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Pressefreiheit in Gefahr: GFF zieht mit Investigativ-Journalist nach Verurteilung wegen Zitaten vors Bundesverfassungsgericht

Berlin, 24. Oktober 2025 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichte heute gemeinsam mit dem Investigativ-Journalisten Carsten Janz Verfassungsbeschwerde am Bundesverfassungsgericht ein. Janz hatte über Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft zu einem Amoklauf berichtet und zwei kurze wörtliche Zitate aus einem Gerichtsbeschluss veröffentlicht. Dafür wurde er in zwei Instanzen wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen zu einer Geldstrafe verurteilt. Grundlage ist Paragraf 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB): Die Norm verbietet ausnahmslos die Veröffentlichung von Dokumenten oder Zitaten aus laufenden Strafverfahren. Die Vorschrift sieht keinerlei Ausnahme für eine Berichterstattung im öffentlichen Interesse vor. Ziel der Verfassungsbeschwerde ist eine Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Vorschrift in der derzeitigen Fassung gegen die Pressefreiheit verstößt.

„Carsten Janz hat nur seinen Job als Journalist gemacht. Es kann nicht sein, dass er allein für das Zitieren aus Gerichtsbeschlüssen bestraft wird. Diese Vorschrift bedroht die kritische Berichterstattung und die Pressefreiheit – und genau das klären wir jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht“, betont Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Janz hatte im Dezember 2023 einen Artikel bei t-online veröffentlicht. Darin ging es um Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg zu einem Amoklauf bei den Zeugen Jehovas. In dem Beitrag zitierte er aus einem Beschluss des Hamburger Landgerichts, wonach die Hausdurchsuchung bei einem Verdächtigen rechtswidrig war. Dafür verurteilte ihn erst das Amtsgericht Hamburg und dann auch das Landgericht Hamburg nach Paragraf 353d Nr. 3 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Die dagegen eingereichte Revision verwarf das OLG Hamburg ohne Begründung.

„Wenn wir als Journalist*innen kritisch darüber berichten, wie Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, geschieht das im Interesse der Öffentlichkeit. Wer befürchten muss, nach Paragraph 353d Strafgesetzbuch bestraft zu werden, überlegt sich diese Recherchen zweimal“, kritisiert Janz. „Die Behörde, über die ich kritisch berichtet habe, hat wegen des Berichts gegen mich ermittelt. Das kann nicht im Sinne der Pressefreiheit sein – ich bin froh, dass wir diese Strafnorm vors Bundesverfassungsgericht bringen.“

Die umstrittene Norm verbietet es, „ganz oder in wesentlichen Teilen“ wörtlich aus Dokumenten zu zitieren, die zu einem laufenden Strafverfahren gehören. Für seinen Artikel übernahm Janz nur zwei kurze Passagen, die sich kaum anders umschreiben ließen. Um gerichtliche Entscheidungen sinnvoll einordnen zu können, kommt es häufig gerade auf ihren Wortlaut an. Wenn Journalist*innen nicht wörtlich zitieren dürfen, können sie nur sehr eingeschränkt über die Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz informieren.

Die GFF geht auch noch in einem weiteren Verfahren gegen diese Strafnorm vor, um die Pressefreiheit zu schützen: Gemeinsam mit Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz-Plattform Frag den Staat, zog die Organisation vor den Bundesgerichtshof. Das Landgericht Berlin hatte Semsrott im Oktober 2024 wegen Verstoßes gegen dieselbe Strafnorm schuldig gesprochen. Carsten Janz wird seit der Berufungsinstanz vertreten durch die Strafverteidiger Frédéric Schneider und Sebastian Seel von der Kanzlei Schneider || Mick.

Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/gefahr-fuer-die-pressefreiheit-investigativ-journalist-wegen-zitaten-aus-gerichtsbeschluss-verurteilt

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/2493108

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