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GFF reicht Stellungnahme zum Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia ein

GFF: Bundesinnenministerium missbraucht Vereinsrecht und verletzt Freiheit der Medien / Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht hat grundsätzliche Bedeutung

Berlin, 10. September 2018 - Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat sich mit einer Stellungnahme in das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Verbot von linksunten.indymedia eingeschaltet. Die Internetplattform war im August 2017 vom Bundesinnenministerium (BMI) auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten worden. „Das BMI missbraucht das Vereinsrecht und verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die Europäische Menschenrechtskonvention“, begründet GFF-Vorstandsmitglied Dr. Boris Burghardt die Intervention.

linksunten.indymedia galt als wichtige Internetplattform der linken und linksradikalen Szene in Deutschland. Das BMI hatte das Verbot damit begründet, dass sie von einem Verein im Sinne des Vereinsgesetzes betrieben worden sei, auch wenn dieser weder eingetragen war noch eine Satzung oder einen Vorstand hatte. Er werde verboten, weil „seine Zwecke und seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen und er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet“.

In den Augen der GFF ist das Vereinsrecht nicht anwendbar, unabhängig davon, ob hinter der Internetplattform ein Verein steht oder nicht. „Das BMI begründet das Verbot ausschließlich mit den auf der Internetseite erschienenen Beiträgen. Damit aber handelt es sich der Sache nach um eine medienrechtliche Aufsichtsmaßnahme, die in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt“, erklärt Burghardt. „Hier gilt der von den Ländern geschlossene Rundfunkstaatsvertrag, der auch die Aufsicht über Online-Medien regelt.“

Das pauschale Verbot der gesamten Internetplattform sei zudem unverhältnismäßig, da der Staat zunächst weniger einschneidende Maßnahmen hätte ergreifen müssen. „Die zuständigen Behörden hätten mit Unterlassungs- und Sperrverfügungen gegen konkrete rechtswidrige Inhalte vorgehen können, wie es der Rundfunkstaatsvertrag ermöglicht“, so Burghardt. „Stattdessen hat das BMI sofort die gesamte Plattform einschließlich aller rechtlich unbedenklichen Beiträge abgeschaltet.“

Bestätigt sieht sich die GFF durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). „Der EGMR hat entschieden, dass das vollständige Verbot einer gesamten Zeitung die Freiheit der Medien verletzt, unabhängig davon, was ihr im Einzelnen vorgeworfen wird“, erläutert GFF-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Nora Markard. „Nichts anderes kann für Online-Medien wie linksunten.indymedia gelten.“

Die GFF äußert sich zum Verbot von linksunten.indymedia wegen der zentralen Bedeutung des Verfahrens für die Freiheit der Medien und für die Rechtsstaatlichkeit insgesamt. „Das Vorgehen des BMI ist ein Prüfstein für den Umgang des Staates mit Medienangeboten einer Szene, die den gegenwärtigen politischen und ökonomischen Verhältnissen kritisch bis ablehnend gegenüber steht und mitunter auch Straftaten begeht. Die Freiheitlichkeit einer Rechtsordnung erweist sich gerade im Umgang mit solchen unbequemen Mitgliedern der Gesellschaft“, so Markard abschließend.

Für ihre Stellungnahme hat die GFF die Form des „amicus curiae brief“ gewählt. Dieses Instrument stammt aus dem US-amerikanischen Rechtssystem (brief bedeutet dort Schriftsatz). Der Amicus Curiae, also der Freund des Gerichts, erlangt zwar keine eigenständigen Verfahrensrechte, wirft aber durch eine externe Stellungnahme neue Perspektiven auf den Rechtsstreit sowie weitere juristische Fragen auf. Der Amicus Curiae Brief ist in Deutschland und weiten Teilen Europas noch nicht verbreitet, während er in den USA seit langem zu einer grund- und menschenrechtsfreundlicheren Rechtsprechung beiträgt. Die GFF hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Mittel der Verfahrensbeteiligung im Interesse der Grund- und Menschenrechte auch hier zu etablieren.

Den Amicus Curiae Brief finden Sie hier.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert gerichtliche Verfahren, um die Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger*innen mit exzellenten Jurist*innen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Verfassungsbeschwerden gegen „Staatstrojaner” in der Strafprozessordnung sowie die jüngste Novelle des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes.

Mehr Informationen finden Sie unter .

Für Rückfragen steht die GFF unter oder unter +49 30 555 71 66 55 zur Verfügung.

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Sogenannte Staatstrojaner führen zu einem unverantwortlichen Umgang staatlicher Behörden mit IT-Sicherheitslücken. Wir haben Verfassungsbeschwerde eingelegt.

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