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Klimacamps @Fridays for Future
Demokratie und Grundrechte
Art. 8

Projekt „Klima­camps stärken“: Für eine starke Versammlungs­freiheit

Gemeinsam mit Fridays for Future klagen wir für die Anerkennung von Klimacamps im Versammlungsrecht.

Für die Klimabewegung sind Protestcamps ein zentrales Kundgebungsmittel. Unter dem Motto „Wir bleiben bis ihr handelt“ veranstalten Klimagerechtigkeitsaktivist*innen bundesweit Camps, deren dauerhafte Präsenz im öffentlichen Raum zeigen soll, wie dringlich die Klimakrise ist. Doch staatliche Stellen erschweren diese Protestform zunehmend.

Behörden und Gerichte sprechen Klimacamps vielfach den Versammlungscharakter ab. Selbst einfachste Infrastruktur wie Sanitäranlagen, Sitzgelegenheiten und Schutz vor Witterungsbedingungen werden untersagt. Camps müssen unter solch rudimentären Bedingungen stattfinden, dass langfristiger Protest schlicht nicht mehr möglich ist. Oft untersagen die Versammlungsbehörden den Protestierenden vor Ort zu schlafen oder sich zum Ausruhen zurückzuziehen. Oftmals kontrolliert die Polizei akribisch, ob die strengen Auflagen eingehalten werden. Klimacamps werden rund um die Uhr überwacht und schlafende Aktivist*innen geweckt. Verstöße gegen die Auflagen werden vermehrt strafrechtlich verfolgt. Diese Praxis wirkt enorm abschreckend für die Demonstrierenden und führt dazu, dass eine so wichtige Protestform wie die Klimacamps aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden. Deshalb startet die GFF das Projekt „Klimacamps stärken“

GFF-Projekt „Klimacamps stärken“

Mit dem Projekt „Klimacamps stärken“ setzt die GFF sich für die Anerkennung von Klimacamps und ein Versammlungsrecht ein, das offen für zukünftige Protestformen ist. Durch ausgewählte Gerichtsverfahren knüpfen wir an die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an und wollen darauf hinwirken, dass das Selbstbestimmungsrecht der Aktivist*innen und die Offenheit des Versammlungsbegriffs für neue Protestformen, bei behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen wieder im Vordergrund steht.

Gemeinsam mit Fridays for Future klagt die GFF gegen das Verbot des Klimacamps in Dresden vor dem lokalen Verwaltungsgericht. Außerdem beteiligt sich die GFF an einem Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Seiten des Klimacamps: Das Land Nordrhein-Westfalen hatte 2017 den Protest gegen den Braunkohletagebau Garzweiler teilweise untersagt.

Klimacamp von FFF in Dresden

In diesem Verfahren zum Dresdner Klimacamp unterstützen wir Klimaaktivist*innen eines Klimacamp in der Innenstadt Dresdens. Wir wenden uns konkret gegen Auflagen der Stadt, die die angemeldete Infrastruktur (Schlaf- und Workshopzelte, Tische/Stühle) und das Nächtigen am Versammlungsort untersagten. Die Anmelder*innen haben von Anfang an vorgetragen, dass es ihr Ziel ist, unter dem Motto „Klimacamp – wir campen bis ihr handelt“ rund um die Uhr und ununterbrochen zu demonstrieren.

Dieser Fall macht deutlich, wie sehr die Zugänglichkeit einer Versammlung eingeschränkt wird, wenn von allen Teilnehmenden verlangt wird zu stehen oder sich jeglichen Witterungsbedingungen schutzlos auszusetzen.

Klimacamp am Tagebau in Garzweiler

Mit diesem Fall legen wir dar, dass eine gewisse Übernachtungsinfrastruktur für die Teilnahme an einer mehrtätigen Dauerversammlung im ländlichen Raum notwendig ist. Das Klimacamp in Garzweiler fand mit mehreren tausend Teilnehmer*innen in unmittelbarer Nähe zum Tagebau statt. Es bestand aus einer Veranstaltungs- und zwei Übernachtungsflächen. Die Versammlungsbehörde Aachen erließ einen Bescheid in dem sie feststellte, dass eine der Übernachtungsflächen nicht von Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz geschützt sei.

