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GFF unterstützt Eilrechtsverfahren gegen Verbot angeblich gefährlicher Werkzeuge in Berliner Bahnhöfen und Zügen

Berlin, 26. Dezember 2018 - Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützt in Kooperation mit der Humanistischen Union (HU) mehrere Widersprüche und ein Eilrechtsschutzverfahren gegen eine neue Verfügung der Bundespolizeidirektion Berlin. Die Bundespolizei möchte angeblich das Mitführen gefährlicher Werkzeuge in Berliner Bahnhöfen und Zügen verbieten. Tatsächlich schießt sie aber weit über das Ziel hinaus und richtet sich auch gegen alltägliches und ungefährliches Verhalten, das zu verbieten es keinen Grund gibt.

„Es ist zwar zu begrüßen, dass die Polizei die Sicherheit in Bahnhöfen und Zügen erhöhen will“, sagt Bijan Moini, Syndikus der GFF. „Allerdings ist die gewählte Form dafür die falsche, denn das Verbot hat keine ausreichende Rechtsgrundlage, ist zu unbestimmt und sieht zu wenige Ausnahmen vor.“

Die Verfügung der Bundespolizei verbietet seit dem 1. November 2018 bis zum 31. Januar 2019 an Wochenenden zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens das Mitführen von, wie es wörtlich heißt, „gefährlichen Werkzeugen“, in allen S-Bahnen sowie Regional- und Fernverkehrszügen und an allen Bahnhöfen zwischen „Zoologischer Garten“ und „Lichtenberg“. Die Polizei kann zur Durchsetzung des Verbots jede Person anlasslos und ohne besonderen Grund durchsuchen und bei Verstößen bis zu 250 Euro Zwangsgeld verhängen.

Weil es zu unbestimmt formuliert ist, erfasst das Verbot neben objektiv gefährlichen Gegenständen wie Schlagringen auch fast jeden denkbaren Alltagsgegenstand wie etwa Laptops oder Spazierstöcke, denn auch sie können theoretisch zum Schaden anderer eingesetzt werden. Schon dies allein macht das Verbot unverhältnismäßig.

Das Verbot hätte sich aber ohnehin auf eine spezielle gesetzliche Grundlage stützen müssen. „Die Entscheidung über massenweise Durchsuchungen von Personen ohne konkreten Anlass darf die Polizei nicht auf die sogenannte Generalklausel stützen, wonach sie zur Abwehr einer Gefahr ‚Maßnahmen‘ nicht näher bestimmter Art treffen kann“, sagt Moini. „Raster- und Schleierfahndungen stützen sich ebenfalls auf detaillierte gesetzliche Grundlagen.“

Auch weil das Verbot der Bundespolizei nicht genügend Ausnahmen vorsieht, verletzt es zahlreiche Nutzer*innen des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs in ihren Grundrechten. Unter ihnen ist die Widerspruchsführerin Susanne Schuster, die auf der S-Bahn-Strecke zu den Verbotszeiten für private Zwecke stets einen Korkenzieher, Stifte und häufig ein Schweizer Taschenmesser mit sich führt. Auch der Widerspruchsführer Andreas Bogk trägt ein Swiss Multitool bei sich und verwendet es regelmäßig für private und berufliche Zwecke. „Wenn die Bundespolizei verspricht, im Einzelfall ‚Augenmaß und gesunden Menschenverstand‘ walten zu lassen, weiß ich immer noch nicht, ob ich mein Taschenmesser nun bei mir tragen darf oder ob mir ein Zwangsgeld droht“, sagt Bogk.

Weil Schuster und Bogk ihre Taschenmesser und andere Gegenstände in der S-Bahn auch weiterhin bei sich haben möchten, ohne ein Zwangsgeld zu befürchten, beantragte die Rechtsanwältin Anja Heinrich für sie am 21. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht Berlin vorläufigen Rechtsschutz. GFF und HU unterstützen sie dabei. Sie unterstützen auch die Widerspruchsverfahren von zwei weiteren Betroffenen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert gerichtliche Verfahren, um Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Verfassungsbeschwerden gegen die automatisierte Passbildabfrage und gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern, zuletzt gegen das neue Polizeigesetz in Baden-Württemberg.

Zur Finanzierung ihres Einsatzes für die Grundrechte ruft die GFF zu Spenden auf.

Mehr Informationen zur GFF finden Sie unter https://freiheitsrechte.org

Die Humanistische Union ist eine unabhängige Bürgerrechtsorganisation. Seit ihrer Gründung 1961 setzt sie sich für den Schutz und die Durchsetzung der Menschen- und Bürgerrechte ein. Sie engagiert sich für das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und wendet sich gegen jede unverhältnismäßige Einschränkung dieses Rechts durch Staat, Wirtschaft oder Kirchen. Immer wieder ringt sie vor Gerichten um datenschutzrechtliche Mindeststandards für staatliche Stellen: gegen Große Lauschangriffe, den Einsatz von IMSI-Catchern, die Online-Durchsuchung oder die Einführung der Steuer-ID.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen unter oder telefonisch unter 030 549 08 10 55 zur Verfügung.

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