Zum Inhalt springen

Großer Erfolg für die Versammlungsfreiheit: Berliner Gericht erklärt erstmals Einsatz von Schmerzgriffen gegen friedlichen Demonstranten für rechtswidrig

Berlin, 20. März 2025 – Das Verwaltungsgericht Berlin hat heute der gemeinsamen Klage der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit einem friedlichen Aktivisten stattgegeben. Das Gericht erklärte den Einsatz von Schmerzgriffen zur Auflösung einer friedlichen Demonstration für rechtswidrig. Dieses Urteil ist ein fundamentaler Erfolg für die Versammlungsfreiheit. Denn: Damit erklärt erstmals ein Gericht in Deutschland die Grenzen des Einsatzes von Schmerzgriffen gegen einen friedlich agierenden Demonstranten und stärkt damit den Schutz friedlicher Versammlungen und der Teilnehmenden.

„Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Versammlungsfreiheit und stärkt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Jetzt steht fest: Schmerzgriffe sind tabu, wenn Personen auch einfach weggetragen werden können. Das Gericht holt die Berliner Polizei mit dieser Entscheidung gegen unnötige Schmerzgriffe auf den Boden des Rechtsstaats und der Grundrechte zurück“, sagt Joschka Selinger, Rechtsanwalt der GFF.

In jüngster Zeit setzte die Polizei vermehrt Schmerzgriffe ein, um friedliche Protestaktionen zu beenden – darunter viele, die eine bessere Klimapolitik forderten. Bei einer Sitzblockade der Aktivist*innengruppe „Letzte Generation“ kam es im April 2023 in Berlin zu einem Polizeieinsatz, der in den Medien besondere Aufmerksamkeit erlangte. Jetzt gibt es endlich eine Klarstellung: „Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis das Gericht diese wichtige Entscheidung gefällt hat. In der Zwischenzeit wurden aus meiner Wahrnehmung Schmerzgriffe eher häufiger statt seltener eingesetzt. Deshalb freue ich mich über das Urteil und hoffe, dass die Berliner Polizei die klaren Grenzen dieser Entscheidung einhält“, sagt Kläger Lars Ritter.

Der Einsatz von Gewalt und Schmerz stellt einen gravierenden Grundrechtseingriff dar und ist nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Das Zufügen oder Androhen von Schmerzen verletzt die körperliche Unversehrtheit und kann sogar gegen das Folterverbot verstoßen. Besonders problematisch ist der Einsatz von Schmerzgriffen bei friedlichen Demonstrationen, da er die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit beeinträchtigt. Der Staat hat die Aufgabe, friedlichen Protest zu schützen und sicherzustellen, dass Menschen ohne Angst ihre Rechte ausüben können. Der Einsatz von Schmerzgriffen kann nachhaltig davon abschrecken, auf die Straße zu gehen.

„Die Entscheidung betont ein Grundprinzip des freiheitlichen Rechtsstaats: Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel. Für vergleichbare Fälle – und davon gibt es viele – sind der Anwendung von Gewalt damit Grenzen gesetzt, ohne dass die Effektivität polizeilicher Einsätze leiden muss“, sagt Patrick Heinemann, Verfahrensbevollmächtigter des Klägers.

Die GFF sieht in dem gewaltvollen Vorgehen der Polizei bei der Auflösung friedlicher Klimaproteste einen weiteren Beleg dafür, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend unter Druck gerät. In mehreren Verfahren setzt sich die Organisation für einen besseren Schutz von friedlichem Protest ein: zum Beispiel auch durch eine laufende Verfassungsbeschwerde gegen das Landes-Versammlungsgesetz NRW.

Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie hier: https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/schmerzgriffe

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55

Grundrechte verteidigen.
Fördermitglied werden!