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GFF-Klage vor Verwaltungsgericht Hannover: Bundesregierung plant Ausweitung von Handyauslesungen bei Geflüchteten trotz Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Berlin, 17. November 2023 – Heute verhandelt das Verwaltungsgericht Hannover die Klage eines syrischen Geflüchteten, der gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. gerichtlich gegen die Auswertung seiner Handydaten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorgeht. Im Februar 2023 hatte das Bundesverwaltungsgericht die gängige Praxis des BAMF, Handys von Geflüchteten auszulesen und die Daten auszuwerten, auf eine Klage der GFF hin für rechtswidrig erklärt. Die GFF rechnet daher heute mit einer Entscheidung zugunsten des Klägers.

Im Widerspruch zu dieser klaren Rechtsprechung steht der aktuelle Vorschlag des Bundesinnenministeriums im Entwurf für ein „Rückführungsverbesserungsgesetz“, die für rechtswidrig erklärte Praxis der Handyauslesung sogar noch auszuweiten.

Die GFF sieht in der Auslesung von Handys einen besonders tiefen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen, weil häufig sehr intime Daten auf Smartphones gespeichert sind.

Das BAMF hatte das Smartphone des Klägers, der schon 2015 als Flüchtling anerkannt wurde, im Jahr 2019 überprüft. „Ich hatte Angst, abgeschoben zu werden, daher habe ich dem Mitarbeiter des BAMF das Handy gegeben. Das war, als würde ich mein ganzes Leben über den Tisch reichen“, erinnert sich Kläger Mohammed A. Das Auslesen lieferte keine neuen Ergebnisse und der Asylstatus des Klägers blieb bestehen.

Nach dem Gesetzentwurf sollen die Handys Geflüchteter künftig routinemäßig auf Vorrat ausgelesen werden. Das BMI will den Behörden außerdem ermöglichen, die Wohnung von Geflüchteten zu durchsuchen, um die Handys zu beschlagnahmen. Die Maßnahme soll sogenannten „Asylmissbrauch“ verhindern und helfen die Identität von Menschen ohne Pass zu ermitteln. Eine Studie der GFF zeigte aber bereits 2019, dass die Auslesungen kaum verwertbare Ergebnisse hervorbringen.

„Der Vorschlag, das Auslesen der Handys von Geflüchteten noch auszuweiten, ist reine Schikane und rechtspopulistischer Aktionismus. Die bisherigen Erfahrungen mit der Handydatenauswertung zeigen, dass die Ergebnisse weit überwiegend unbrauchbar sind“, kritisiert Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Die Bundesregierung muss anerkennen, dass der Schutz der persönlichen Daten für alle Menschen gilt und diese rechtswidrige Praxis ein für alle Mal einstellen“.

„Wir erwarten heute ein Urteil für unseren Kläger, dessen Daten rechtswidrig ausgelesen und ausgewertet wurden“, kommentiert Rechtsanwalt Matthias Lehnert. „Das Gesetz und der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz machen hier eindeutige Vorgaben - bevor das BAMF Handydaten ausliest und auswertet, muss es andere Wege prüfen, um die Identität zu ermitteln.“

Derzeit stehen mehrere einschneidende Vorschläge der Bundesregierung im Raum – wie die Kürzung von Sozialleistungen für Menschen in Sammelunterkünften –, die gegen Grundrechte verstoßen und zum Teil bereits vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden. Aus Sicht der GFF werden Verfahren wie diese zur Beweisprobe, dass staatliche Stellen die Bindung an Verfassung und Grundrechte ernstnehmen.

Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/refugee-daten

Die Studie zur Auslesung von Handydaten finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/uploads/publications/Digital/Studie_Digitalisierung_von_Migrationskontrolle-Gesellschaft_fuer_Freiheitsrechte-2019_Digitale_Rechte.pdf

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/2493108

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