Erfolg für Recht auf Privatsphäre: Bundesverwaltungsgericht erklärt BAMF-Praxis der Auswertung von Handys geflüchteter Menschen für rechtswidrig
Berlin/ Leipzig, 16. Februar 2023 – Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gab heute der von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützten Klage einer Afghanin gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) statt und wies die Revision der Gegenseite zurück. Wie schon das Verwaltungsgericht Berlin in der ersten Instanz entschied das BVerwG, dass die Auswertung des Handys der 44-Jährigen durch das BAMF rechtswidrig war.
„Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein großer Erfolg für den Datenschutz und die Privatsphäre von Geflüchteten. Es ist klar rechtswidrig, dass das BAMF Handydaten auf Vorrat auswertet. Diese Praxis muss jetzt aufhören“, sagt Lea Beckmann, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit seinem Urteil, dass die Auswertung von Smartphones Geflüchteter gleich zu Beginn des Asylverfahrens rechtswidrig ist. Das BAMF muss zunächst prüfen, ob es mildere Mittel zur Feststellung von Identität und Staatsangehörigkeit gibt. Über die Frage, ob eine Auswertung zu einem späteren Zeitpunkt grundrechtskonform ist, hat das Gericht nicht entschieden. „Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht erfüllt sind. Wir sind zudem überzeugt, dass das Auslesen von Handys nicht mit der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist. Für uns ist deshalb klar: Das BAMF muss die Handydatenauswertungen vollständig einstellen“, betont der Kooperationsanwalt der GFF Matthias Lehnert.
Der Bundestag führte 2017 die entsprechende Rechtsgrundlage für derartige Auswertungen von Handys ein. Wenn eine asylsuchende Person weder Pass noch Passersatzdokument vorweisen kann, wertet das BAMF seither Datenträger aus, um die Angaben der Person über ihre Identität und Staatsangehörigkeit zu plausibilisieren. Ein konkreter Verdacht gegen die geflüchtete Person war für die Auslesung nicht erforderlich. Das bedeutet einen tiefen Eingriff in die digitale Privatsphäre – und bringt wenig, wie eine von der GFF im Dezember 2019 veröffentlichte Studie zeigt.
Der nur geringe messbare Nutzen des Vorgehens kann den Eingriff in die intimsten Gespräche der Betroffenen nicht rechtfertigen. Das zeigt auch die Erfahrung der 44-jährigen Klägerin: „Mein Smartphone ist die einzige Verbindung zu meiner Familie. Mit unseren Nachrichten tauschen wir uns über Sorgen, Ängste und unseren Alltag aus. Das ist für mich privat, ich möchte nicht, dass andere Menschen das lesen können. Deshalb hat es sich schrecklich angefühlt, dem BAMF-Mitarbeiter damals mein Handy geben zu müssen. Ich bin froh, dass dies anderen Geflüchteten in Zukunft nicht mehr passieren kann.“
Eine Entscheidung des Bundesdatenschutzbeauftragten über die anhängige Beschwerde gegen die Handyauslesungen des BAMF steht weiterhin aus. Dieser wird sich dabei eingehender mit der Vereinbarkeit mit der Datenschutzgrundverordnung und EU-Grundrechte-Charta auseinandersetzen müssen.
Weitere Informationen zur Klage finden Sie unter: https://freiheitsrechte.org/refugee-daten/
Bei Rückfragen wenden Sie sich an: Janina Zillekens, presse@freiheitsrechte.org030/549 08 10-55