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Das Recht auf Wohnen: Was es bedeutet und wie wir es stärken

Das Recht auf Wohnen ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es sichert jedem Menschen mehr als nur ein Dach über dem Kopf: Es geht vielmehr um angemessenen, sicheren und bezahlbaren Wohnraum, der Schutz, Privatsphäre und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Die Realität sieht für viele Menschen jedoch anders aus. Dagegen gehen wir von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor.

Wo ist das Recht auf Wohnen verankert?

Das Recht auf Wohnen ist mehr als ein politisches Ziel: Es ist ein einklagbares Menschenrecht mit klaren Standards. Wenngleich die Mütter und Väter des Grundgesetzes (GG) es in Deutschland nicht ausdrücklich verankert haben, ist das Recht auf Wohnen in verschiedenen internationalen und nationalen Rechtsquellen festgeschrieben. Es ergibt sich zum Beispiel aus der Kombination zweier Regelungen im Grundgesetz: der Garantie der Menschenwürde (Artikel 1 Absatz 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 1 GG).

Sozialstaatsprinzip

Das Sozialstaatsprinzip besagt, dass der Staat für soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit seiner Bürger*innen sorgen muss. Es verpflichtet die Gesetzgebein zum Gestalten einer Rechtsordnung, die soziale Ungleichheiten ausgleicht und ein menschenwürdiges Existenzminimum für alle gewährleistet. Das Sozialstaatsprinzip ist nicht nur ein Auftrag an die Gesetzgeberin, sondern auch eine verbindliche Leitlinie für die Verwaltung und andere staatliche Organe.

Das Bundesverfassungsgericht leitet daraus ein „Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ ab: Der Staat muss dieses für alle Menschen sicherstellen – unabhängig etwa von ihrem Einkommen, ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus. Das menschenwürdige Existenzminimum umfasst auch den Wohnraum.

Der Wohnraum selbst ist durch das Grundrecht der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ (Artikel 13 GG) geschützt. Es bedeutet, dass Menschen zum Schutz ihrer Privatsphäre vor staatlichen Eingriffen geschützt sind. Auch die Polizei kann also nicht so ohne Weiteres in private Wohnräume eindringen.

International bestätigen das Recht auf Wohnen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der UN-Sozialpakt und die Europäische Sozialcharta des Europarates.

Rechtliche Grundlagen
  • Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 25: Hier ist festgelegt, dass alle Menschen das Recht auf einen Lebensstandard haben, der ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden sichert – ausdrücklich genannt wird auch die Wohnung.

  • Europäische Sozialcharta des Europarates (Artikel 16 und 31): Auf europäischer Ebene ist das Recht auf Wohnung in Artikel 31 der Revidierten Europäischen Sozialcharta als Ziel festgeschrieben. Artikel 16 stellt speziell Familien unter Schutz und umfasst auch familiengerechtes Wohnen. Deutschland hat diese revidierte Fassung ratifiziert, also gesetzlich anerkannt. Deutschland hat aber Artikel 31 von der Ratifikation ausgenommen.

  • Deutsche Landesverfassungen und Gesetze: In Deutschland ist das Recht auf Wohnen in mehreren Landesverfassungen geregelt und in einfachen Gesetzen (wie den Paragrafen 67 ff. SGB XII) konkretisiert. Das bedeutet: Es gibt zum Beispiel im Sozialrecht und im Mietrecht Regeln, die diesen Grundsatz für die Praxis genauer umsetzen.

    Die Weimarer Verfassung von 1919 formulierte erstmals das Ziel, allen eine gesunde Wohnung zu sichern.

Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht 2010 klargestellt: Aus der Garantie der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip folgt der Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben. Dazu gehört auch eine Wohnung.

Für wohnungslose Menschen, aber auch für Sozialarbeiter*innen, Aktivist*innen und Mitarbeitende in Abgeordnetenbüros heißt das: Wer eine Wohnung braucht oder sich für Obdachlose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen einsetzt, kann sich auf diese Rechtsquellen berufen und auf die Pflicht des Staates pochen, menschenwürdigen und bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen.

Unterschied wohnungs- und obdachlos

Wohnungslos ist, wer keinen eigenen Wohnsitz oder Mietvertrag hat, aber vorübergehend in Notunterkünften oder im Frauenhaus untergebracht ist. (Verdeckt) wohnungslos sind auch Menschen, die zeitweise zum Beispiel bei Verwandten, Freund*innen oder Bekannten unterkommen. Obdachlosigkeit hingegen bedeutet, dass Menschen im Freien übernachten müssen.

Was schützt das Recht auf Wohnen genau?