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat in zweiter Instanz entschieden, dass das Klimacamp 2017 insgesamt, also auch die zweite Übernachtungsfläche dem Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG unterfalle (OVG NRW, Beschluss vom 16. Juni 2020 – 15 A 3138/18). In der Revisionsbegründung trägt die Stadt Aachen nun vor, es gebe keinen Unterschied zu einem Ferienlager , die Teilnehmer*innen der Versammlung hätten auch in Hotels übernachten und mit Taxis vom Protestcamp an- und abreisen oder auf der Veranstaltungsfläche selbst übernachten können. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht führt Rechtsanwalt Dr. Philipp Schulte auf Seiten des Klimacamps.

Die Versammlungsfreiheit schützt die Selbstbestimmung über Zeit, Ort und Form des Protests

Klimacamps praktisch unmöglich zu machen ist mit der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Versammlungsfreiheit das Recht der Protestierenden schützt, selbst über Zeit, Ort und Form des Protests zu bestimmen. Der Versammlungsbegriff kennt keinen Katalog geschützter Versammlungsformen und ist offen für neue Formen des Protests. Der Staat hat die Wirksamkeit der gewählten Form nicht zu beurteilen. Er kann lediglich bei konkret drohender Gefahr für die öffentliche Sicherheit die notwendigen Vorkehrungen treffen und Proteste beschränken. Im Falle der Klimacamps nehmen die Behörden grundsätzlich an, dass eine Gefahr vorliegt. Sie argumentieren, dass die Camps nicht insgesamt von Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz geschützt sind und dass es gegen Straßen-, Wege- oder Grünflächenrecht verstoße, Zelte auszustellen.

Eine eindeutige Aussage des Bundesverfassungsgerichts zu Protestcamps gibt es bisher nicht. In einem Eilverfahren zum „Antikapitalistischen Camp“ im Hamburger Stadtpark anlässlich des G-20-Gipfels im Juli 2017 hatte sich das Gericht unter Verweis auf „schwierige und in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ungeklärte Fragen“ einer klaren Positionierung enthalten.

Klimacamps und neue Formen des Protests

Das demokratisch selbstbestimmte Verständnis der Versammlungsfreiheit, das von dem Bundesverfassungsrecht stets betont wird, streitet dafür Protestcamps als legitime und geschützte Formen der Versammlungsfreiheit anzuerkennen. Denn schon die bloße körperliche Präsenz kann nach dem Bundesverfassungsgericht Mittel des Protests sein. So muss gerade das dauerhafte Campieren, bei dem die Protestierenden vor Ort nächtigen, als besonderer Ausdruck des Protests und der Ernsthaftigkeit der Aktivist*innen verstanden werden.

Infrastruktur ist dabei notwendig für einen länger andauernden und ununterbrochenen Aufenthalt am Kundgabeort. Darüber hinaus sind die Camps als solche als Ausdrucksform des Protests zu verstehen. Workshops, Vorträge oder Filmscreenings machen die Protestcamps zu Orten der (Aus-)bildung und des Aushandelns und ermöglichen ein Gefühl von Gemeinschaft. Die Dauer und Offenheit verstärken die Wirksamkeit der Camps: Jede*r ist eingeladen, sich anzuschließen und gestaltend mitzuwirken. Das Vorleben einer klimaverträglichen und gemeinschaftlichen Lebensweise, das ständige Entwickeln neuer Initiativen und das vielfältige Programm steigern das mediale Interesse und die Möglichkeiten sich mit der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.

Die Praxis der Versammlungsbehörden und der Gerichte hat mit dieser Entwicklung der Versammlungskultur nicht Schritt gehalten. Dabei handelt es sich bei dieser Protestform, insbesondere auch dadurch, dass sich jede*r niedrigschwellig beteiligen kann, geradezu um ein Musterbeispiel für die Elemente, die laut dem Bundesverfassungsgericht zentral für die Versammlungsfreiheit sind: Die „gemeinschaftliche Erörterung“ und „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie“.

Wir suchen Kläger*innen!

Für weitere strategische Verfahren suchen wir Kläger*innen, um die Versammlungsfreiheit und die Klimabewegung zu stärken. Wenn ihr als Organisator*in oder Teilnehmer*in eines Klimacamps von Verboten und unverhältnismäßigen Beschränkungen betroffen seid, meldet euch bei uns unter klimacamps@freiheitsrechte.org.

Das Projekt wird durch eine Förderung über 25.000 EUR von Campact unterstützt.

BVerfG Schriftzug

Freedom needs fighters

Gemeinsam für die Freiheitsrechte vor Gericht

Grundrechte verteidigen.
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