GFF kündigt nach Verurteilung von Teilnehmer an Sitzblockade gegen Piusbruderschaft Rechtsmittel an
Gericht erkennt „grobe Störung“ einer Versammlung / Grundrechte des Angeklagten vernachlässigt
Berlin, 11. September 2019 – Das Amtsgericht Freiburg hat einen von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gemeinsam mit dem Arbeitskreis kritischer Jurist*innen (akj) Freiburg unterstützten Mann am Donnerstag zu einer Geldstrafe in Höhe von zehn Tagessätzen verurteilt. Er hatte sich an einer Sitzblockade gegen einen Versammlungszug der fundamentalistischen Piusbruderschaft St. Pius X beteiligt. Das Amtsgericht hielt die „grobe Störung“ der Versammlung für erwiesen, weil der Zug, der durch die Freiburger Innenstadt führte, etwa 30 Minuten aufgehalten wurde. „Es ist unverständlich, wie das Gericht in einer auf Meinungsbildung gerichteten, friedlichen Sitzblockade die grobe Störung einer anderen Versammlung erkennen kann“, sagt David Werdermann, ehemaliger Mitarbeiter der GFF und einer der Verteidiger des Angeklagten. „Legitimer politischer Protest darf nicht mit der Keule des Strafrechts erschlagen werden. Deshalb werden wir Rechtsmittel einlegen.“ (Az. 24 Cs 281 Js 40842/17).
Anlass der Sitzblockade war ein Aufruf der Piusbruderschaft für den 10. April 2015 zu einem „Marsch für das Leben“. Die Gruppierung steht seit vielen Jahren in der Kritik, insbesondere wegen ihrer radikal ablehnenden Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen und ihrer feindlichen Einstellung gegenüber Homosexuellen. Verschiedene Gruppen und Personen riefen zum Protest gegen die Piusbruderschaft auf, der schließlich in einer Sitzblockade auf der Kaiser-Joseph-Straße mündete. Personen in der Sitzblockade hielten verschiedene Plakate mit Botschaften, die sich gegen das Gedankengut der Piusbruderschaft richteten. Die Gehwege neben der Straße blieben während des durchweg friedlichen Gegenprotests frei.
Trotzdem sah das Amtsgericht in der Sitzblockade eine grobe Störung der Versammlung der Piusbruderschaft und verurteilte den Angeklagten nun wegen einer Verletzung von Paragraph 21 des Versammlungsgesetzes. „Das ist nicht nachvollziehbar, weil der Aufzug nur unwesentlich verzögert wurde und die Piusbruderschaft hätte ausweichen können“, erläutert Jakob Bach, weiterer Verteidiger des Angeklagten. „Immerhin hat aber das Gericht anerkannt, dass die Versammlungsfreiheit des Angeklagten bei der Auslegung des Straftatbestands zu berücksichtigen ist. Das wollten wir erreichen und auf dieser Grundlage werden wir nun in die nächste Instanz gehen.“
Die beiden Juristen Werdermann und Bach hatten eine ausführliche Stellungnahme verfasst, die hier abrufbar ist. Unterstützt werden sie vom Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert Gerichtsverfahren, um Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Klagen gegen die Massenüberwachung von Flugpassagieren und Verfassungsbeschwerden gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern, zuletzt im neuen Polizeigesetz in Hessen, aber auch die Klage einer Journalistin gegen Entgeltdiskriminierung.
Mehr Informationen finden Sie unter freiheitsrechte.org.
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg ist ein Zusammenschluss von jungen Jurist*innen, die sich mit rechtspolitischen Themen kritisch auseinandersetzen. Der akj hatte sich bereits anlässlich des ersten Verfahrens gegen einen Teilnehmer der Sitzblockade ablehnend zur Strafverfolgung geäußert.
Mehr Informationen finden Sie unter akj-freiburg.de.
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