  • Verfügbarkeit: Es muss ausreichend Wohnraum geben. An dieser Stelle beginnen die Probleme bereits: In Deutschland gibt es insbesondere in Ballungsräumen wie Berlin, München, Hamburg immer weniger bezahlbare Wohnungen. Auch der Neubau stockt.
  • Zugang: Der Zugang zu Wohnraum muss offen, diskriminierungsfrei und bezahlbar sein.
  • Qualität: Wohnraum muss menschenwürdig, sicher und gesund sein. Gerade in Einrichtungen für Geflüchtete oder in Notunterkünften sehen Sozialverbände große Mängel.
  • Gesetzlicher Schutz: Niemand darf willkürlich oder zwangsweise aus seiner Wohnung vertrieben werden.
  • Diskriminierungsverbot: Menschen dürfen bei der Wohnraumvergabe nicht aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Behinderung benachteiligt werden. In Deutschland regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) den Diskriminierungsschutz auf dem Wohnungsmarkt.

Warum ist das Recht auf Wohnen so wichtig?

Viele Mietende können ein Lied über die scheinbar endlose Suche nach einer Wohnung und über steigende Mieten singen. Extrem ist die Lage für Menschen, die ihren Wohnraum bereits verloren haben.

Gründe für Wohnungslosigkeit

Es gibt viele Gründe dafür, die Wohnung zu verlieren – eine Kündigung, aber auch eine Scheidung oder häusliche Gewalt. Weitere Probleme können Mietschulden beispielsweise durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall oder Schicksalsschläge wie der Tod von Angehörigen sein. Nicht-deutsche Wohnungslose hatten oft noch nie eine Wohnung in Deutschland. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sagt: Vermieter*innen haben mehr als der Hälfte der Betroffenen gekündigt. Oft entsteht durch die Wohnungslosigkeit eine Abwärtsspirale; bestehende Probleme verschärfen sich, neue – wie zum Beispiel Suchterkrankungen und Gewalterfahrungen – kommen hinzu.

Wir sprechen nach dem Wohnungslosenbericht 2024 von insgesamt mindestens 531.601 Personen in Deutschland. Höchstwahrscheinlich sind nicht alle Betroffenen statistisch erfasst. Klar ist, dass die Anzahl wohnungsloser Menschen zwischen 2022 und 2024 gestiegen ist und noch weiter steigen wird. Es handelt sich um ein riesiges Problem mit persönlichen und gesamtgesellschaftlichen Folgen: Immer mehr Menschen sind nicht mehr in der Lage, sich am Wohnungsmarkt selbst zu versorgen.

Wohnen ist aber die Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Wer keine Wohnung hat, hat es viel schwerer, gesund zu bleiben, einer geregelten Arbeit nachzugehen oder die Schule zu besuchen. Gesellschaftliche Teilhabe bleibt damit oft auf der Strecke. Aus einem grundrechtlichen Missstand folgen also viele weitere. Wohnungslosigkeit und unsichere Wohnverhältnisse sind daher nicht nur soziale Probleme. Ein fehlendes Zuhause gefährdet auch, dass Menschen andere Grundrechte (wie etwa das auf körperliche Unversehrtheit und das freie Entfalten der Persönlichkeit) leben können.

Besuche in Notunterkünften zeigen, dass die Betreiber*innen die Mindeststandards einer Wohnung teilweise missachten. Es fehlt häufig an Sicherheit, Sauberkeit und Privatsphäre, für Kinder auch an Möglichkeiten zum Spielen.

Staatlich organisierte Hilfe bei der Suche nach eigenem Wohnraum gibt es trotz des Engagements von Sozialarbeitenden längst nicht immer – gerade für Menschen mit vielfältigen Problemen wie Schulden oder Krankheit. Gemäß des Wohnungslosenberichts 2024 bitten 41 Prozent der wohnungslosen Menschen ohne Unterkunft bei ihrem örtlichen Jobcenter um Unterstützung – erfolglos. Die deutliche Mehrheit der Betroffenen macht die Erfahrung, bei der Wohnungssuche diskriminiert zu werden: Ohne Wohnung bekommen sie keine Wohnung!

Arbeit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zum Thema Wohnen

Da wir von der GFF uns für Erhalt und Ausbau der Grund- und Menschenrechte einsetzen, nehmen wir gerade Menschen ohne starke Lobby in den Blick. Ihre Rechte sind oft besonders gefährdet und sie durchzusetzen ist ohne anwaltliche Hilfe schwer möglich. Unsere Jurist*innen planen, Menschen in sozialen Schwierigkeiten dabei zu unterstützen, eine Wohnung zu erhalten.

Obdachlose Menschen müssen in Ermangelung einer eigenen Wohnung betteln, um duschen oder eine Toilette nutzen zu können. Im Rahmen unserer strategischen Prozessführung klagen wir deshalb zum Beispiel gegen das pauschale Bettelverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln in Hamburg: Dieses Verbot ist mit den Grundrechten unvereinbar.

