nach der alten IBO sollten diesem Gremium u.a. „zwei im Landkreis lebende Personen mit Migrationshintergrund“ angehören. Auf dieser Grundlage waren auch Emad A. und Mehman R. zweieinhalb Jahre lang Mitglieder des Beirats. A. lebt seit 25 Jahren in Deutschland, R. seit 7 Jahren. Sie engagieren sich verschiedentlich ehrenamtlich, A. hat einen Arbeitsplatz, R. studiert. Im Herbst 2018 hat der Kreistag die IBO so geändert, dass nunmehr „drei Einwohner/innen … mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit oder gesichertem Aufenthaltsrecht“ dem Beirat angehören sollen. A. und R. verloren daraufhin ihre Plätze, da sie nur über eine Aufenthaltsgestattung bzw. Duldung verfügen. Diese vermitteln kein gesichertes Aufenthaltsrecht.
Die nicht näher begründete Verschärfung der Anforderungen verstößt gegen den Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz und Artikel 18 Absatz 1 der Sächsischen Verfassung. „Die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises dürfen nicht ohne triftigen Grund ungleich behandelt werden“, erläutert Markard. Dass Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus prinzipiell die Abschiebung drohe, sei aber kein triftiger Grund für ihre Ungleichbehandlung: „Die beiden Kläger zeigen beispielhaft, dass Menschen oft lange Jahre mit prekärem Aufenthaltsrecht am selben Ort leben. Umgekehrt ist ein gesichertes Aufenthaltsrecht ebenso wie die deutsche Staatsangehörigkeit kein Garant dafür, dass eine Person mit Migrationshintergrund auch länger im Landkreis bleiben wird.“
Die IBO-Änderung habe außerdem der Funktionsfähigkeit des Beirats geschadet, statt sie sicherzustellen, weil zwei qualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund ersatzlos ausgeschieden seien. Der Integrationsbeirat soll nach Paragraf 1 IBO die Integration der im Landkreis lebenden Personen mit Migrationshintergrund aktiv fördern. Im Landkreis Leipzig werden nun die Perspektiven von ausländischen Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus fehlen. Zudem steht die weitere Arbeit des Beirats in Frage; schon bisher konnten die von der IBO vorgesehenen Stellvertreterposten nicht besetzt werden, weil sich keine weiteren geeigneten Personen fanden.
A. und R. sind über die IBO-Änderung sehr enttäuscht. „Wir engagieren uns seit Jahren in der Region“, sagt A. „Und nun werden wir aus jenem Beirat ausgegrenzt, der integrieren soll.“ Die beiden werden u.a. vom Bornaer Flüchtlingshilfeverein Bon Courage e.V. unterstützt. „Die Änderung der Ordnung lässt nur mutmaßen, dass Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus unabhängig ihrer persönlichen Eignung von politischer und gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen und zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden sollen“, sagt Frau Münch von Bon Courage. Das Gerichtsverfahren führt der Leipziger Rechtsanwalt Dr. Simon Schuster.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert Gerichtsverfahren, um Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Klagen gegen die Massenüberwachung von Flugpassagieren und Verfassungsbeschwerden gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern, zuletzt im neuen Polizeigesetz in Baden-Württemberg, aber auch die Klage einer Journalistin gegen Entgeltdiskriminierung.
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