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GFF kündigt Verfassungsbeschwerde gegen überflüssige und gefährliche Übermittlung von Meldedaten für Zensus-Testlauf an

Berlin, 7. Februar 2019 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) kündigt eine Verfassungsbeschwerde gegen die massenweise Übermittlung von Meldedaten im Rahmen eines Testlaufs für den Zensus 2021 an, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Test am Donnerstag auf einen Eilantrag der GFF hin nicht gestoppt hat.

„Es ist sehr bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Einschätzung des erheblichen Risikos nicht teilt, dass sich Angreifer Zugang zu diesem gigantischen Datenschatz verschaffen“, sagt Malte Spitz, Generalsekretär der GFF und einer der Antragsteller. „Aber das Gericht hat im Eilverfahren nur eine Folgenabwägung angestellt und hat fast schon um die Gelegenheit einer späteren Prüfung gebeten, ob für einen bloßen Test tatsächlich die Meldedaten von über 82 Millionen Menschen in Deutschland an einer Stelle zusammengeführt werden dürfen. Wir werden deshalb eine Verfassungsbeschwerde erheben.“

Die GFF plant, die Verfassungsbeschwerde ebenso wie bereits den Eilantrag in Kooperation mit den Aktivist*innen vom Arbeitskreis Zensus einzureichen. Hierfür ruft sie die Öffentlichkeit wiederum zu Spenden auf, um ihren Einsatz für den Datenschutz finanzieren zu können.

Nachdem keine einstweiligen Anordnung des BVerfG ergangen ist, werden nun zwar die Meldedaten im Rahmen des Testlaufs übermittelt, aber das Ringen um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ist noch nicht vorüber. „Wir wollen nun eine Verfassungsbeschwerde gegen Paragraf 9a des Zensusvorbereitungsgesetzes erheben, weil die Daten zwei Jahre zentral gespeichert bleiben sollen“, erklärt der Vorsitzende der GFF, Dr. Ulf Buermeyer. „Im Erfolgsfall können wir das völlig überflüssige Risiko zumindest reduzieren, dass sich Dritte die echten Daten von über 82 Millionen Menschen beschaffen, jedenfalls aber für die Zukunft vergleichbare Testläufe verhindern.“ Auch über die Verwendung der Daten zu Testzwecken und über den Zensus selbst hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden.

Die Verfassungsbeschwerde wird der Berliner Rechtsanwalt Benjamin Derin formulieren, der auch bereits den Eilantrag eingereicht hatte. Neben dem GFF-Generalsekretär Malte Spitz werden unter den Beschwerdeführern auch Mitglieder des Arbeitskreises Zensus sein.

Hintergrund

Zehn Jahre nach der letzten Volkszählung ist für das Jahr 2021 wieder ein Zensus geplant. Der Bundestag hat das dafür erlassene „Zensusvorbereitungsgesetz 2021“ im Dezember 2018 äußerst kurzfristig um einen sogenannten „Testlauf“ erweitert und der Zivilgesellschaft so kaum Zeit zur Reaktion gelassen. Der neue Paragraf 9a ZensVorbG 2021 sieht vor, dass die Meldeämter in den Bundesländern dem Statistischen Bundesamt ab dem 13. Januar 2019 binnen vier Wochen zu allen in Deutschland gemeldeten Personen Datensätze mit jeweils 46 persönlichen Angaben (Name, Religionszugehörigkeit, Familienstand usw.) zur Verfügung stellen. Dadurch werden erstmals derart umfangreiche Datensätze von bis zu 82 Millionen Bürgern an einer zentralen Stelle zusammengeführt – ein attraktives Ziel für Angriffe und kriminelle Hacker und ein massiver Verstoß gegen datenschutzrechtliche Grundsätze. Dies gilt umso mehr, als nach der GFF vorliegenden Informationen diese Daten offenbar nicht beim Statistischen Bundesamt selber vorgehalten werden, sondern bei einem Dritten, dessen Zuverlässigkeit kaum abzuschätzen ist.

Weil der Testlauf so kurz bevorstand, war ein Eilantrag dagegen erforderlich. In seiner Entscheidung darüber erklärte das Bundesverfassungsgericht nun, dass eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde gegen das Zensusvorbereitungsgesetz weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet wäre, und lässt sehr deutlich Zweifel an der Erforderlichkeit des Testlaufs erkennen. Das Gericht kommt schließlich allein wegen einer Folgenabwägung dazu, den Zensustestlauf nicht abzubrechen, sondern darüber erst später zu entscheiden.

„Wenn die Bundesregierung Gesetze wie das zum hoch umstrittenen Zensus so kurzfristig ändern lässt, ist es für die Zivilgesellschaft sehr schwierig, noch zu reagieren“, sagt der Vorsitzende der GFF, Dr. Ulf Buermeyer. „Wir arbeiten aber daran, die Zahl unserer Fördermitglieder soweit zu erhöhen, dass wir beim nächsten Mal keine Zeit durch ein Crowdfunding verlieren, sondern noch mehr Energie in die Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts stecken können.“ Auch für das nun anstehende Hauptverfahren gegen den Testlauf, die eigentliche Verfassungsbeschwerde, ruft die GFF zu Spenden auf.

Mit dem Testlauf wollen die Behörden die Übermittlungswege und die Qualität der Daten überprüfen sowie die Programme für die Durchführung des Zensus 2021 testen und weiterentwickeln. „Es ist aber nicht akzeptabel, dafür reale Daten zu verwenden, wenn doch die IT-Branche für Tests längst standardmäßig fiktive Daten verwendet“, sagt GFF-Generalsekretär Malte Spitz weiter. „Wenn die Behörden den Versand eines großen Datenvolumens testen wollen, sollen sie einen fiktiven, wenigstens aber einen anonymisierten Datensatz schaffen. Zum Test der Qualität der Daten genügt eine Stichprobe, die Gesamtdatei mit 82 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht nötig.“

Die GFF kritisiert auch, dass die zu übermittelnden Datensätze sensible Informationen wie die Religionszugehörigkeit enthalten.

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