Der öffentliche Raum ist für alle da. Platzverweise sind häufig rechtswidrig und führen dazu, dass sehr arme Menschen stigmatisiert und kriminalisiert werden. Gegen solche Verdrängung gehen wir vor: Wir wollen das Recht aller Menschen stärken, den öffentlichen Raum diskriminierungsfrei nutzen zu können.

Weil im Grundgesetz die Unverletzlichkeit der Wohnung festgeschrieben ist, darf der Staat nur im Ausnahmefall Zutritt verlangen. Mit der derzeitigen Abschiebepraxis von Geflüchteten wird dieses Recht systematisch verletzt. Vor dem Bundesverwaltungsgericht haben wir bereits erreicht, dass die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ auch in Unterkünften von Geflüchteten gilt. Wir setzen uns nun vor dem Bundesverfassungsgericht für eine höchstrichterliche Entscheidung ein, dass die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss nicht einfach nachts in Schlafzimmer stürmen kann, um Menschen abzuschieben.

Grundrechtswidrige Hausordnungen: Einen unverhältnismäßig krassen Eingriff in die Privatsphäre von Menschen stellen Besuchsverbote und sehr weitgehende Kontrollbefugnisse des Sicherheitspersonals in Unterkünften für Geflüchtete dar. Wir wollen auch für diese Personengruppe mit unserem juristischen Einsatz Grundsatzurteile erstreiten. Denn es darf in Deutschland keine grundrechtsfreien Räume geben.

Wir gehen auch zu den Vereinten Nationen, um zu zeigen, dass es in Deutschland gravierende Mängel beim Gewährleisten von Menschenrechten gibt. Mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) haben wir eine Einreichung zum Recht auf Wohnen gemacht.

Für ein gerechtes Mietrecht

Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis weisen auf den mangelnden politischen Willen hin, an der verheerenden Situation wirksam etwas zu ändern. Der politische Druck sei ihrer Meinung nach zwar groß, aber Mehrheiten bei Politiker*innen fänden sich nicht. Stattdessen gibt es weiterhin Schutzlücken wie die Möglichkeit von Vermieter*innen, die sogenannte Mietpreisbremse zu umgehen.

Wir arbeiten nicht nur mit Beschwerden oder Klagen, sondern erstellen wissenschaftliche Publikationen, führen Fachgespräche, bieten rechtliche Stellungnahmen. Unsere rechtliche Expertise in die Politik einfließen zu lassen, kann Gesetze zum Besseren ändern.

Zu unseren Forderungen zählen deshalb

  • eine Reform des Paragraphen 5 im Wirtschaftsstrafgesetz. Stark überhöhte Mieten müssen konsequent mit Bußgeldern geahndet werden,
  • eine Mietpreisbremse, die den Namen verdient, weil bei Verstößen ein Bußgeld droht. Dazu gehört auch, dass Vermieter*innen möblierten Wohnraum nicht überteuert vermieten dürfen,
  • eine Schonfristzahlung auch bei ordentlicher Kündigung. Das bedeutet, dass Mieter*innen Mietrückstände innerhalb der gesetzlichen Frist begleichen können und damit die Kündigung hinfällig wird,

Regeln, die Wohnungsunternehmen dazu verpflichten, einen Teil ihrer Wohnungen zu bezahlbaren Preisen als Sozialwohnungen zu vermieten.

Mietpreisbremse

Die sogenannte Mietpreisbremse oder die Mietpreisbindung setzt Höchstpreise fest und verbietet oder beschränkt Mieterhöhungen. Es ist ein Instrument, um den Anstieg von Mieten zu verlangsamen. Die Regel bedeutet, dass in Ballungsräumen die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigen darf.

Mietwucher

Wenn Vermieter*innen krass überhöhte Mieten fordern, machen sie sich strafbar: Liegt die Miete 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, greift das Wirtschaftsstrafgesetz. Liegt die Miete sogar 50 Prozent über dem Standard, kann ein Verstoß gegen den Paragrafen 291 im Strafgesetzbuch vorliegen. Dass Vermieter*innen eine Zwangslage ausnutzen, können Mietende oft schwer nachweisen. Außerdem sind die Bußgelder vergleichsweise gering, so dass wir hier Reformbedarf sehen.

Sozialwohnraum

Sozialwohnungen sind Wohnungen, die nur für Personen mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) bestimmt sind. Diesen Nachweis kann erhalten, wer ein geringes Einkommen hat.

gleiche Rechte und soziale Teilhabe
Art. 13

Polizeieinsätze in der LEA Ellwangen und in Berlin

gleiche Rechte und soziale Teilhabe
Art. 1, 20

UN prüfen soziale Rechte in Deutschland

Grundrechte verteidigen.